Wie wichtig ein breitgefächertes Angebot im Verein wichtig für die Zukunftsfähigkeit ist.
Wenn man die Kataloge der Verlage durchblättert und nach neuen Werken sucht, die eine Kombination von Akkordeon-Orchestern und Chor vorsehen, könnte man zum Schluss kommen, dass es nicht viel Neues für diese Besetzung gibt – vielleicht, weil diesbezüglich wenig Interesse besteht?
Aus meiner eigenen Arbeit weiß ich jedoch, dass in allen denkbaren Genres sehr viel mit anderen Formationen zusammengearbeitet wird nur leider nicht oder nur wenig mit originalen oder verlegten Werken. Außer den Werken von Stefan Hippe, die bei der Verlagsgruppe Jetelina erschienen sind, gibt es eigentlich sehr wenig verlegte Literatur für die Formation Akkordeon-Orchester und Chor. (siehe oben: Ausschnitt aus „Frühlingslied“, Stefan Hippe, 2006)
Woran könnte das liegen? In der über 90jährigen Entwicklung der Originalmusik für das Akkordeon tauchten immer wieder Kompositionen für Chor und Akkordeon auf, u. a. von Hugo Herrmann oder Wolfgang Jacobi. Ein oft aufgeführtes Werk aus den 50er/60er Jahren sind auch die „Drei Temperamente“ von Curt Mahr. Nun fragt man sich, warum niemand etwas von diesen Werken weiß oder warum sie nicht oder nur sehr wenig aufgeführt werden, obwohl sie musikalisch und handwerklich sehr gut gemacht sind und eine bestmögliche Ausgewogenheit zwischen Chor und Akkordeon-Orchester ermöglichen. Ein Grund könnte sein, dass die Texte vielleicht nicht mehr in unsere Zeit passen und deshalb die Arrangements nicht (mehr) verwendet werden.
Zeitgemäße Arrangements sind notwendig
Wenn zwei Vereine – ein Chor und ein Akkordeon-Orchester – sich zusammentun, sei es für ein Jubiläum oder ein anderes besonderes Event – dann sollten die Arrangements wirkungsvoll und zeitgemäß sein. Da es aber wenig verlegte Werke gibt arrangieren die Orchesterleiter viel selbst. Ich habe für mein Orchester Hohnerklang aus Trossingen schon mehrere Male für große Veranstaltungen wie das World Music Festival in Innsbruck arrangiert: für einen Auftritt mit dem Chor „Abendsterne“ aus Ludwigsburg, Leitung Jörg Thum, Shows mit Rolf Zuckowski und Udo Jürgens sowie ein Musical mit dem Trossinger Künstler Frank Golischewski. Es waren große Events mit bis zu 10.000 Zuhörern – u. a. ein Open-Air-Konzert auf dem Berg Isel – und die Engagements kamen speziell für die Kombination „Chor und Orchester“ zustande. Die Vorbereitung war immer sehr aufwändig, beginnend von den Arrangements, gemeinsame Probentermine mit entsprechend großen Räumlichkeiten, diffizile Tontechnik und vieles mehr.
Wie geht man an die verschiedenen Arrangements heran?
Eine sinnvolle Herangehensweise scheint mir, dass man bei eigenen Vorhaben in den Vereinen oder Musikschulen zunächst gemeinsam mit beiden Dirigenten die Chorsätze anschaut und entsprechend auswählt. Es macht Sinn, sich als Arrangeur für die Akkordeon-Orchester-Partitur an den Chorsätzen zu orientieren. Noch besser ist es, wenn der Leiter des Chores die Arrangements selbst für seine spezielle Besetzung eingerichtet hat. Er weiß, wie seine Formation bestmöglich zur Geltung kommt und daran kann sich der Arrangeur für das Orchester anlehnen. Das „Hinbiegen“ von Akkordeon-Orchester-Arrangements auf eine Besetzung mit Chor – also die umgekehrte Herangehensweise – ist wohl weniger praktikabel. Weiterhin halte ich es für ratsam, dass die Arrangements so gestaltet sind, dass das Orchester nicht zu einer reinen „Begleitband“ reduziert wird, sondern ggfls. eigene Anteile am Stück hat oder vielleicht Ein- und Überleitungen oder Schlüsse musikalisch gestalten kann. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die beiden Dirigenten der jeweiligen Formation sich gut miteinander abstimmen und Einzelheiten besprechen sollten, damit dafür keine Zeit von der gemeinsamen Probe verloren geht. Hier stellt sich dann auch gleich die Frage, welcher Dirigent die Leitung während des Konzertes übernimmt. Eine „elegante“ Lösung ist, wenn einer der beiden Dirigenten eine andere Funktion beim jeweiligen Auftritt übernehmen kann. Wenn beispielsweise der Chorleiter auch gleichzeitig Pianist ist, könnte er mitspielen und gleichzeitig als Subdirigent mitwirken. Insbesondere bei kammermusikalischen Besetzungen (Beispiel: „Cock Robin“, Brent Mc Call, Musikverlag Herbert Heck, Waiblingen) empfehle ich, das Dirigat dem Chorleiter zu überlassen, da man hier eigentlich zwei Chöre übereinander bringen muss – das Akkordeon-Orchester/Ensemble ist in dieser Besetzung wie ein fünfstimmiger Chor zu sehen. Ein Beispiel dafür ist „Carmina Burana“ von Carl Orff in einem Arrangement von Thomas Bauer, der dieses Werk mit seinem Akkordeon-Orchester aus Baltmannsweiler und dem Chor der Universität Hohenheim (Leitung: Walter Pfohl) aufführte. Da hier größere Passagen vom Akkordeon-Orchester allein musiziert werden fungiert der Dirigent sozusagen als Kapellmeister und leitet die Gesamt-Formation ähnlich einem Sinfonie-Orchester mit großem gemischtem Chor.
Für die Zukunft wäre es wünschenswert, dass Verlage doch vermehrt in die Produktion für die Formation „Chor und Orchester“ einsteigen würden. Oder es wäre zumindest eine Option, das Material als Leihmaterial (s. o. Carmina Burana – hier erfolgte die Autorisation direkt durch Schott Music, Mainz als Lizenzinhaber) zur Verfügung stellen würden. Das würde die Realisation und Aufführung großer Chor- und Orchesterwerke ermöglichen. Vielleicht wagen sich dann noch mehr an diese äußerst bereichernde und inspirierende musikalische Zusammenarbeit.