Für fast alle Vereine im Schwäbischen Chorverband ist das Thema Künstlersozialversicherung „terra incognita“, unbekanntes Terrain. Einfach deshalb, weil nahezu alle Vereine noch nie Kontakt zur Künstlersozialversicherung hatten.
Und dies wird auch noch eine ganze Zeit lang so bleiben. Denn: Zwar soll sich die Zahl der geprüften Unternehmen, auch ein Verein ist Unternehmer in diesem Sinne, durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2015 künftig versechsfachen, doch muss man wissen, dass dies für alle Unternehmen und Vereine in der Bundesrepublik gilt, die die Dienste selbstständiger Künstler und Publizisten aller Sparten in Anspruch nehmen. Ausnahmen bilden nur die Kunsthandwerker und Tätowierer sowie ähnliche Berufszweige, bei denen das Bundessozialgericht die Grenze zur künstlerisch-gestalterischen Leistung nicht für erreicht oder überschritten hält.
Was betrifft Vereine
Auch Vereine nehmen die Leistung fremder selbständiger Künstler in Anspruch, wie zum Beispiel von musikalischen Solisten (Gesang und Instrument), Festrednern, Varieté-Künstlern, Gastdirigenten, aber auch von Grafikern, Fotografen, bildenden Künstlern, Visagisten etc.
Durch die Künstlersozialversicherung soll die wirtschaftliche und versicherungstechnische Situation selbständiger Künstler und Publizisten verbessert werden, die häufig, vor allem in jungen Jahren, über ein geringes Einkommen verfügen. Bei Berufsanfängern liegt dies häufig unter
€ 10.000,- jährlich. Dieser Personenkreis könnte sich die gesetzliche Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung häufig nicht leisten. Es handelt sich um immerhin rund 180.000 selbständige Künstler und Publizisten.
Für sie kostet der Versicherungsschutz
in der Sozialversicherung nur die Hälfte dessen, was ein „normaler“ Versicherungspflichtiger zu bezahlen hat. Die andere Hälfte wird von der Bundesrepublik Deutschland (20%) und denjenigen aufgebracht, welche die Leistungen dieser selbständigen Künstler und Publizisten
in Anspruch nehmen (30%).
Diese 30% werden auch als „Künstlersozialabgabe“ bezeichnet. Sie wird von allen sogenannten „Verwertern“ bezahlt, jedenfalls von denen, die ihrer Meldepflicht nachkommen und Angaben über die Höhe der Nettovergütung machen, die der Künstler von ihnen erhalten hat.
Wer ist Meldepflichtig
Meldepflichtig sind grundsätzlich alle Personen und Institutionen, die die Leistungen selbständiger Künstler gegen Entgelt in Anspruch nehmen. Zwischen gemeinnützig und gewerblich wird nicht unterschieden.
Es gibt allerdings „typische Verwerter“, die grundsätzlich und vom ersten Euro an Künstlersozialabgabe bezahlen müssen; dazu gehören Theater, Kunstausstellungen, Verlage, Rundfunkanstalten etc..
Amateurmusikvereine sind in aller Regel nicht von vorneherein abgabepflichtig. Insbesondere arbeiten sie i. d. R. nicht kommerziell wie zum Beispiel professionell organisierte und arbeitende Konzertchöre.
Für alle anderen, also das Gros der Chöre und Vereine des Schwäbischen Chorverbandes, gilt der Begriff des „Gelegenheitsverwerters“, der nur dann abgabepflichtig wird, wenn er mehr als drei Veranstaltungen mit selbständigen Künstlern gegen Vergütung pro Jahr durchführt bei Veranstaltungen, bei denen jedenfalls auch Einnahmen erzielt werden sollen, wobei ein Unkostenbeitrage genügt.
Definition einer Veranstaltung
Der Begriff der Veranstaltung ist nicht legal definiert. Es herrscht aber eine durch das Bundessozialgericht bestätigte Übung, dass Wochenenden, bei denen mehrere abgabepflichtige Veranstaltungen stattfinden, als eine Veranstaltung gewertet werden, also drei solche Wochenenden ohne Abgabepflicht durchgeführt werden können.
An sich ist jeder Chor oder Verein meldepflichtig. Das ergibt sich aus dem Künstlersozialversicherungsgesetz. Solange allerdings die Künstlersozialversicherung in Wilhelmshaven einen Verein nicht aufgefordert hat, eine Meldung abzugeben, stellt das Unterlassen dieser Meldung weder eine Ordnungswidrigkeit dar, noch kann die Künstlersozialabgabe von der Künstlersozialversicherung geschätzt werden.
Anders ist es mit Chören, die abhängig beschäftigte Mitarbeiter haben, z. B. eine bezahlte Putzfrau oder einen Hausmeister (auch 450 Euro-Jobs zählen!). Diese Vereine werden seit zehn Jahren von der Deutschen Rentenversicherung geprüft, die auch die Prüfung der Sozialabgaben vornimmt. Für die übrigen Prüfungen ist die dafür personell in keiner Weise ausreichend ausgestattete Künstlersozialversicherung direkt zuständig.
Alles wird teurer. Die Künstlersozialabgabe wenigstens derzeit nicht. Im Gegenteil. Im Jahr 2018 beträgt die Künstlersozialabgabe nur noch 4,2% der an den Künstler zu bezahlenden Nettovergütung. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 lag dieser Betrag noch bei 5,9%, in den Jahren 2014 bis 2016 immerhin noch bei 5,2%. Dass diese Entwicklung so ist, dürfte sowohl darauf zurückzuführen sein, dass die Krankenbehandlungskosten der Künstler und Publizisten jedenfalls nicht gestiegen sind, und daran, dass sich das Melde- und Zahlungsverhalten der Verwerter und deren Erfassung durch die Künstlersozialkasse und die Deutsche Rentenversicherung verteuert hat.
Auch wenn keine statistischen Untersuchungen darüber vorliegen: Die meisten Chöre und Vereine des Schwäbischen Chorverbandes erreichen die Bagatellgrenze von drei Veranstaltungen/Wochenenden mit bezahlten, selbständigen Künstlern nicht und müssen deshalb keine Künstlersozialabgabe bezahlen.
Seit 2015 gibt es eine weitere Bagatellgrenze: Die Beauftragung von bildenden Künstlern, Grafikern etc. löst eine Künstlersozialabgabepflicht nicht aus, wenn der Nettovergütung pro Jahr € 450,- nicht übersteigt.
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.