Wie neue Chor-Modelle sich in der Chorszene etablieren.
In Deutschland wird wieder mehr gesungen. Seit einigen Jahren wird dieses Hobby immer attraktiver. Neben dem klassischen Vereinschor haben sich mittlerweile viele unterschiedliche Angebote herausgebildet, die Amateuren den Zugang zum Singen in der Gemeinschaft bieten. Vom Kneipenchor über Veranstaltungen wie „You sing – du bist der Chor“ und zahlreichen offenen Singen landauf landab, bis hin zum Konzept des „Ich kann nicht singen Chores“.
Singen erfreut sich hoher Beliebtheit. Doch worin liegt der Reiz in den neuen Formaten? Jeschi Paul, Chorleiterin des Stuttgarter „Ich kann nicht singen Chors“ berichtet von ihren Erfahrungen in diesem Bereich.
Welchen Stellenwert haben die offenen Formate in der Chorwelt?
Singen in der Gemeinschaft macht Spaß. Und das ist auch tatsächlich der Faktor, der in solchen Formaten im Vordergrund steht. Das Credo lautet meistens: Weg vom Leistungsgedanken, weg von der Virtuosität, hin zum freien und einfachen Singen.
Heutzutage haben viele potenzielle Sängerinnen und Sänger Vorbehalte gegen das Singen im Verein. Lange Zugehörigkeiten zu einer Gruppe, feste Termine, Vereinsveranstaltungen, die nicht unbedingt etwas mit Singen zu tun haben oder eben auch die Angst davor, vielleicht nicht der geborene Musiker zu sein, heben die Überwindungsschwelle zum Probenbesuch stark an. Zudem fällt es leichter relativ „anonym“ singen zu gehen und nicht gleich in der ersten Probe neben seinen Nachbarn zu stehen.
Dennoch können Mitsingveranstaltungen einen guten Einstieg in das Singen bieten. Aus gelegentlichem Singen kann der Wunsch nach mehr werden, aus einfachen Stücken der Wunsch nach wirklicher Arbeit an einem Chorwerk. Ist der Erstkontakt geschaffen und man hat Freude daran, kann vieles passieren, es muss aber eben auch nicht.
Besteht hier ein Konkurrenzverhältnis zum klassischen Verein?
Nicht unbedingt. Hier treffen sich zum Großteil Personen, die den Weg zum Verein wahrscheinlich nie bestritten hätten, da die Grundausrichtung eine vollkommen unterschiedliche ist. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass Angebote ohne große Bindungen, bei denen es wirklich nur auf das gemeinsame Singen ankommt immer wichtiger werden. Das Bedürfnis in der Gemeinschaft zu singen ist groß, nur über die Form muss immer wieder nachgedacht werden.
Was macht den Charme aus?
Es ist eine andere Art des Singens, auf die viele Lust haben. Zum großen Teil ohne Noten, ohne Anspruchsdenken. Einfach frei mit jeder Menge Spaß. Es werden kleinere musikalische Module ausgesucht, die schnell funktionieren, keine großen musikalischen Kenntnisse voraussetzen und abwechslungsreich sind.
Was dennoch wichtig ist
Stimmbildung. Ob man ein Requiem aufführt oder sich einfach so zum Singen trifft – die Belastung für den Stimmapparat ist da. Vor allem bei ungeübteren Sängerinnen und Sängern kann die ungewohnte Beanspruchung der Singstimme bei schlechter Vorbereitung zu Problemen führen. Ein gutes Einsingen ist daher wichtiger als alles andere.
Fazit
Hier stehen zwei vollkommen unterschiedliche Konzepte gegenüber, die sich zum Teil ergänzen können und vielleicht auch das ein oder andere voneinander lernen können. Kein Chor funktioniert ohne einen guten Chorleiter, kein Chor ohne Spaß am Singen. Ob Singen im Verein, oder gelegentliches Singen bei Veranstaltungen. Beides hat seine Berechtigung, beides sein Publikum und beides bleibt am Ende Chorgesang.