Der Deutsche Jugendkammerchor arbeitet in Heidenheim und Dischingen nicht nur am konzertanten Programm.
Pourquoi? heißt das neue Programm des Deutschen Jugendkammerchors. Jan Martin Chrost, Regionalkantor aus Heidenheim und Leiter der Singschule Musica cantorum ist seit fünf Jahren ein begeistertes Mitglied des Chores. So lag es nahe, dass die letzte Probenphase, die vom 11. bis zum 14. Mai stattfand, in den Räumlichkeiten der Heidenheimer Gemeinde St.Maria und Christkönig durchzuführen. Zu diesem Anlass waren die 27 SängerInnen im Alter von 16 bis 27 Jahren aus ganz Deutschland zusammengekommen.
Der Zeitplan war eng getaktet: 13 Stunden Probenzeit, davon eine offene Probe, bei der 15 ChorleiterInnen und Organisten aus dem katholischen Dekanat Heidenheim zu Gast waren, zwei Konzerte (in Heidenheim und Dischingen) und ein Education-Projekt.
Workshops mit Schülerinnen und Schülern
Das Education-Projekt wurde am Freitagmorgen in Form eines Schulbesuchs umgesetzt, bei dem Kinder wie Chormitglieder großen Einsatz zeigten. Auf dem Schulhof der Heidenheimer Silcherschule eingetroffen, stimmte der djkc Heinrich Schütz’ „Die Himmel erzählen“ an und zog damit augenblicklich die versammelten GrundschülerInnen in seinen Bann. Große Augen, offene Münder und eine bemerkenswerte Stille zeigten deutlich die Wirkung, die von dem Chor ausging. Nach den nächsten zwei Chorbeiträgen ging es dann in drei Gruppen weiter, die sich auf unterschiedliche Räume aufteilten.
Proben in der Kirche und im Gemeindesaal
In den Genuss einer besonderen Atmosphäre und Akustik kamen hierbei jene Kinder, die sich in der Christkönig-Kirche als Dirigenten versuchen durften. Sowohl dynamische als auch die Artikulation betreffende Nuancen wurden durch den Einsatz unterschiedlicher Hand- und Armbewegungen ausprobiert. Die Chorsängerinnen und Chorsänger reagierten spontan und sorgten bei den kleinen Dirigenten für Faszination und Stolz.
Auch im Gemeindesaal wurde sich mit den Aufgaben eines Chorleiters befasst. Hier übten alle gemeinsam das „Lautstärkekrokodil“, bei dem ein weit geöffnetes Maul – dargestellt durch die Arme – einen lauten und ein leicht geöffnetes Maul einen leisen Klang auslöst.
„Sortierung nach Stimmlagen“
Zuvor waren die Sänger/innen von den Kindern nach ihren Stimmlagen „sortiert“ worden, indem jeder der Reihe nach eine kurze Passage vorgesungen hatte und die Kinder erkannt hatten, bei welchen Chormitgliedern es sich um das selbe Motiv handelte. Im Musikraum der Grundschule lautete die Frage nicht „Was wird gesungen?“, sondern „Wie wird gesungen? Hoch oder tief?“ So wurden zunächst die Männer in eine Ecke gestellt, die Frauen in eine andere. Nach weiteren Zuordnungen durch der Kinder stellte ein Schüler zufrieden fest: „Am Anfang waren die Tonlagen gemischt, jetzt steht ihr sortiert.“
Das Konzept dieses musikpädagogischen Projekts war während einer Probenphase in der Landesmusikakadamie Hessen von den Mitgliedern des djkc entwickelt worden. Grundlage hierfür war ein Vortrag der renommierten Professorin für Elementare Musikpädagogik Barbara Stiller gewesen, die damals von Chorleiter Florian Benfer eingeladen worden war. Das Gelernte konnte nun in die Praxis umgesetzt wer-
den und erwies sich für beide Seiten als spannendes und lehrreiches Erlebnis.
Erste Präsentation des neuen Programms
Abends präsentierte der djkc nach einem probenintensiven Nachmittag dann erstmals sein neues Programm Pourquoi? in der Heidenheimer Marienkirche.
Chorleiter Florian Benfer, in Stockholm lebend, hat seit der Übernahme des djkc im Jahr 2014 seine Begeisterung für skandinavische Chormusik in die Programmgestaltung einfließen lassen. Wer die letzten Konzerte des djkc und auch seine aktuelle CD Nachtschichten gehört hat, könnte den Schluss ziehen, dass die Aufführung skandinavischer, größtenteils unbekannter Werke zum neuen Schwerpunkt des Ensembles geworden ist. Eine Annahme, die ein voreiliger Trugschluss wäre. „Ich versuche immer Stücke auszuwählen, an denen der Chor etwas lernen kann.“, so der 33-Jährige.
Und so eröffneten diesmal zwei frühbarocke Werke von Claudio Monteverdi und Heinrich Schütz das Konzert. Anders als bei Chormusik von Brahms oder Mendelssohn, die den meisten Sängern vertraut sei, komme es hierbei darauf an, erst einmal das gleiche Verständnis für die Musik und ihren Stil zu entwickeln. Ein Prozess, dessen Anfang sich in Heidenheim auf vielversprechende Art geäußert hat. Bei Mendelssohns anschließender Psalmvertonung „Warum toben die Heiden“ blühte der Chor dann spürbar auf.
Spätestens jetzt kam zum Vorschein, was den DJKC auszeichnet: ein jugendlicher und doch erstaunlich reifer, äußerst homogener Klang, der variabel und reich an tonalen Schattierungen ist. Bemerkenswert auch das Energieniveau, das vor allem in St. Johannes Baptist Dischingen zu spüren war.
Hohes Niveau im DJKC
Seit 1999 singt der Deutsche Jugendkammerchor anspruchsvolle Chorliteratur auf überdurchschnittlich hohem Niveau, die er in sechs bis acht Projekten pro Jahr einstudiert und aufführt. Die letzte dieser Probenphasen hatte im März stattgefunden. Was tut man als Chorleiter, damit das Erarbeitete in der Zwischenzeit nicht verloren geht? „Hoffen, beten, Kerzen anzünden.“, schmunzelt Florian Benfer. „Ich verlange von den Chormitgliedern, dass die einstudierten Dinge präsent bleiben. Das ganze Konzept lebt davon, dass sie selbstständig arbeiten.“
Und das haben sie offensichtlich getan. Ob Klassiker wie Brahms’ „Warum ist das Licht gegeben“ oder französische Vertonungen von Francis Poulenc und Paul Hindemith: Der Wille die Musik auf überzeugende Weise vorzutragen steht den jungen Leuten ins Gesicht geschrieben. Und ein stehendes, laut applaudierendes Publikum hat gezeigt, dass ihnen die Umsetzung wieder einmal gelungen ist.