Zusammenklang von Instrumenten und Stimmen ist fantastisch. Was muss man beachten, um das Zusammenspielen und Zusammenarbeiten zu erleichtern?
Chor und Orchester. Zwei Dinge die – wenn sie gut zusammenarbeiten – einen wundervollen Klang ergeben können. Der ausschlaggebende Punkt ist hier das Wort „wenn“. Chor und Orchester zu einer gut funktionierenden Einheit zu formen verlangt selbst geübten Chorleiterinnen und Chorleitern einiges ab – musikalisch und organisatorisch. Hier treffen Welten aufeinander, die gut aufeinander abgestimmt sein wollen. Doch wenn sie es sind, ergeben sich auch ganz neue Möglichkeiten und Chancen.
Was kann ich als Chorleiter vor einem Orchester falsch machen?
Auf den ersten Eindruck, auf die ersten fünf Minuten, kommt es an. Hier aber ein positives Bild zu hinterlassen ist manchmal gar nicht so einfach, vor allem wenn man sich auf unbekanntem Terrain bewegt. So geht es vielen Chorleiterinnen und Chorleitern, wenn sie auf einmal nicht nur einen Chor, sondern auch ein ganzes Ensemble mitdirigieren müssen. Ein wichtiger Punkt, um direkt mit seiner Kompetenz zu überzeugen, ist nicht, wie vermutet, das musikalische, sondern vor allem das organisatorische Geschick. Bei Kooperationen mit anderen Musikern muss sich der Chorleiter immer darüber im Klaren sein, dass hier andere Gesetzmäßigkeiten gelten. Musikensembles haben zum Beispiel von Natur aus einen anderen Probenplan. Gerade bei Werken mit einem sinfonischen Orchester sind beispielsweise einige Register nur sehr wenig gefragt, manche sehr wiederum häufig. Man sollte daher die Probenarbeit sorgfältig im Voraus planen, um das Orchester sinnvoll zu beschäftigen. Das entlastet die Zeitpläne und wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Generell ist das genaue Einhalten von Zeitplänen bei der Koordination von zwei Gruppen extrem wichtig.
EIN Beispiel
Bei einem fiktiven romantischen Oratorium sind die Posaunen in der Ouverture im Schlusschor und noch an zwei weiteren Nummern beteiligt. Man sollte also zuerst diese Stellen proben, dann kann das Register nach Hause geschickt werden. Somit könnte man für die meisten Register/
Solisten/Chor einen sinnvollen Probenplan erarbeiten. Dieser enthält Nummern, Instrumente und eine ungefähre Zeitangabe. Das Orchester beginnt normalerweise komplett und dünnt sich im Laufe der Probe aus. Natürlich müssen bei einer Generalprobe alle Musiker das komplette Stück absitzen.
Unterschied Chor und Orchester: was muss ich beachten?
Immer den richtigen Einsatz geben. Der richtige Einsatz ist ein Problem, das im Bereich des Chorgesangs keine so große Rolle spielt, wie in einem Orchester. Ein Chorsänger hat stets einen Klavierauszug oder zumindest die anderen Stimmen zum Mitlesen vor Augen und kann so immer gut das Stück begleiten. Als Orchestermusiker hat man nur eine Stimme vor sich auf dem Pult liegen. Dieser Umstand verlangt den Musikern viel Konzentration und Zählen ab. Der Dirigent sollte also stets allen Musikern das Pausen zählen durch viele und exakte Einsätze erleichtern.
Ein weiterer wichtiger Unterschied, der bei der Arbeit beachtet werden muss ist die Lautstärke: Ein Orchester hat meistens eine größere dynamische Spannweite als ein Amateurchor. Dabei darf ein Chor aber niemals versuchen sich mit Lautstärke durchsetzen zu wollen. So wird aus Singen ganz schnell Brüllen und am Ende heiseres Schweigen, da die Stimme einer solchen Belastung nicht lange Stand halten kann. Das Orchester ist hier flexibler und muss sich an die dynamischen Möglichkeiten des Chores anpassen.
Unterschiede im Dirigat?
Ich persönlich sehe keinen großen Unterschied zwischen dem Dirigat. Im Gegenteil: Man kann als klassischer Chorleiter gut davon profitieren sich mit einem Orchester auseinander zu setzen – umgekehrt gilt übrigens das Gleiche für Dirigenten. Ein Dirigent kümmert sich bei der muskalischen Arbeit stets um Folgendes: Rhythmus, richtige Töne, Dynamik, Klangbalance, Artikulationen, Phrasierungen, Agogik, Intonation und noch vieles mehr. Jede Ebene bringt ihre eigenen Schwierigkeiten im jeweiligen Ensemble mit sich und fordert eigene Maßnahmen. In der Zusammenarbeit mit Chor und Orchester ist es wichtig die kleinen Unterschiede zwischen den Ensembles zu kennen, um richtig reagieren zu können.
Metrik und Rhythmik
Fast immer ist ein Orchester einen kleinen Ticken genauer bei der Metrik als ein Chor. Die Instrumentalisten wissen um den nötigen Einschwingvorgang bei ihren Instrumenten und gleichen diesen aus – erst recht, wenn ein Orchester oder Blasorchester sich auf gute Schlagzeuger verlassen kann. Ein Chor ist oft ein wenig dem Orchester hinterher. Eine Exaktheit in der gemeinsamen Rhythmik ist daher immer ein großer Teil der Probenarbeit. Bei einer Zusammenarbeit mit einem Orchester sollte man sich als Chordirigent sehr um ein genaues Schlagbild kümmern. Des Weiteren sind die rhythmischen Anforderungen in den Orchesterstimmen meist deutlich höher als bei den Chorstimmen. Daher ist eine gute Vorbereitung auf die Probenarbeiten wesentlich.
Richtige Töne
Den richtigen Ton treffen ist immer wichtig. Im Amateurbereich hat dieses Thema aber einen besonderen Stellenwert – vor allem bei der Arbeit mit Chören. Aber man muss man auch beim Orchester richtig hinhören – z. B. auf richtige Vorzeichen.
Dynamik
Die Dynamik ist unweigerlich mit der Klangbalance verbunden und ein immens wichtiger Bestandteil in der Probe. Es kann zwar sein, dass das ganze Blechregister ein „forte“ in den Noten stehen hat und dieses auch ausreizen möchte, doch das könnte die Balance stören. Nicht jede Dynamik darf von jedem Musiker/Sänger wörtlich genommen werden. Der Dirigent muss an der richtigen Stelle eingreifen und eine sinnvolle Balance herstellen und das Stück für den Zuhörer transparent machen. Umgekehrt kann ein „pianissimo“ in den Chorstimmen einfach zu leise sein, um den nötigen Klangraum zu bekommen. Auch hier muss der Dirigent eingreifen und die Dynamik im Chor erhöhen.
Artikulationen und Phrasierungen
Bei den Artikulationen und Phrasierungen können ein Chor und ein Orchester eine tolle Symbiose eingehen. Einem Chor fallen in der Regel die Phrasierungen durch die textlichen Zusammenhänge deutlich leichter. Ein Orchester hingegen ist meist sehr genau in der Umsetzung von Artikulationen. Ein gegenseitiges Zuhören im gesamten Ensemble von jedem Musiker und Sänger fördert den Klang sehr und führt zu einem tollen Ergebnis.
Agogik
Die Agogik ist natürlich ein Teil von Rhythmus und Metrik. Zu jeder Musik und in jedem Stück muss ein Dirigent eine klare Vorstellung davon haben. Diese setzt er dann durch gute Bewegungen, richtigen Atem und Blickkontakt durch. An jeder Stelle gibt es wichtige Stimmen im Orchester oder im Chor. Zum Beispiel ist es für ein accelerando sehr sinnvoll, eine Stimme mit kleinen rhythmischen Einheiten zu führen.Durch die Zusammenarbeit von Chor und Orchester verbessern sich oft grobe intonatorische Probleme im Chor automatisch. Aber die feine Intonation bleibt stets ein sehr schwieriges Thema. Oft hilft es aber schon sehr, wenn eine gute Klangbalance hergestellt wurde und dem Ensemble die führenden Stimmen klar sind. Des Weiteren bringt der Aufbau eines Akkordes von den Grundtönen über die Quinte bis zur Terz und dann eventuellen Dissonanzen ein schönes Ergebnis.
Gibt es Übungen, die eine solche Zusammenarbeit erleichtern können?
Vor allem kann man als Chorleiter seinen Chor auf rhythmische Genauigkeit schulen. Dies bringt während der gemeinsamen Probenarbeiten mit dem Instrumentalensemble große Vorteile. Auch kann man bei leichten Stücken zur Probe übertriebene Agogik einbauen, um sich als Dirigent selbst und das Ensemble zu schulen.
Wie finde ich geeignete Literatur? Wie finde ich geeignete Musiker/Ensembles?
Generell hängt dies natürlich von der Leistungsfähigkeit und Anzahl der Sängerinnen und Sänger ab. Ein Chor sollte in der Anzahl stets größer sein als das Orchester, die Stimmen natürlich an die Möglichkeiten beider Ensembles angeglichen sein. Es gibt viele Möglichkeiten einer Kooperation, die bestimmte Literatur nicht nur erlaubt, sondern besonders gut vertonen kann. Es lohnt sich bei der Planung von anstehenden Projekten durchaus auch einmal nach Arrangements in anderen Besetzungen zu schauen, oder bewusst sich mit einem Musikverein oder Orchester ein Projekt gemeinsam vorzunehmen. So können beide Teile besser aufeinander abgestimmt werden und es können spannende musikalische Projekte entstehen. Auch der Blick über den Tellerrand kann interessant sein. Es muss nicht immer ein Blas- oder Sinfonisches Orchester sein. Warum nicht als Begleitung ein Zupf- oder Akkordeonorchester?
Was denkt ein Orchestermitglied über einen Chorleiter?
Die meisten Orchestermusiker erwarten von einem Chorleiter ein eher mäßiges Schlagbild im Dirigat. Hierbei kann man in den ersten Minuten das Gegenteil beweisen. Im Gegensatz dazu erwarten die Musiker ein gutes Gespür für Intonation und Phrasierungen. Diese Punkte dürfen aber auf keinen Fall unter einem exakten Schlagbild leiden.
Grenzen einer möglichen Zusammenarbeit?
Die Grenzen liegen vor allem bei der Schwierigkeit der Literatur und der Anzahl der Sängerinnen und Sänger. Hier muss ganz klar auch auf die Leistungsfähigkeit des Chores geachtet werden. Der Chor soll nicht gegen das Ensemble ansingen müssen. Ein weiteres Problem ist die Finanzierung und die Organisation von Orchestermusikern. Hier entsteht meist ein höherer Aufwand als bei klassischen Chorauftritten. Es ist daher sehr sinnvoll sich vorab über ein gutes Projektmanagement Gedanken zu machen. Dazu gehört auch die Sondierung eventueller Sponsoringgelder und Zuschüsse. Eine Möglichkeit stellt hier die Projektbezuschussung des Schwäbischen Chorverbandes dar.