Holger Frank Heimsch spricht über die Neuerscheinung „Claudio Monteverdi, Biografie“ von Silke Leupold.
Viele Jahre zählte der italienische Komponist und Kapellmeister am Markusdom zu Venedig in der Vokalszene nicht zu den am meisten aufgeführten Autoren. 2017 feiert man den 450. Geburtstag des Opernvisionärs mit komponierter Empathie. Die Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Silke Leopold hat zusammen mit Reclam- und Carus-Verlag eine neue Biografie des Komponisten veröffentlicht.
Claudio Monteverdi war ein Komponist, der an der Wende zum 17. Jahrhundert gelebt hat (getauft am 15. Mai 1567 in Cremona; † 29. Nov. 1643 in Venedig). Er ist in Cremona geboren und zu einem aufstrebenden Musiker herangewachsen. In Mantua hat der junge Musiker gut gearbeitet, konnte allerdings seine Fähigkeiten auf Grund von Sparzwängen nicht voll zur Geltung bringen. Mit Mitte 40 stand Monteverdi vor dem Nichts. Doch ein Jahr später wusste er seine Chancen zu nutzen und wurde Kapellmeister am Markusdom zu Venedig, eine Stelle, die er 30 Jahre bekleidete. Monteverdi verstarb im Alter von 76 Jahren in Venedig – er hat bis zuletzt komponiert. „Ein Meilenstein seiner musikalischen Arbeit war mit Sicherheit die Entwicklung des vollständig in Musik gesetzten Dramas.“ so die Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Silke Leopold von der Universität Heidelberg, die anlässlich des 450. Geburtstages eine neue Biografie veröffentlicht hat. Es stellt sich die Frage, ob sich das Genre der Oper ohne den Einfluss Monteverdis so positiv entwickelt hätte, oder sogar nach nur zehn Jahren am Ende gewesen wäre.
Unterstützung aus dem Elternhaus
Oft werden Parallelen zwischen der ambitionierten Karriere Monteverdis und Mozarts Werdegang gezogen. Diese Parallelität ist aber eher indirekt. Monteverdi kam bereits durch sein Elternhaus eine starke Unterstützung zugute. Der Vater, der als Chirurg arbeitete, förderte die musikalischen Fähigkeiten seiner Söhne. Bereits im Alter von 15 Jahren veröffentlichte Monteverdi seinen ersten Druck im Raum Cremona. Mit dieser Veröffent-lichung gelang ihm zwar noch nicht der Durchbruch, aber das Fundament seiner Karriere war gelegt. Für seine musikalischen Leistungen wahrgenommen wurde er erst durch die Übernahme seines Amtes als Hofkapellmeister in Mantua.
Das Buch „Claudio Monteverdi“ von Silke Leopold folgt den Lebensstationen Claudio Monteverdis. Dabei faszinierend ist die Erkenntnis, dass der Komponist bereits zu Lebzeiten eine internationale Berühmtheit war. Wie auch andere große Komponisten seiner Zeit war er keineswegs ständig auf Reisen. Man betrachte hier die Lebenslinien von Johann Sebastian Bach, der Thüringen damals fast nicht verlassen hat oder auch den Lebensweg von Wolfgang Amadeus Mozart, der sich hauptsächlich in der Poebene aufgehalten hat. Der italienische Komponist war ein wacher Geist seiner Zeit. Er beschäftigte sich intensiv mit den musikalischen und gesellschaftspolitischen Themen in der Gesellschaft. Es klingt gerade so, als ob Monteverdis Werke stets in aller Munde waren. Jedoch hat die Vokalszene den Komponisten lange nicht wirklich wahrgenommen. Zum Teil liegt dies sicherlich an der Tradition, dass die Musik verstorbener Komponisten nicht mehr gespielt wurde und daher oft in Vergessenheit geriet. Dennoch überlebte Monteverdis Musik zu großen Teilen. In den 1960er Jahren wurde Monteverdis 400. Geburtstag gefeiert und sein Werk erlebte eine Renaissance. Seitdem hat man sich intensiver mit historischer Aufführungspraxis beschäftigt, die ungewöhnlichen Instrumente neu gelernt und Monteverdi 2017 wieder zu einem Repertoirekomponisten aufleben lassen.
Historische Aufführungspraxis auf neue Art umsetzen
Silke Leopold spricht von einem „Flurschaden“, wenn es um die Frage geht, warum Chöre heute Monteverdi immer noch nicht singen. Dies liegt zum Teil an der Umsetzung der historischen Aufführungspraxis. Hier muss ein Weg gefunden werden, die Musik Monterverdis in einer zeitgemäßen Art zu präsentieren.
Die Autorin beschreibt sehr verständlich, dass Monteverdi besonders in den Madrigalen versucht hat, die Empfindlichkeiten eines menschlichen Individuums in Musik umzusetzen. Das war und ist in dieser Form etwas völlig Neues, denn hierfür wurden die Regeln der Komposition gebrochen. Als Beispiel sei hier genannt: Wenn jemand auf Grund der Bewältigung einer dramatischen Situation sehr traurig spricht, sollte es im Ohr des Hörers ebenfalls schmerzen. Dabei entstanden Dissonanzen, die teilweise so nicht erlaubt waren. Monteverdis Idee war es, die seelischen Empfindungen eines Menschen so zum Ausdruck zu bringen, dass sie unmittelbar in die Herzen der Zuschauer gehen. Tränen der Zuschauer waren für Monteverdi ein Zeichen für den Erfolg einer Komposition.