Kinder und Jugendliche sind ein wichtiger Faktor in der Chorarbeit. Sie sind die Erwachsenen von morgen; ihre Zahl im Verein ist ein Gradmesser für die Zukunftsarbeit der Verantwortlichen und die Attraktivität der Angebote, die ein Verein seinen Mitgliedern macht. Die Erfahrung zeigt: ein Chor, der sich immer selbst genug war / ist und keine Jugendarbeit betreibt, steht eines Tages am offenen Grab seiner Unterlassungssünden.
Zuerst ist die Singfähigkeit nicht mehr in allen Stimmen (allem voran im Tenor!) gewährleistet, dann findet sich kein Vorstand mehr, der Verantwortung übernehmen will und kann. Schließlich bleibt nur noch der Gang zum Schwäbischen Chorverband, um sich über die Vereinsauflösung beraten zu lassen. So bereits häufig geschehen und mit zunehmender Tendenz, leider.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Auffassung darüber, wie Vereinsarbeit zu machen ist, teilweise sehr unterschiedlich ist. Zwischen Jungen und Alten liegen nicht selten zwei Generationen! Oft kontrastiert der Wunsch der Jüngeren und Jungen, sich bei der „Bürokratie“ eines Vereins auf das Notwendige, Zweckmäßige und „Schlanke“ zu beschränken, mit dem eben sehr formalen, über Jahrzehnte gewachsenen Vereinsleben, von Jungen oft als „Vereinsmeierei“ tituliert.
Wenn also Einigkeit darüber besteht, dass die Aufnahme und Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in der Chorarbeit wünschenswert und notwendig ist, muss man die Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten kennen, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind.
Die / der Minderjährige im Verein
Im Zivilrecht ist das Kind geschäftsunfähig, § 104 Ziff. 1 BGB, bis es das 7. Lebensjahr vollendet hat. Dann ist es beschränkt geschäftsfähig bis zu seinem 18. Geburtstag, § 106 BGB. Das heißt: Das Kind darf – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur mit Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter Geschäfte des täglichen Lebens abschließen, also Willenserklärungen abgeben, die nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil beinhalten, § 107 BGB. Tut der beschränkt Geschäftsfähige das trotzdem, ist seine Willenserklärung / der abgeschlossene Vertrag „schwebend unwirksam“, wie das die Juristen nennen; nach § 108 BGB ist das der Zeitraum bis zur Entscheidung des gesetzlichen Vertreters / der gesetzlichen Vertreter, ob sie das Geschäft genehmigen oder nicht. Tun sie es nicht, ist es ungültig, genehmigen sie, ist es uneingeschränkt wirksam. Allerdings kann unter bestimmten Voraussetzungen die Genehmigung oder Einwilligung auch widerrufen werden, etwa, wenn bei der Einwilligung wichtige Tatsachen dem gesetzlichen Vertreter nicht bekannt waren.
Auch einseitige Rechtsgeschäfte, etwa eine Kündigung oder eine Anfechtung, sind ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters unwirksam. Das vertragliche Gegenüber muss auf der Einwilligung in schriftlicher Form bestehen oder das Rechtsgeschäft wegen fehlender Ein-willigung unverzüglich zurückweisen, § 111 BGB.
Eine Ausnahme ist der „Taschengeldparagraf“, § 110 BGB. Wenn der Minderjährige (7-18 Jahre ) die vertragsmäßige Leistung, also etwa den Kaufpreis, mit Mitteln bestreitet, die ihm für dieses Geschäft oder zur freien Verfügung gegeben worden sind, ist das Geschäft von Anfang an wirksam, bedarf nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und kann von diesem auch nicht wegen fehlender Einwilligung zu Fall gebracht werden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit für diese reichlich trockenen Ausführungen zur gesetzlichen Lage.
Wenden wir nun das Minderjährigenrecht auf die tägliche Vereinsarbeit an
1. Gründung eines Vereins: Oft ist – zufällig oder mit voller Absicht – bei der Gründung eines Vereins ein Minderjähriger dabei. Die Gründung eines Vereins ist ein Vertragsschluss unter den Gründungsmitgliedern. Dafür muss man also geschäftsfähig sein. Der Minderjährige bedarf also bei der Gründung der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter, in der Regel seiner Eltern, §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB. Sind zwei gesetzliche Vertreter vorhanden, müssen sie beide zustimmen, wobei sich ein gesetzlicher Vertreter vom anderen vertreten lassen kann, wenn die Vertretung wirksam ist. In der Praxis wird diese Notwendigkeit sehr häufig übersehen.
Mit dem Taschengeldparagrafen (siehe oben, § 110 BGB) kann man die fehlende Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bei der Vereinsgründung nicht ersetzen, da in aller Regel die Vereinsgründung für den Minderjährigen nicht nur finanzielle Aspekte hat.
2. Schon bei der Gründung des Vereins, nämlich bei der Formulierung der Satzung, sollten sich die Gründungsmütter und -väter darüber Gedanken gemacht haben, wie sie mit dem Thema Minderjährige umgehen wollen. In vielen Satzungen – nach meiner Erfahrung den meisten – steht über Minderjährige gar nichts in der Satzung. Dazu besteht aber aller Anlass.
Beispiel Stimmrecht:
Wenn Minderjährige nach der Satzung in den Verein aufgenommen werden dürfen, und es steht sonst nichts in der Satzung, sind sie mit den gleichen Mitgliedsrechten ausgestattet wie die Erwachsenen. In der Regel wird auch angenommen, dass mit der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter durch beispielsweise Unterschrift unter den Aufnahmeantrag zur Mitgliedschaft auch die Zustimmung zu allen weiteren Verhaltensweisen des Minderjährigen im Verein erteilt wird, also zur Abstimmung in der Mitgliederversammlung, zur Bezahlung eines Mitgliedsbeitrages etc.
Die Satzung kann aber auch das Stimmrecht der Minderjährigen ausschließen oder begrenzen. Das muss dann allerdings im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes immer für alle Minderjährige gelten. Mitglieder unter 7 Jahren haben in keinem Fall ein Stimmrecht. Die Stimmabgabe kann auf bestimmte Bereiche beschränkt werden, was in der Satzung allerdings genau niedergelegt sein muss; ansonsten gilt das volle Stimmrecht.
Die Satzung kann auch ausschließen, dass der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen an dessen Stelle abstimmt oder in dessen Vertretung.
Der Verein kann im Übrigen das Mindestalter festlegen, das ein Minderjähriger bei der Aufnahme in den Verein oder den Vorstand haben muss, in der Spanne zwischen 7 und 18 Jahren.
Die Vermutung, dass der gesetzliche Vertreter mit dem, was sein Sprössling nach seiner Einwilligung im Verein tut, einverstanden ist, ist allerdings widerleglich. Er kann auch seine Einwilligung zu einer Handlung des Minderjährigen im Verein davon abhängig machen, wie sich dieser bei der Abstimmung verhalten möchte. Das kommt – wenngleich selten – vor.
Wenn es in der Mitgliederversammlung bei der Abstimmung von Minderjährigen auf eine nicht vorliegende Einwilligung ankommt, muss der Versammlungsleiter darauf bestehen, dass die Einwilligung des nicht anwesenden gesetzlichen Vertreters schriftlich vorgelegt wird. Sonst muss er die Abstimmung durch den Minderjährigen sofort zurückweisen, da sie ansonsten wirksam ist.
Der Minderjährige im Vorstand:
Grundsätzlich gilt das bisher Gesagte auch für die Tätigkeit des Minderjährigen im Vorstand. Er kann also, wenn die Satzung nicht besagt, dass Minderjährige nicht in den Vorstand wählbar sind (passives Wahlrecht), zum Vorstand gewählt werden. Das ist allerdings wenig praktisch, weil Vorstandsmitglieder häufig Rechtsgeschäfte abschließen oder Willenserklärungen für den Verein abgeben müssen, für deren Wirksamkeit dann jedes Mal der gesetz-liche Vertreter des Minderjährigen seine Einwilligung geben muss. Dazu reicht die Einwilligung in die Mitgliedschaft des Minderjährigen nicht aus.
Sie sehen, lieber Leser, viel ist es nicht, was man beim formalen Umgang mit der Mitwirkung Minderjähriger im Verein bedenken muss, aber genug. Hier sollten sich die Verantwortlichen bei der Vereinsgründung und auch in der Vorstandsarbeit besonders viel Mühe geben.
Wie im Übrigen im Umgang mit Minderjährigen überhaupt, je jünger, desto mehr! Die Themen Haftung des Vereins für die Aufsicht über Minderjährige und der besondere Schutz, unter dem Jugendliche in datenschutzrechtlicher Hinsicht und
im Hinblick auf den Schutzbereich des Kinderschutzgesetzes stehen, muss die besondere Aufmerksamkeit der Verantwortlichen (in erster Linie also Vorstand und Chorleiter) haben.
Meine Ausführungen sollen Vereine ermuntern, Minderjährige in den Verein aufzunehmen, ihnen im gebotenen Maße Verantwortung zu übertragen und sie in motivierender Weise an die Vereinsarbeit heranzuführen. Dazu wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg.
Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.