Von Pflichtstücken und anderen interessanten Aspekten von Chorwettbewerben
Wenn jemand sagt, er gehe zum Chorwettbewerb, dann denkt man in erster Linie, dass er dort als Teilnehmer mit dem gesamten Chor aufschlägt. Doch ein Chorwettbewerb hat ein viel größeres Wirkungsfeld, als man denkt. Er ist eine Veranstaltung, die für mehr als teilnehmende Ensembles interessant ist. Jürgen Huttenlocher ist Mitglied im Musikbeirat des Schwäbischen Chorverbandes und regelmäßiger und begeisterter Besucher von Chorwettbewerben.
Warum zu einem Chorwettbewerb gehen?
Es ist klar: Das Herzstück eines jeden Chorwettbewerbs ist – wie der Name schon sagt – der Wettbewerb. Doch um von einem Wettbewerb zu profitieren, muss ich nicht mit meinem gesamten Chor am Wettbewerb an sich teilnehmen. Ein Wettbewerb bietet viele Möglichkeiten, als Sänger oder Chorleiter zu profitieren:
Einfach mal dabei sein:
„Abgucken, abhören, lernen. Und ab und an auch mal feststellen, wie man es nicht machen sollte“, erklärt Huttenlocher seine Motivation. Den Gesang auf sich wirken lassen, die Choreographien anschauen Klangbilder aufnehmen… Ein Chorwettbewerb kann für Zuhörer nicht nur sehr angenehm sein, sondern auch Einblicke in die Arbeit von anderen Chören geben. Wie arrangiert ein Chorleiter seinen Chor, welche Auswirkungen hat das auf das Ensemble, wie verwandelt sich der Klang? Als Zuhörer lässt sich viel entdecken. Diese Erfahrung ist nicht auf den Chorleiter beschränkt. Auch als Sängerin oder Sänger kann man allein durch Zuhören schon vieles lernen.
„Es gibt immer viel zu entdecken. Ich nehme nicht nur Ideen mit in den Chor, sondern ermutige auch immer wieder Sängerinnen und Sänger, einmal an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen“, sagt der Regionalchorleiter des Chorverbandes Enz. Auch in Sachen Präsentation. Wie wirken Bewegungen auf der Bühne, was empfindet man selbst als störend, was als angenehm. Diese Eindrücke können die Arbeit im Chor positiv beeinflussen und neue Impulse einbringen.
Der Chorwettbewerb als Ideenbörse
Die Chorszene ist im Wandel. Das ist keine neue Entdeckung, genau genommen befindet sie sich immer im Wandel. Doch welche Trends sich entwickeln und in welche Richtung die Chorbewegung sich orientiert, das kann man auf Wettbewerben sehr gut wahrnehmen. Der derzeit größte Gradmesser der Chorbranche ist die Chor.com des Deutschen Chorverbandes. Diese alle zwei Jahre stattfindende Messe mit Konzerten und Workshops ist in Sachen Fortbildung für Chorleiter eigentlich ein Muss.
Doch auch wer nicht zum Szenetreff fahren kann, kann sich bei Chorwettbewerben einiges abschauen. Literaturauswahl, Konzeptionen, Arrangements. Ein Wettbewerb macht Chorliteratur und vor allem ihre praktische Anwendung sichtbar und vor allem hörbar. Nutzen Sie die Gelegenheit in die Notenschrank von Kollegen zu schauen, vielleicht ist ja auch für Ihren Chor etwas geeignetes dabei.
Ein besonders interessanter Aspekt der Konzerte im Rahmen der Wettbewerbe ist für Jürgen Huttenlocher die Verarbeitung des Pflichtstückes. „Hier hat man einen direkten Vergleich in den jeweiligen Kategorien. Hier erkennt man, wie ein Stück interpretiert wird, wie es letztlich auch rüber gebracht wird.“ Hier kann man die unterschiedliche Herangehensweise von Chorleitern und Chören an ein Stück heraushören.
Kontakt zu den Kollegen
Netzwerken, netzwerken, netzwerken. Auf kaum einer Veranstaltung dürfte die Dichte an Fachpersonal im Chorwesen so groß sein, wie zum Beispiel beim Deutschen Chorwettbewerb. Hier treffen Chorleiter aller Gattungen aufeinander. Hier entsteht ein wichtiger Austausch. Leider ist es nicht immer leicht zu erkennen, wer nun alles Chorleiter ist. Doch interessante Fachgespräche sind stets willkommen.
Ein wirklich gutes Konzert
Zum Schluss bleibt noch ein wirklich wichtiger Aspekt, der sehr häufig in Bezug auf Wettbewerbe nicht genug hervorgehoben wird. Der Wettbewerb als Konzert. Natürlich ist der Wettbewerb ein Wettbewerb und kein ausgefeiltes, abendfüllendes Konzertprogramm eines Chores. Aber dennoch bietet er viele andere angenehme Aspekte.
„Ein Chorwettbewerb ist für mich ein Konzert mit guter, ja sogar sehr guter Chormusik“, erklärt Jürgen Huttenlocher. Wo sonst bekäme man so viele so gute Ensembles auf einmal zu sehen und vor allem zu hören. Als Chorleiter ist er viel auch bei Konzerten seiner Kolleginnen und Kollegen unterwegs. Doch meist bleibt nur wenig Zeit und ein ganzer Abend mit an und Abfahrt ist oft schwer einzurichten. Wettbewerbe bieten da ganz neue Möglichkeiten. Dort gibt es viele unterschiedliche Genres auf kleinstem Raum. Eine wunderbare Möglichkeit in alles einmal reinzuhören.
Isabelle Arnold