Zwei Chöre im Schwäbischen Chorverband entwickeln ihr Schutzkonzept zum Kindeswohl
Wie können Kinder und Jugendliche im Chor sicher und gut aufgehoben sein? Diese Frage stellen sich immer mehr Ensembles im Schwäbischen Chorverband. Zwei Chöre – der Sängerbund Riederich 1877 und Stimmfarben – haben sich entschieden, das Thema Kinderschutz aktiv anzugehen und ein eigenes Schutzkonzept zu entwickeln.
Begleitet wurden sie vom Schwäbischen Chorverband im Rahmen des Förderprogramms „Präventiv handeln – Schutzkonzepte leben“ des Kinderschutzbundes Baden-Württemberg. Ihre Erfahrungen zeigen, wie wichtig Prävention im Choralltag ist – und dass sich der Weg dorthin lohnt.
Kinderschutz im Choralltag: Bewusstsein schaffen und Haltung entwickeln
Beim Sängerbund Riederich gab ein Impuls von außen den Anstoß. Chorleiterin Birgit Heß berichtet, dass sie an einer Veranstaltung des Jugendamts Reutlingen zum Thema Schutzkonzept teilgenommen habe. Danach sei im Verein schnell klar gewesen, dass Handlungsbedarf bestehe. „Wir wussten, dass jeder Verein über kurz oder lang ein Schutzkonzept brauchen wird. Als der Aufruf des SCV kam, wollten wir diese Chance unbedingt nutzen“, so Heß.
Im Verlauf der Arbeit sei deutlich geworden, wie komplex das Thema tatsächlich ist. „Wir hatten nie Probleme mit Übergriffen, deshalb fehlte uns zunächst die Vorstellung, wo Schwachstellen liegen können. Jetzt wissen wir: Es ist wichtig, das eigene Bewusstsein zu schärfen und nicht naiv zu bleiben.“ Besonders prägend sei die Erkenntnis gewesen, dass Berührungen – auch wenn sie tröstend gemeint sind – nur mit Zustimmung der Kinder erlaubt sind. „Unser Umgang mit Nähe und Trost hat sich verändert“, erklärt Heß.
Ein Schutzkonzept entwickeln: Zusammenarbeit als Schlüssel
Auch bei Stimmfarben steht der Kinderschutz seit der Vereinsgründung 2022 auf der Agenda. Vorsitzende Sophie Zäh, die zuvor zehn Jahre im katholischen Jugendreferat Balingen tätig war, hat das Thema von Beginn an vorangetrieben. „Für uns war klar: Kinder- und Jugendchorarbeit braucht ein stabiles Fundament – dazu gehört ein Schutzkonzept. Als wir erfuhren, dass der SCV eine professionelle Beratung fördert, war das für uns ein Geschenk“, sagt Zäh.
Das Projektteam bei Stimmfarben besteht aus sieben Personen: den beiden Vorsitzenden, Chorleitung, zwei Müttern, einem Mitglied aus dem Erwachsenenchor und – für einzelne Beratungen – einer Jugendlichen aus dem Jugendchor. Diese Zusammensetzung habe sich, so Zäh, als besonders wertvoll erwiesen, weil verschiedene Blickwinkel einfließen konnten.
Die Arbeit im Team sei zwar zeitintensiv, aber äußerst gewinnbringend gewesen. „Wir haben super Erfahrungen gemacht, komplette Tage zu tagen. Dadurch treffen wir uns nur alle paar Monate. Dazwischen mal für zwei Stunden digital. Aber wir genießen die Zusammenarbeit sehr, weil wir uns auch intensiv austauschen können. Die Tage sind immer ruck, zuck vorbei.“ Die Unterstützung durch die externe Schutzkonzeptberaterin habe sich dabei als entscheidend erwiesen: Sie habe die Treffen vorbereitet, den Prozess strukturiert und alle Fäden zusammengehalten. „Ohne sie hätten wir das nicht geschafft. Erst durch diese Begleitung hatten wir eine reale Chance, das Konzept tatsächlich fertigzustellen.“
Neue Perspektiven: Achtsamkeit, Vertrauen
und Verantwortung
Beide Chöre betonen, dass sich durch den Prozess der Blick auf die eigene Arbeit verändert hat. Die Beteiligten achten heute stärker auf Nähe und Distanz, reflektieren ihr Handeln und fragen sich, wie sie Kindern und Jugendlichen Sicherheit und Halt geben können. „Wir fragen uns heute viel öfter: Wie können wir Kinder und Jugendliche stärken?“, so Zäh.
Empfehlungen für andere Chöre und Vereine
Aus ihren Erfahrungen geben beide Chöre klare Empfehlungen weiter: Unterstützung von außen anzunehmen, sei eine große Erleichterung. Die Begleitung durch eine Schutzkonzeptberatung helfe, den Prozess strukturiert und zielgerichtet umzusetzen. Wichtig sei zudem, das Thema nicht einer einzelnen Person zu überlassen, sondern es gemeinsam im Verein zu verankern.
Der Sängerbund Riederich rät, das Konzept nicht einfach von einem anderen Verein zu übernehmen, sondern es individuell zu entwickeln und an die eigene Struktur anzupassen. Stimmfarben betont, dass sich der Aufwand lohnt – weil dadurch nicht nur der Schutz der Kinder gestärkt, sondern auch das Miteinander im Verein bewusster und verantwortungsvoller werde.
Oder, wie es Birgit Heß zusammenfasst: „Nicht kopieren, sondern gemeinsam verstehen, was Schutz im eigenen Verein bedeutet.“
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