Damit hatte kein Verband gerechnet, und kein Verband konnte im Augenblick den auf ihn entfallenden Fehlbetrag aufbringen. Wo sollte denn gekürzt werden? Es gab nur zwei Bereiche, die infrage kamen: die Fortbildungen oder die Chorleiter-/Dirigentenpauschale. Die Kürzung bei der Fortbildung anzubringen, hätte bedeutet, diese vollständig zum Erliegen zu bringen. Beim SCV hätten ca. 100.000 Euro gefehlt, gerade der Betrag, der üblicherweise für die Fortbildung aufgewendet wird. Deshalb wurde im Einvernehmen mit dem damals zuständigen Kultusministerium die Strategie entwickelt, den Verbänden Spielraum bei der Aufbringung des Kürzungsbetrags in folgender Weise zu gewähren: Die von den Verbänden an die angeschlossenen Vereine weiter zu leitende Chorleiterpauschale durfte um bis zu 150 Euro pro Verein gekürzt werden, wenn das so freigeschaufelte Geld für die Fortbildung des künstlerischen Personals der Vereine verwendet wurde. Diese Regelung „von bis zu 150 Euro“ wurde im Jargon (Fortbildungs-) Korridor genannt.
Der SCV hat den gesamten Korridor nie ganz ausgeschöpft. Er hat auch an anderen Stellen gespart und deshalb nur 110 Euro je Verein für den genannten Fortbildungszweck abgezogen. Diese Regelung hat sich recht und schlecht bewährt, aber in letzter Zeit eher schlechter. Denn die Fortbildungsnotwendigkeiten haben sich weiterentwickelt, und der Begriff „künstlerisches Personal“ erwies sich als zu eng. Vor allem ist es sehr schwierig geworden, Fortbildungsangebote nur und ausschließlich an vereinseigene Personen zu richten. Vereine und Verband leben ja davon, auch vereins- und verbands-„fremde“ Personen für ihre Ziele zu gewinnen und zu ertüchtigen. Sie wenden sich beispielsweise auch an Erzieherinnen und Lehrkräfte, um sie für das Singen im Chor zu begeistern. An den Rändern sind die Angebote bewusst unscharf, um neue Personen für die Sache des Singens zu gewinnen. Und dies führt gelegentlich zu Beanstandungen der Bewilligungsbehörde. Das soll sich nun ändern.
Das Präsidium des SCV wird dem Chorverbandstag vorschlagen, in der Beitragsordnung für alle Vereine einen Sockelbeitrag in Höhe von 110 Euro einzuführen. Als Kompensation wird der Korridor in gleicher Höhe abgeschafft. Im Ergebnis ist dies ein Nullsummenspiel. In der Jahresrechnung für die Vereine wird unter dem Strich der gleiche Betrag auftauchen.
Kinder- und Jugendchöre erhalten bisher die volle Chorleiterpauschale. Durch den Sockelbeitrag sollen sie nicht schlechter gestellt werden. Deshalb hat das Präsidium des SCV beschlossen, beim Sockelbeitrag genau die gleichen Befreiungstatbestände zu schaffen wie bisher. Auf diese Weise erleiden Kinder- und Jugendchöre durch die Einführung des Sockelbeitrags keine finanziellen Einbußen.
Diese Neuregelung hat für den Verband wie für die Vereine Vorteile. Die Aufnahme des Sockelbeitrags in die Beitragsordnung hat für die Vereine den Vorteil, dass über eine künftige Änderung des Sockelbeitrags auf dem Chorverbandstag eine Mehrheit gefunden werden muss. Bisher konnte die Spanne des Korridors durch einen einseitigen Akt der Verbandsführung geändert werden. Für den Verband hat die Regelung den Vorteil, dass der Sockelbeitrag zu Eigenmitteln führt, die nicht gegenüber dem Zuwendungsgeber abgerechnet werden müssen. Für sie wird in der ordentlichen Haushaltsrechnung des Verbandes Rechnung gelegt. Weil diese Neuregelung keine finanziellen Nachteile für irgendeinen Verein auslöst, soll sie rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.