Wie frau das Beste aus ihrer Stimme herausholen kann und sich dabei noch gesund hält.
Im Grunde genommen funktioniert eine gesunde Gesangstechnik bei Frauen- wie auch Männerstimmen prinzipiell gleich und basiert auf den drei Säulen gesunden Singens: Körper – Atmung – Stimme. Wobei naturbedingt sich beide Geschlechter bekanntlich unterscheiden.
Haben Frauen Stimmbruch?
Beim Stimmwechsel, der Mutation, entwickelt sich der Kehlkopf unter hormonellem Einfluss weiter, wobei die Stimmlippen bei Knaben um ca. 1 cm an Länge zunehmen. Bei Mädchen hingegen beträgt das Längenwachstum nur ca. 3-5 mm, wodurch sich der Stimmwechsel bei Mädchen nur in geringem Maße bemerkbar macht.
Aufgrund des größeren Stimmmuskels und des vergrößerten Brustkorbes ist die Bruststimme, besser als Vollstimmfunktion zu bezeichnen, nach vollzogenem Stimmwechsel bei der Männerstimme dominant. Bei Frauenstimmen hingegen dominanter die randstimmgeprägte Nutzung der Stimmlippen. Randstimme bedeutet, dass nur die Ränder der Stimmlippen schwingen und nicht die ganzen Stimmbänder.
Und genau dadurch unterscheiden sich Männer- und Frauenstimmen vor allem in der Koordination und Nutzung der Register, was sich somit auf die Herangehensweise in der Stimmbildung auswirkt.
Jede Stimme ist ein Unikat – und braucht entsprechende individuelle Förderung
So oder so gleicht keine Stimme und deren Disposition der anderen, wodurch sich immer eine individuell angepasste Stimmbildung oder Gesangsunterricht empfiehlt! Spricht man mit (Chor-) Sängerinnen über ihre Wünsche und „Probleme“ bezüglich ihres Singens kristallisieren sich immer wieder ähnliche Punkte heraus. So klagen viele z. B. über
- mangelnde „Luft“, sprich: über Schwierigkeiten im Umgang mit der Atemführung wie eine verkürzte Tonhaltedauer, ein zitternder Ton,…
- Schwierigkeiten in der Höhe
- fehlender Klang in der tieferen Mittellage und verstärkte Registerbrüche
- Stimmmüdigkeit oder gar Heiserkeit nach längerem Singen (Gerade Frauenstimmen sind aufgrund der Belastung in der höheren Lage anfälliger für Stimmermüdung als dies bei Männerstimmen der Fall ist.)
Vieles ist jedoch durch etwas Stimm-Training und gezielte Unterstützung des Körpers gut zu beheben. Somit kommen wir gleich zu des Pudels Kern:
Der Körper als Instrument
„Singen ist Leistungssport“. Dieser oft zitierte und doch immer noch leicht belächelte Ausspruch einiger großer Sänger kann nur unterstrichen werden. Der Körper ist das Instrument des Sängers/der Sängerin. Deshalb ist es unabdingbar, diesen Aspekt bei der Stimmbildung zu integrieren. Erfolgreiche Kollegen wie z. B. Angelika Kirchschlager oder Jonas Kaufmann wärmen sich gar zwanzig Minuten körperlich auf, bevor sie überhaupt einen Ton singen.
Ein solch ausgedehntes Aufwärmen ist selbstredend im chorischen Alltag nicht umzusetzen. Dennoch sollte ein kleines körperliches Durchbewegen und Dehnen der stimmlichen Arbeit voraus gehen, um die Durchblutung anzuregen und die Durchlässigkeit und Aktivität der Muskulatur zu erhöhen. Es empfiehlt sich ebenso, während des Übens bzw. der Chor- oder Registerprobe stimmunterstützende Bewegungen immer wieder in die Abläufe zu integrieren.
Denken Sie daran: Die Körperbeteiligung beim Singen ist immanent, um den Kehlkopf zu entlasten, den Atem bewusst zu führen und einen freien, gesunden Klang zu entwickeln.
Atmung
„cantare sul fiato“ = Singen auf dem Atem. Vereinfacht dargestellt funktioniert eine kontrollierte Atemführung wie ein aufgeblasener Luftballon. Lässt man diesen an der Öffnung los, kollabiert er rasch und verliert viel Luft auf einmal. Bündelt man jedoch an der Öffnung die Luft, strömt diese dosiert und kontrolliert aus, die Weite des Luftballons bleibt länger erhalten. Ebenso verhält es sich mit unserer Atmung. Lösen wir die Muskulatur komplett, atmen wir alle Luft auf einmal aus. Dosieren wir unsere Atemluft mit Hilfe unserer Atemstützmuskulatur ist es uns möglich, auf einer „Atemsäule“ lange Phrasen mit einem klaren, freien Ton durchzusingen. Von einem zu starren Halten sowie starken Nach-Innen-Ziehen oder Nach-Außen-Drücken der Bauchdecke oder einem subglottischen (= unter der Stimmritze) Pressen ist deutlich abzuraten. Balance ist hier wie so oft das Stichwort.
Das altitalienische Bild „Inhalare la voce“ (Die Stimme einatmen/einsaugen) suggeriert eine elastische Atemsäule, die die Weite bei der Klanggebung sanft erhält, ohne zu viel oder zu wenig Luft abzugeben. Einatmen bedeutet nie nur das bloße Luftholen. Einatmen heißt zugleich auch immer ein Lösen der Muskulatur und ein Öffnen unserer Resonanzräume!
Die Stimme
Registerausgleich – die Mischung macht‘s! Einige Sängerinnen klagen über einen starken Bruch in der unteren Mittellage im Übergang zum Brustregister und/oder über mangelnde Höhe. Die Ursachen für diese Empfindungen sind mehrschichtig zu sehen.
Primär resultiert diese Brüchigkeit aus dem mangelnden Einsatz der „Voix mixte“, der Mischstimme. Zumeist wird Bruststimme in zu hohe Lagen heraufgezogen und forciert. Andererseits trauen sich manche Sängerinnen nicht und flüchten sich säuselnd in die Kopfstimme, um nicht aus dem Chorklang herauszustechen. Hier sei angemerkt, dass gegen leises, randstimmbetontes Singen nichts einzuwenden ist! Im Gegenteil! Allerdings bedeutet leises Singen nicht gleich körperloses, überhauchtes Säuseln, sondern bedarf intensiver Körperunterstützung und Atemführung, um ein gesundes Piano erklingen zu lassen.
Manches ist Biologie
In manchen Fällen können bei Frauenstimmen hormonelle Einflüsse eine Rolle spielen. Bei Hormonzugaben oder mit fortschreitendem Alter und der Abnahme der Hormone wie z. B. Östrogen und Gestagen verändern sich die Stimmlippen, so dass entweder ein mangelnder Stimm-
bandschluss auftritt (=hauchiger Klang) oder die Stimme zu Trockenheit und somit zu Brüchigkeit neigt. Nichts desto trotz gelingt es Frau, diesem „Übel“ durch genügend Flüssigkeitszufuhr und regelmäßiger Stimmpflege Herr zu werden.
Nun einige Beispiele zur Stimmpflege und Stimmbildung zur Anregung.
Und nun ein paar Übungen
1. Atemführung
Auf s oder f oder sch stimmlos, strömend gleichmäßig ausatmen
Auf s/f/sch stimmlos, strömend ausatmen; dabei in Wellenimpulsen mit leichtem crescendo/decrescendo den Körper aktivieren
Auf s oder w stimmhaft, in bequemer Lage strömend klingen; dabei in Wellenimpulsen den Körper aktivieren (s.o.) Wird die Luft gegen Ende der Übungen knapp bitte den Atem lösen und frisch starten, bevor sich die Muskulatur zu verfestigen und die Kehle zu verengen droht.
Um die eben angeführten Übungen zu unterstützen hilft auch:
Wand schieben: Mit einem leichten Ausfallschritt vor eine Wand stellen; Hände auf Brusthöhe an der Wand positionieren, Fingerspitzen zeigen zu einander. Einatmen, beim Ausatmen kontinuierlich die Wand wegschieben wollen. Dabei die Luft dosiert fließen lassen, ohne Druck aufzubauen und die Luft subglottisch (= unterhalb der Stimmritze) zu stauen. Dosierter Luftfluss statt gepresstem Luftdruck lautet die Devise!
Schal ziehen: Einen (Seiden-) Schal vor dem Körper auf Bauchnabelhöhe waagerecht halten, dabei die Ellenbogen leicht vom Körper weghalten. Die linke Hand hält den Schal, die rechte Hand setzt gleich neben der linken an. Mit dem Ausatmen/der Klanggebung gleitet nun die rechte Hand gleichmäßig von links nach rechts horizontal über den Schal. Diese Übung eignet sich auch, um Phrasen der Gesangsliteratur atemtechnisch zu erarbeiten. Dabei kann man die Phrase auf s/f gestalten, sowie auch auf Tonsilben oder Text singen. Dabei gleich die musikalische Gestaltung beachten (legato, Phrasenziel, Agogik) und damit die Phrase „in den Körper singen“.
2. Blubbern
Mit einem Strohhalm (Durchmesser ca. 0,5 -1 cm) in ein leicht mit Wasser gefülltes Glas blubbern. Atemstrom konstant halten, dabei auf einen „offenen“ Hals achten.
3. Lippenflattern
Eine bewährte Übung, um die Stimmlippen zu lockern und geschmeidig zu halten und zeitgleich einen ökonomischen Umgang mit der Atemführung zu lernen. Zudem wird die körperlich Anbindung des Klanges gefördert.
Beginnen Sie die Übung zunächst ohne Ton und versuchen Sie, einen gleichmäßigen Atemstrom zu erzielen. Dann beginnen Sie in kleinen Wellenbewegungen mit Ton. Danach in größere, klangvolle Glissandi von oben übergehen. Sollte diese Übung nicht auf Anhieb funktionieren, ist es vollkommen legitim, als „Starthilfe“ zwei Finger links und rechts der Mundwinkel locker aufzulegen, um eine bessere Luftbündelung zu erreichen. Der Atem sollte gleichmäßig und dosiert strömen.
Klanggebung- Weckung der Resonanzen
Kopfklang aktivierende Übungen für einen leichteren Zugang zur Höhe.
4. Klangvoll schmecken
Auf m/n/ng in bequemer Lage mit leicht kauenden Bewegungen genussvoll schmeckend tönen. Diese Übung eignet sich auch hervorragend zur Regeneration nach dem Singen!
5. Glissandi von oben nach unten
aufm/n/ng/nu/no
Zart angesetzte Sirenen von oben (erst einmal in bequemer Lage beginnend)
6. Dur- Dreiklang: 1-3-5-3-1
auf nona nona no (n klingt und schwingt dabei). Absolut legato bleiben und die Vokalform von o zu a so wenig wie möglich verändern!
7. Sängerisches Sprechen
Zugegebener Maßen: es klingt albern, ist aber dennoch äußerst effektiv. Also, meine Damen:
Wecken Sie die Primadonna in Ihnen! Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass viele SängerInnen „anders“ sprechen, nämlich auch beim Sprechen tönen und somit ihre Resonanzen mit erklingen? Es mag in manchem Falle ein affektierter Habitus sein, doch erleichtert dieses den Zugang zur Singstimme enorm. Sprechen wir im Alltag, so nutzen wir die reine Bruststimme. Tönen wir, so kommen wir schneller in unsere Singstimme. Optimaler Weise wird der Text des Repertoires genutzt, bei dem ebenso auf klingende und schwingende Konsonanten wie m, n,l, ng, w, s, usw.zu achten ist.
Wichtig ist hierbei, nicht nur ein hohes Fisteln anzustimmen, sondern genüsslich in einen leicht künstlichen Singsang zu verfallen. Dabei hilft erneut die Vorstellung des genüsslichen, klangvollen Schmeckens.
Probieren Sie es aus – und Sie werden erleben, wie sich Ihre Stimme verbessert. Viel Spaß dabei wünsche ich Ihnen.