Warum haben viele dieser Maßnahmen doch nicht den erwarteten Erfolg? Nun könnte man vermuten, es liegt an der Qualität der Werbemedien und Werbekommunikation. Professionelle Werbegestaltung, egal ob im Print- oder Online-Bereich, gute Texte und Bilder machen sicherlich einen Unterschied in der Wirkung im Vergleich zu „Selbstgestricktem“ und „Low-Budget“ Werbeaktionen. Doch das ist für einen Verein erstens selten leistbar und zweitens auch nicht der wirklich entscheidende Grund für zu wenig Wirkung der Werbung. Der Grund ist …
Marketing macht den Unterschied
Marketing ist mehr als die Produktion von Werbemedien und Öffentlichkeitsarbeit! Holen wir kurz aus: Marketing nannte man früher Absatzförderung. Dieser alte Begriff sagt viel deutlicher, um was es geht. Es geht um alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, den Absatz zu erhöhen, also mehr zu verkaufen.
Die 4Ps
Alles im Marketing lässt sich unter den “4P” betrachten: Product (Produkt, Dienstleistung, Angebot), Price (Preis), Place (Ort der Verfügbarkeit) und Promotion (Werbung). Die Werbung für das Produkt ist also nur ein Teil des Marketings. Selbst die perfekte Werbung kann nichts ausrichten, wenn das Produkt zu teuer, zu schlecht und nicht verfügbar ist.
Machen wir gleich ein konkretes Beispiel für Sie: Die 4 Ps können Sie auf Marketingideen bringen. Z. B. was nützt ein tolles Konzert, wenn der Veranstaltungsort schlecht zu erreichen oder die Parkplatzsituation nervig ist. Eine Marketingidee könnte es deshalb sein, einen Shuttelservice einzurichten – bei einem tollen Konzert in einer besonderen Umgebung sind die Zuhörer bereit, dafür zu zahlen. Auch können „Mobilitäts-Angebote“ grundsätzlich gerade bei Jugendlichen und älteren darüber entscheiden, ob Proben besucht werden – besonders in ländlichen Gebieten mit schlechter Verkehrsanbindung. Sie sehen, das hat alles nichts mit der Qualität der Werbegestaltung zu tun.
Welches „Produkt“ verkauft Ihr Verein / Chor eigentlich?
Stellen Sie sich deshalb jetzt gleich die Frage: „Verkauft“ Ihr Verein Konzert- und Probenerlebnisse, Gemeinschaft, Emotion, Entspannung, Fort- oder Ausbildung zum besseren Sänger … ? Wahrscheinlich von allem ein bisschen – und manches ein wenig mehr und besser.
Schon diese erste Frage führt zum „Marketingdenken“. Weitere Fragen schließen sich an: Was bietet Ihr Chor / Verein im Vergleich zum Angebot des Marktes, im Vergleich zu anderen Chören bzw. Vereinen aber auch Hobbys? Für wen, für welche Zielgruppe(n) ist Ihr Vereins-, Chorangebot besonders attraktiv? Was ist der beste Weg, diese Zielgruppe auf das Vereinsangebot aufmerksam zu machen? Und es geht sogar darum, was die Zielgruppe bereit ist für das Singen und Zuhören bei Ihnen zu leisten (Mithilfe, Mitgliedsbeiträge, Eintritt).
Für Armin Klein, Professor für Kulturmanagement, muss ein erfolgreicher „Kulturbetrieb“ immer drei Dinge im Blick behalten
- Erstens, den kulturellen Auftrag erfüllen
- zweitens, die Zielgruppen erreichen
- und drittens, den Fortbestand der Kultureinrichtung sichern
Denken Sie daran: Marketing richtet sich bei einem Verein/Chor nicht nur auf die Außenwirkung und Maßnahmen, die nach außen zielen. Marketing bezieht sich auch auf interne Maßnahmen. So gehört zum Marketing genauso die Entscheidung für ein besonderes Konzert oder die Entscheidung für Stimmbildung.
Gehen wir jetzt aber nochmals einen Schritt zurück – und gleich systematisch vor. Im Folgenden geht es darum, was Sie konkret tun können, um Ihren Verein marketinggerecht auszurichten. Dabei müssen Sie sich im Klaren darüber sein, dass Marketing niemals so nebenher geht. Marketing fordert und bindet die ganze Organisation ein – es bedeutet Koordination und Zusammenarbeit aller! Marketing ist ein fortwährender Managementprozess. Es ist eine Investition in die Zukunft und beginnt nicht zwei Wochen vor dem Konzert und endet am Konzerttag.
Die fünf Phasen des Marketings
Wenn Sie nach diesen 5 Phasen vorgehen, werden unterschied-liche Mitstreiter unterschiedliche Ansichten und Einschätzungen einbringen – dieses ist zugleich eine Chance für eine offene Diskussion und den notwendigen Blick über den Tellerrand. Und doch ist es wichtig, dass am Ende eine klare Orientierung gefunden wird, hinter der das Führungsteam geschlossen steht. Erfolgreiches Marketing ist keine Kopfgeburt sondern messbar.
Noch eine Anmerkung: In der Marketingliteratur wird oft die Phase „Zielsetzung“ vor die Phase „Analyse“ gestellt. Doch im Bereich der Vereine macht es erfahrungsgemäß mehr Sinn zunächst zu analysieren. Ziel ist ja, mit wenig Aufwand viel für den Verein zu erreichen und nicht Marketing nach dem Lehrbuch für Unternehmen darzustellen.
1. Analyse – wissen wo man steht
Potenzialanalyse
Zunächst geht es um einen ehrlichen Blick auf das „Ist“. Wichtige Fragen sind unter anderem:
Wie steht es um die Qualität unseres Chores? Wie gut gelingt es dem Chorleiter, die Sängerinnen und Sänger zu motivieren und zu begeistern? Gelingt die Balance zwischen fördern und nicht zu überfordern? Entwickelt sich der Chor musikalisch weiter? Treffen wir den musikalischen Geschmack der Mitglieder und Zuhörer? Ist die überwiegende Anzahl mit Engagement und Freude dabei?
Wie steht es um Gemeinschaft: Fühlen sich die Sängerinnen und Sänger in der Gemeinschaft wohl? Wird Wichtiges und auch Schwieriges offen angesprochen und können Konflikte auf eine gute Art geklärt werden?
Führung und Organisation: Ist die Führungsmannschaft gut aufgestellt? Können Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilt werden? Können neue Mitglieder in die Organisation gut eingebunden werden?
Außenwirkung des Vereins/Chors: Welches Image hat der Verein /Chor? Was denkt und sagt die Öffentlichkeit? Wie weit ist der Verein bekannt?
Diese Fragen sollten Ihnen dabei helfen, fünf Stärken Ihres Vereins klar zu benennen. Auf diesen Stärken können Sie Ihre Marketingstrategie aufbauen. Darüber hinaus hilft Ihnen diese Potenzialanalyse Ihre „Baustellen“ zu erkennen.
Es lohnt sich an manchen Schwächen zu arbeiten, um attraktiver zu werden! Nachhaltiges Marketing ist nicht Schwächen durch Geschenk-papier mit Goldschleife „aufzuhübschen“.
Zielgruppenanalyse
Hier geht es um Überlegungen, für wen Ihr Verein / Chor besonders attraktiv ist. Hilfreich dafür ist die Potenzialanalyse.
Umweltanalyse
Die Stärken des Vereins sind nie losgelöst von dem Umfeld. Es macht einen großen Unterschied, ob Sie mit der Ausrichtung Ihres Chores in der Region eine Besonderheit darstellen oder nicht. Dieser Punkt hilft Ihnen auch dabei, Ihre Zielgruppen zu schärfen. Welche Konkurrenten haben wir? Welche Nachfrage gibt es? Wie verändert sich die Einstellung zum Singen?
2. Zielsetzung – wissen wo man hin will
Chöre im Amateurmusikbereich verfolgen meist ähnliche Ziele und sprechen ähnliche Zielgruppen an. An erster Stelle steht meist, neue gute Sängerinnen und vor allem Sänger, die den Verein am besten noch verjüngen, zu finden. Auch wird es für Vereine / Chöre immer wichtiger werden, gute Beziehungen zu Sponsoren und Spendern, anderen Vereinen und der öffentliche Hand aufzubauen. Das vergrößert die Spielräume und Möglichkeiten! Und schließlich geht es um begeisterte und genügend Zuhörer – die vielleicht sogar noch eine CD kaufen.
Stellen Sie sich die folgenden Fragen:
Wissen wir, was wir erreichen wollen – und bis wann?
Je präziser Sie diese Ziele definieren, umso klarer können Sie Ihre Strategie darauf ausrichten, die Aktionen umsetzen und das Ergebnis später überprüfen. Formulieren Sie Ihre Ziele am besten SMART: spezifisch, schriftlich / messbar / attraktiv / realistisch / terminierbar.
Wissen wir, wen wir erreichen wollen?
Wichtig ist, dass Sie sich nicht eine abstrakte Zielgruppe vorstellen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Ihre Maßnahmen richten sich an Menschen, die fühlen und denken! Versetzen Sie sich dazu in die Gedanken und Gefühlswelt Ihrer Zielgruppe. Sehen Sie Ihr Angebot durch die Brille Ihrer Zielgruppe.
Übrigens: Der Weg um diese Ziele und Zielgruppen zu erreichen kann auf verschiedenen Wegen gelingen. Sigurd Agricola, einer der Vordenker der Vereinsforschung, unterscheidet in diesem Zusammenhang das Dialog- und Kooperationsmarketing. Während das Dialogmarketing darauf setzt, sich gegenüber anderen durchzusetzen, geht es beim Kooperationsmarketing darum Synergieeffekte zu nutzen. So ist der andere weniger als Konkurrent sondern als Mitstreiter für die Sache Singen zu sehen. So kann ein Chor, der das Ziel hat, die Tradition der Chormusik lebendig zu erhalten, durch die Zusammenarbeit mit einer Musikschule dieses Ziel erreichen, obwohl die Musikschule auf dem Konzertmarkt nach klassischer Sicht ein Konkurrent ist.
3. Strategie – wissen um die einzelnen Schritte
Mit der Vorarbeit bisher können Sie nun Ihre Maßnahmen strategisch planen. Diese Strategie hilft Ihnen schon vorab „am grünen Tisch“ Wirkungen abzuschätzen, Aktionen abzustimmen und zu verzahnen. Die Ausarbeitung der Strategie ist zugleich ein weiterer Realitäts-Check für Ihre Ziele. Je kürzer und prägnanter Sie die Strategie festhalten umso besser. Denn die Strategie muss verständlich sein für Mitstreiter, die später mit ins Boot kommen.
Strategie hilft Ihnen auch bei der Ressourcenplanung: Was brauchen wir alles dafür? Was wird es kosten? Wer ist involviert und wer trägt die Verantwortung?
Zeitplanung: Wann findet was statt – was muss davor und danach geschehen?
Plan B
„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“. Eine gute Strategie muss Alternativen bieten, wenn Unvorhergesehenes geschieht. Gut dabei, wenn Sie wie ein guter Schachspieler Züge und mögliche Reaktionen vorausdenken.
4. Umsetzung – Ausarbeitung und Start der Aktionen
Nun können Sie sich ganz auf die Realisierung konzentrieren, denn die Struktur steht. Das macht auch arbeitsteiliges Arbeiten möglich! Selbst wenn nun eine einzelne Werbeaktion etwas holpriger funktioniert, tut das der Gesamtwirkung meist wenig Abbruch. Denn die Summe der strategisch konzipierten Maßnahmen garantiert die Wirkung. Achten Sie darauf, dass Sie sich beim Ausarbeiten nicht verzetteln und die Strategie im Auge behalten.
Meist geht es im Vereinsbereich um die folgenden Umsetzungsbereiche
Printwerbung
Hier gilt besonders „weniger ist meist mehr“. Achten Sie auf aufgeräumte Gestaltung und konzentrieren Sie sich auf die Kernaus-sagen. Papier ist geduldig, der Leser nicht! Für Detailinformationen und Aktuellstes gibt es die Onlinemedien.
Internet, Facebook, Youtube, Whatsapp und Co.
Denken Sie auch hier an klare Aussagen. Je einfacher und klarer eine Botschaft rüberkommt, umso besser wird sie verstanden. In den sozialen Netzwerken dürfen und müssen Sie persönlicher werden als auf der Website. Gute Bilder sind auch hier besonders gute „Türöffner“.
Öffentlichkeitsarbeit
Denken Sie daran, dass Öffentlichkeitsarbeit keine Werbung ist. Formulieren Sie informativ das Wichtigste (Wann, Wo, Wer, Was genau …) zuerst. Vergessen Sie nicht den Link für mehr Informationen und gute Bilder anzuhängen, bei denen Sie auch die Bildrechte und Modelrelease-Freigabe haben (Einverständniserklärung der Abgebildeten).
Aktionen
Wie schon gesagt – mediale Kommunikation hat meist weniger Wirkung als Aktionen, bei denen Sie direkt in Kontakt kommen. Z. B. eine Rose, persönlich überreicht, mit einer kleinen Einladung versehen, wirkt oft Wunder und landet sicherlich nicht im Papierkorb sondern in der Vase.
5. Erfolgskontrolle – haben wir das erreicht, was wir wollten?
Marketing hört nie auf. Es ist ein stetiger Prozess. Um die Maßnahmen jederzeit anpassen und justieren zu können, ist es wichtig die Wirkung zu überprüfen. Die Schritte der Erfolgskontrolle sind:
Erfolg messen
Das ist bei konkreten Zielen einfach. Wer sich zum Ziel gesetzt hat, wir wollen 3 neue Tenöre, kann den Erfolg leicht überprüfen. Schwieriger wird es mit weichen Zielen, wie z. B. ein besseres Image. Doch auch hier gibt es Möglichkeiten z. B. durch Interviews oder Fragebögen.
Ergebnisse berichten
Wichtig ist, dass das Führungsteam oder auch der Chor erfährt, welche Wirkung die einzelnen Maßnahmen haben.
Ziele und Stretegie justieren
Nur wenn wir aus den Ergebnissen die richtigen Schlüsse ziehen, bringt die Erfolgskontrolle etwas. Wichtig dabei: Wenn irgend etwas weniger gut funktioniert hat, ist dies kein Grund für persönliche Schuldzuweisungen. Wenig im Leben ist wirklich voraussehbar und planbar. Versuch und Irrtum sowie aus Fehlern lernen gehören für das Marketing dazu.
Noch einige Gedanken zur Inspiration für Ihr Marketing
Wir haben ein gutes „Produkt“
Unser „Produkt“ Musik und Chor begeistert und bewegt – wenn wir es ernst nehmen und ChorleiterInnen haben, die begeistern und bewegen. Auch geht Chor nur in Gemeinschaft – auch das ist ein Pluspunkt, wenn wir wirklich ein gutes Gemeinschaftserlebnis bieten.
Im Marketing geht es immer um Bedürfnisse
Seien Sie offen für Bedürfnisse, hören Sie zu. Machen Sie Ihren Verein / Chor fit, um Bedürfnisse noch besser erfüllen zu können.
Wie gelingt Beziehungsaufbau?
Einige Anregungen dafür:
- Menschen sind grundsätzlich neugierig.
- Emotionen sind das Schmiermittel für Informationen.
- Geschichten und Menschliches ist interessanter als Zahlen, Daten, Fakten …
- Der Aufforderungscharakter darf nicht fehlen – vergessen Sie nie, Werbekommunikation hat stets ein Ziel.
- Steter Tropfen höhlt den Stein, aber zu wenig Tropfen verdunsten ohne Wirkung.
- KISS: Keep it simple und stupid.
Impulse
- Sind Sie mit dem Erfolg Ihrer Werbebemühungen unzufrieden?
- Sind Sie unsicher im Bezug auf die Zukunft Ihres Vereins?
- Sind Sie bereit mindestens 2 Tage für die Grundlagen eines Marketingkonzepts zu investieren?
- Sind Sie bereit Ihren Verein, Ihr Produkt Chor, wenn nötig zu verändern?
- Können Sie mindestens 2 Vereinsmitglieder motivieren, sich mit Kompetenz, Zeit und Leidenschaft ins Marketing einzubringen?
Über die Autoren
Siegfried Bütefisch ist Diplom-Grafik Designer und betreut mit seiner Agentur seit über 25 Jahren Firmen und Verbände im Bereich der Kommunikation und Werbegestaltung. Darüber hinaus gibt er dieses Wissen als Dozent und Autor weiter.
Johannes Pfeffer ist Kulturmanager und Vorsitzender der Chorjugend im Schwäbischen Chorverband. Er engagiert sich in der Nachwuchsarbeit und Entwicklung von neuen innovativen Programmen.