Stillstand ist Rückschritt. Eine klare Ausrichtung in Vereinen und Verbänden ist heute wichtiger denn je.
Auf der Rückfahrt mit der Bahn von der Mitgliederversammlung des Deutschen Chorverbandes haben sich die Präsidiumsmitglieder des Schwäbischen Chorverbandes Christian Heieck, Johannes Pfeffer und Roman Kotschi zum Thema „Vereinsentwick-
lung“ ausgetauscht.
Ein Verein ist ein dynamisches, lebendes, soziales Gebilde, das sich stets verändern und weiterentwickeln wird. Das was früher noch gegolten hat und richtig war, muss morgen nicht mehr unbedingt weiterhin Bestand haben und zielführend für den Verein sein. Veränderungen, wie z.B. die Digitalisierung der Gesellschaft, aber auch die wachsende Vielzahl der Freizeitangebote, stellen Vereine vor neue Herausforderungen und die Frage, welche Lösungen man dafür anbieten kann.
Diesen Veränderungen soll die Vereinsentwicklung Rechnung tragen, doch oftmals stellen sich viele Fragen, wie z. B.: Warum sollte man eigentlich etwas unternehmen, es läuft doch gut? Was geht in unserem Verein vor? Warum klappt es mit der Mitgliedergewinnung nicht so richtig? Wie geht man die Weiterentwicklung an? Wer kann uns dabei unterstützen?
Umfeld
Ein Verein existiert nicht losgelöst von seiner Umgebung, sondern ist fest eingebettet in die gesellschaftlichen und sozialen Strukturen und ist mit diesen untrennbar verbunden. Vereine tragen in jedem Dorf oder jeder Stadt durch ehrenamtliches Engagement der Mitglieder zur kulturellen Vielfalt bei.
Johannes Pfeffer: „Dabei belebt die Vielfalt der Vereine sozusagen das Geschäft, teilweise steht man in Konkurrenz zueinander, auch im Chorbetrieb. Hier kann es hilfreich sein, gerne auch mal nach links und rechts auf befreundete und benachbarte Chöre und Vereine schauen, was machen diese, wie machen sie es. Das bedeutet aber nicht, dass man es nachmachen, sondern eher davon lernen und sein eigenes Profil herausarbeiten und schärfen sollte.“
Roman Kotschi: „Ein Verein ist nicht nur eindimensional, also auf den reinen Vereinszweck (z. B. gemeinsames Singen, oder die Pflege von traditionellem Liedgut) beschränkt, sondern erfüllt daneben auch noch soziale Aspekte, indem Menschen mit gemeinsamen Interessen zusammenkommen, eine Gemeinschaft bilden, soziale Kontakte pflegen und darüber hinaus auch eine gesellschaftspolitische Wirkung in der Öffentlichkeit entfalten.“
Christian Heieck: „Erkennen von Trends ist für die Vereinsentwicklung ebenso wichtig, um den Verein sicher in die Zukunft zu bringen. Das bedeutet nicht, irgendwelchen modischen Trends nachzueifern, sondern den Verein mit Augenmaß an zukünftigen Themen abzugleichen und festzulegen, wohin man gehen möchte.“
Rechtliches
Die rechtlichen Aspekte machen einen großen Teil der Vereinsentwicklung aus, denn man muss stets ein wachsames Auge haben und sich informieren, welche rechtlichen Themen sich geändert haben. Was ist weggefallen? Was gilt neu und muss beachtet werden, muss die bestehende Satzung angepasst werden?
Christian Heieck: „Der Satzung kommt dabei die wichtigste Aufgabe zu, weil sie dem Verein auf rechtlicher Grundlage Klarheit zu den Rahmenbedingungen eines Vereins gibt. Wenn die Satzung gut formuliert ist, lässt sie trotz klarer Formulierung des Vereinszwecks und seiner Ausgestaltung genügend Raum zur Weiterentwicklung. Es gibt nicht die richtige Satzung, aber sie gut zu definieren ist eine große Herausforderung, weil sie den Rahmen absteckt, innerhalb dessen sich der Verein entwickeln kann. Wenn dieser Rahmen, trotz aller Festigkeit, nachgiebig, beweglich und groß genug bleibt, ist dem Verein genügend Raum gegeben, sich weiterzuentwickeln. Ein zu enger Rahmen könnte die Entwicklung behindern und ständige Anpassungen erforderlich machen, die das Vereinsleben behindern oder sogar lähmen können.“
Johannes Pfeffer: „Eine Geschäftsordnung schafft Klarheit in der Vereinsführung. Eindeutige Aufgabenverteilungen, Zuständigkeiten und Berichtswege sind definiert und schaffen Sicherheit für die Vereinsführung und die Mitglieder. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass ein stressfreies Arbeiten im Verein möglich ist.“
Zielsetzung
Visionen und Ziele sind auch für einen Verein wichtig. Auch wenn man sich durch die Satzung vermeintlich im Klaren darüber ist, was man machen will und wohin man dann gehen will, herrscht oft Unklarheit darüber, ob wirklich alle im Verein dasselbe darunter verstehen, es ausfüllen und das gleiche Ziel ansteuern. Dazu sollte ein Leitbild Klarheit verschaffen.
Johannes Pfeffer: „Die konkrete Frage nach dem Ziel in einem Verein stellt sich oft schon unter dem Aspekt der musikalischen Qualität, die man erreichen will, z. B. welche Auftritte man machen möchte und welche Ressourcen hierfür zur Verfügung stehen.“
Christian Heieck: „Ziele sind enorm wichtig für einen Verein, sie sind in der Satzung und dem Vereinszweck enthalten und geben vor,
wohin der Verein sich bewegt. Allerdings, welche Wege man zur Erreichung der Ziele gehen kann, kann sehr vielfältig sein.“
Roman Kotschi: „Eine der Aufgaben der Vereinsführung sollte es sein, den Verein von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen, zu schauen, ob man die Ziele noch im Fokus hat, auf dem vereinbarten Weg unterwegs ist, ggf. Korrekturen vorzunehmen und die Mitstreiter zum Weitermachen motiviert. Es ist wichtig, dass sich der Verein ein Leitbild und damit ein Selbstverständnis gibt, in dem die Kernpunkte des Vereinszwecks und -wesens aus dem Leitbild heraus verankert sind. Diese dienen den Mitgliedern und der Vereinsführung als Rahmen und Wegweiser für die Vereinsentwicklung.“
Roadmap
Gesellschaftliche Trends und Veränderungen sollte man aufnehmen und im Verein thematisieren, um fit für die Zukunft zu sein und zu bleiben. Deshalb sollte man frühzeitig die Weichen stellen, sich Gedanken machen über die Zukunftsentwicklung und mit der Frage beschäftigen: „Wie geschieht Vereinsentwicklung eigentlich, und wie kann man das Thema angehen?“
Roman Kotschi: „Oftmals geschieht es aus Zwängen heraus, wenn´s nicht mehr anders geht, oder die Probleme im Verein so groß sind, dass man sie nicht mehr ignorieren kann. Leider ist das natürlich der schlechteste Berater, man verliert leicht den Überblick, weil nicht klar ist, mit welchem Thema man zuerst beginnen soll, vielleicht nicht an den Erfolg glaubt oder schlichtweg mit der Situation überfordert ist. Denn mit dem Rücken an der Wand kann man nicht frei denken und handeln, sondern ist eher getriebener und sollte dann auch noch schnell, richtig und entschlossen handeln.“
Johannes Pfeffer: „Man könnte z. B. frühzeitig in einer Art Denkfabrik oder Zukunftskommission im Verein Ideen austauschen und so die Themen für die weitere Entwicklung bearbeiten. Dieses Gremium sollte dann unabhängig vom Tagesgeschäft des Vereins arbeiten und sich frei von diesen Zwängen mit der Zukunft des Vereins auseinandersetzen, Visionen und Ziele für die Zukunft des Vereins entwickeln. Eine Bestandsaufnahme über die Fragen wo kommen wir her, wo stehen wir heute und wo wollen wir hin, soll den Weg bereiten für die weitere Entwicklung.“
Hilfestellung
Natürlich muss man hierbei das Rad nicht vollständig neu erfinden, sondern kann sich auch Unterstützung für den anstehenden Veränderungsprozess holen. Erfahrene und ausgebildete Fachkräfte von den Chorverbänden stehen gerne bereit, um in einem koordinierten und abgestimmten Prozess die Veränderung zu unterstützen und zu begleiten.
Roman Kotschi: „In der Verbandszeitschrift SINGEN werden vielfältige und aktuelle Themen abgedruckt, ebenso Tipps und Anregungen. Die Seiten mit den Aus- und Weiterbildungsangeboten bieten zu den unterschiedlichen Themengruppen vielfältige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung an, sei es persönlich oder als Verein. Darüber hinaus bieten die Chorverbände auch gelungene Praxisbeispiele an, um auf Unsicherheiten oder Fragestellungen beim Veränderungsprozess einzugehen“
Christian Heieck: „Insbesondere bei rechtlichen Themen, bei Fragen zu Steuern, GEMA, DSGVO und anderen bieten die Chorverbände und der SCV sehr gute Hilfestellung und Unterstützung. Auf der Homepage des Schwäbischen Chorverbands findet man unter der Rubrik „Unterstützung und Wissenswertes für Vereinsverantwortliche“ ausreichend Erstinformationen, die bei Bedarf sehr gerne im persönlichen Gespräch vertieft werden können.“
Johannes Pfeffer: „Die Chorverbände (regionale Chorverbände, Schwäbischer Chorverband und Deutscher Chorverband) leisten
hierzu einen großen Beitrag durch Hilfestellung auch durch qualifiziert ausgebildete Coaches und Mentoren, die im Bedarfsfall der Vereinsführung und den Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Gerade der Schwäbische Chorverband hat ein umfangreiches Material zur Vereinsentwicklung, das abgerufen werden kann. Networking, also Kontakte der Mitglieder untereinander im Verein, aber auch als Verein zu anderen Vereinen, Institutionen und Organisationen ergeben ein dynamisches Miteinander und können bei der Weiterentwicklung des Vereins helfen.“