Neue D-Lehrgänge des Schwäbischen Chorverbandes sollen junge ChorsängerInnen ausbilden
Musikinteressierte Jugendliche ab zwölf Jahren können an den D-Lehrgängen des Schwäbischen Chorverbandes teilnehmen. Das Ziel: Mit Spaß sollen Theorie und Praxis des Chorsingens vermittelt werden.
Jugendchöre mit gut ausgebildeten Stimmen stärken
„Singen im Chor ist eben nicht automatisch so cool wie z.B. Fußballspielen“, erklärt Andreas Schulz, Musikdirektor der Chorjugend. Jenem Imageproblem will der Schwäbische Chorverband nun begegnen. Ein Grund, die D-Ausbildung für junge Chorsängerinnen und Sänger zu überarbeiten. Das Fortbildungsprogramm besteht schon seit einigen Jahren, soll nun aber mit einem neuem Konzept mehr Menschen ansprechen. „Chorsingen funktioniert nur dann für Jugendliche, wenn sie sich damit identifizieren können und das können sie nur, wenn die Qualität stimmt, das heißt wenn sie sich nicht mit dem, was sie tun verstecken müssen“, so Schulz. Die Qualität eines Chores steht und fällt mit den einzelnen Sängern. Umso wichtiger, Jugendchöre mit gut ausgebildeten Stimmen zu stärken.
Die Kurse umfassen dabei sowohl theoretische als auch praktische Aspekte des Chorsingens. „Wenn sie eine theoretische Basis haben, Noten lesen können, dann wird die Kommunikation mit dem Chorleiter einfacher und der Chorsänger kann besser abliefern.“ Die D-Kurse adressieren eine junge Zielgruppe. Der erste Kurs spricht die Altersgruppe 12 bis 15 an, der zweite Kurs ist für ChorsängerInnen zwischen 13 und 16 Jahren ausgelegt. Insgesamt gibt es drei Stufen, die alle ähnliche Inhalte vermitteln, sich jedoch im Schwierigkeitsgrad voneinander unterscheiden. Sie bauen aufeinander auf.
Das Rüstzeug für Sängerinnen und Sänger
„Das große Ziel ist es, dass die Chorsänger allein verantwortlich mit dem Notentext umgehen können, also der Chorleiter nicht jede Angabe erklären muss.“ Es geht darum, den Teilnehmern das Rüstzeug an die Hand zu geben, das sie als SängerInnen brauchen. „Um auf vernünftigem Niveau im Chor singen zu können, ist genauso Grundlagenwissen notwendig, wie zum Beispiel beim Lernen des Klarinettenspiels“, erklärt Schulz. Die Stimme ist eben auch ein Instrument und die Jugendlichen sollen lernen, mit diesem umgehen zu können.
Ein wichtiger Baustein der D-Ausbildung ist der Einzelunterricht in Gesang und Stimmbildung. Eine halbe Stunde am Tag hat hier jeder Schüler die Möglichkeit, mit einem professionellen Gesangscoach an individuellen Herausforderungen der eigenen Stimme zu arbeiten, denn jede Stimme ist eben auch ein bisschen anders. Atmung, Stimmsitz, Vokalfärbung, all das sind Themengebiete, mit denen die jungen Musikinteressierten vertraut gemacht werden. Mit der Stimme umgehen zu können ist keine Selbstverständlichkeit, betont Andreas Schulz: „Wenn man nach dem Motto arbeitet, ‚Jeder kann singen‘, dann klingt ein Chor aber auch so. Wenn ein Chor besser klingt, dann liegt es meist auch daran, dass die einzelnen Sänger mehr Ahnung von dem haben, was sie tun.“
Musiktheorie als praktische Fähigkeit
Neben dem Einzelunterricht stehen in den D-Kursen auch Musikgeschichte und -theorie auf dem Stundenplan. Hier wird das Notenlesen gefestigt und darüber hinaus werden Intervalle und Dreiklänge schriftlich und in Hörübungen näher gebracht. Die Schüler lernen, Melodien und Rhythmen zu hören und zu notieren. „All das befähigt einen Chorsänger dazu, schneller und leichter vom Blatt singen zu können. Wenn ich weiß, wie eine Quinte klingt und wie sie auf dem Papier aussieht, kann ich sie auch besser reproduzieren. Und wenn das jeder Chorsänger kann, dann kommt man schneller und besser in den Proben voran.“ Andreas Schulz, der selbst Theorieunterricht im Rahmen der D-Kurse gibt, ist davon überzeugt, dass darin ein Schlüssel zum erfolgreichen Jugendchor liegt. Außerdem beschäftigen sich die Jugendlichen mit Themen rund um ihre Stimme: Was passiert, wenn ich einen Ton singe, wie kann ich meine Stimme gesund halten, all das sind Fragen, die in den Kursen bearbeitet werden. Theorieunterricht klingt erst einmal nicht danach, als würden Teenager davon begeistert sein, doch die Erfahrung vom Musikdirektor der Chorjugend widerlegt das. „Die Jugendlichen, die an unseren Seminaren teilnehmen, sind neugierig, wissbegierig und wollen alles verstehen.“
Der Schwäbische Chorverband will den Spaß am Singen in den Kursen vermitteln. „Es ist eben eine Mischung aus: Singen macht uns Freude und wir haben Spaß an der Beschäftigung mit Musik. Die Grundlagen dazu, die Theorie zu lernen kann eben auch Spaß machen.“ Dabei beobachtet Schulz in den Seminaren auch immer wieder, dass die Jugendlichen trotz des anstrengenden und oft fordernden Lehrplans, in dem was sie tun aufblühen. Die Kurse dauern in der Regel vier Tage, Unterricht ist von 9 bis 21 Uhr. Neben den theoretischen Aspekten steht natürlich auch die Praxis des Chorsingens im Vordergrund. In den gemeinsamen Chorproben können die jungen Menschen gleich ihr neues Wissen anwenden.
Musikalisch gehaltvolles Chorrepertore kennenlernen
Bei der Auswahl des Repertoires achten die Organisatoren auf ein breit gefächertes Angebot. Durchaus Lieder, die den Kursteilnehmern Spaß machen aber eben nicht nur bekannte Sachen. „Uns ist wichtig, dass wir nicht nur Repertoire bespielen, von dem die Jugendlichen sagen, das singen wir auch zu Hause im Chor‘.“ Also bringen Andreas Schulz und seine Kollegen Stücke aus Pop, Jazz oder aus dem klassischen Bereich mit. „Wir wollen die Hörgewohnheiten unserer Teilnehmer erweitern.“ In den Jugendchören werden meist Poptitel gesungen. Das sei auch völlig legitim, doch man könne junge Menschen durchaus auch für das Lied der drei Knaben aus der Zauberflöte begeistern. „Natürlich muss man sie über die erste Kennenlernhürde heben, aber dann haben auch Stücke aus dem klassischen Repertoire das Potenzial, ein Lieblingslied zu werden. Wichtig ist, dass es musikalisch gehaltvoll ist, egal ob wir von Pop oder Klassik sprechen.“
Intensive Vorbereitung auf die Prüfung
Die D-Ausbildungen finden in den Herbstferien statt. Neben Chorproben und Theorieunterricht erinnern die Erzählungen von Andreas Schulz ein bisschen an eine Klassenfahrt. Nach dem Unterricht gibt es Kennenlernrunden, Spiele und Filme. Die Stimmung sei locker und freundschaftlich. Nur am letzten Abend liegen höchste Konzentration und ein bisschen Anspannung in der Luft. Denn so kurz vor der Prüfung am nächsten Tag wird noch einmal fleißig gelernt. „Es geht uns vor allem darum, mit den Prüfungen eine gewisse Vergleichbarkeit herzustellen. Dass ich eben weiß, jemand, der den D1-Kurs absolviert hat, ist auf diesem Kenntnisstand.“ Ein Konzept, das sich beispielsweise bei der Bläserjugend seit vielen Jahren bewährt hat. Die Prüfung der Chorsängersausbildung besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil.
Der theoretische Abschnitt wird ähnlich wie eine Klausur schriftlich abgelegt. Abgefragt werden musikalische Begriffe, Fakten aus der Musikgeschichte und Fragen rund um die Stimmphysiologie, zudem gibt es ein Melodie- und ein Rhythmusdiktat. Der praktische Teil beginnt mit einer Stimmbildungsübung, die mit dem Gesangslehrer im Einzelunterricht vorbereitet wird. „Das ist sozusagen das Pendant zum Tonleiterspiel der Instrumentalisten. Daran sehen wir, was die Stimme kann und welchen Umfang sie hat.“ Im Fokus des mündlichen Teils steht jedoch der Vortrag zweier Stücke, eines davon dürfen die Jugendlichen selbst auswählen, das andere müssen sie aus einem Liederkanon vorbereiten, der ihnen vor dem Seminar zugeschickt wird. Die Prüfungen sind umfangreich und decken ein breites Spektrum ab. Zwischen den Kursen eins bis drei sind die Aufgaben ähnlich, nur der Schwierigkeitsgrad nimmt zu. Ein immenses Pensum, dem sich die Schülerinnen und Schüler stellen. Teilnehmen können übrigens alle musikinteressierten Jugendlichen, die Chorerfahrung haben.
D-Lehrgänge beginnen Zuhause im Verein
Doch nur an vier Tagen ist es unmöglich, alle Kursinhalte zu verinnerlichen, sagt Schulz. Daher ist es wichtig, sich gründlich darauf vorzubereiten. „Ein halbes bis dreiviertel Jahr sollte man sich schon Zeit nehmen, um die Inhalte vorzulernen.“ Der Kurs sei eine Zusammenfassung, eine Möglichkeit Inhalte zu festigen und das ein oder andere Missverständnis aufzuklären. „Wer komplett unbeleckt zu uns kommt, wird es nicht schaffen“, sagt Schulz. Er empfiehlt, sich am besten mit seinem Jugendchorleiter in Verbindung zu setzen und die Prüfungsanforderungen durchzugehen. „Jemand, der sich für einen D1-Kurs anmelden möchte, versteht unter Umständen nicht, was all diese Begriffe bedeuten. Deshalb raten wir, sich mit erfahrenen Chorsängern oder mit dem Musiklehrer der Schule zusammenzusetzen.“ Dabei ist man völlig frei, wie man sich die Inhalte erarbeitet. Ein eigenes Lehrbuch gibt es noch nicht. „Das ist etwas, an dem wir in der Zukunft gerne arbeiten würden, Standardwerke für die D1-, D2- und D3-Lehrgänge herauszubringen.“ Die D-Kurse für Schülerinnen und Schüler stecken noch in den Kinderschuhen. Ziel ist es, die Bekanntheit weiter zu erhöhen.
Bundesweiter Vorreiter in der Ausbildung: Die Chorjugend im schwäbischen Chorverband
„Das ist etwas, was der Schwäbische Chorverband gerade ausprobiert, aber eigentlich würden wir uns wünschen, dieses Programm deutschlandweit in allen Landesverbänden einzuführen.“ Alle könnten so voneinander profitieren und die deutsche Chorjugend hätte eine gemeinsame Basis, auf der sie aufbauen kann. Momentan ist das Projekt noch wenig bekannt und doch so wichtig: „Ich brauche die D-Kurse um meine Chorsänger praktisch und theoretisch auszubilden und so Qualität ins Chorsingen reinzubringen. Das steigert letztlich auch den Spaß der Jugendlichen.“ Schulz ist sich bewusst, dass dieses Projekt wohl noch einen langen Atem brauchen wird. „Eigentlich müsste jeder Chorleiter das Gefühl haben, meine Sänger brauchen das, dann kann ich ganz anders arbeiten.“
Vor ihm und dem Schwäbischen Chorverband liegt noch ein weiter Weg. Zwischen Theorie und Praxis, zwischen Qualität und Spaß: die D-Lehrgänge finden eine gute Mischung, um junge ChorsängerInnen auszubilden. Für die Zukunft hat Andreas Schulz einen Traum: „Eigentlich wäre es optimal, wenn irgendwann jeder junge Sänger, der in einen Jugendchor eintreten möchte, diesen Kurs belegt hat.“.
Annabell Thiel