Wir haben in unseren Chören immer wieder mit dem Begriff „rechtefreie Werke“ zu tun. Häufig wird die Frage gestellt: Was ist das? Welche Bedeutung hat das für unsere Chorarbeit?
Was heißt „rechtefrei“?
Der Begriff begegnet uns im Umgang mit der GEMA ebenso häufig wie beim Umgang mit Kopien, die wir anfertigen dürfen, oder eben nicht. Im neuen Gesamtvertrag zwischen DCV und GEMA, der auch für alle Vereine und Chöre des Schwäbischen Chorverbandes ab dem 1. Januar 2018 gilt, ist von rechtefreien Werken und Bearbeitungen die Rede.
Ganz einfach zunächst:
Ein Werk (eine Komposition, ein Song, eine Bearbeitung) ist dann rechte- bzw. gemeinfrei, wenn es keinen Rechteinhaber mehr gibt. Das ist dann und zunächst der Fall, wenn der Rechteinhaber gestorben ist. § 64 des Urheberrechtsgesetzes besagt, dass das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. Ist also der Urheber eines Werkes im Jahr 1948 verstorben, so werden seine Werke in diesem Jahr gemeinfrei. In der Regel gilt die 70-Jahres-Frist des Urhebers. Das bedeutet, jeder darf dann ohne Zustimmung eines Rechtsnachfolgers (Erben, Verlag etc.) das Werk nutzen, also aufführen, vervielfältigen (Ausnahmen siehe unten), bearbeiten etc. Gibt es mehrere Urheber, erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des längstlebenden Miturhebers, § 65 Abs. 1 UrhG. Die 70-Jahres-Frist beginnt nicht taggenau mit dem Tod des Urhebers, sondern mit dem Ende des Jahres, in welches sein Tod fällt. Die Werke von Franz Lehár dürfen also ab dem 01.01.2019 ohne Zustimmung der GEMA, oder anderer, bisheriger Rechteinhaber genutzt werden. Denn: Franz Lehár ist am 24.10.1948 in Bad Ischl verstorben.
Meldung an die GEMA
Das Werk muss also nicht mehr der GEMA gemeldet werden, weder im Rahmen einer chorischen noch einer geselligen Veranstaltung.
Gleichwohl steht im neuen GEMA-Vertrag, dass empfohlen wird, auch rechtefreie Werke zu melden, damit bei der GEMA keine Fehler passieren und für die Aufführung rechtefreier Werke nicht (irrtümlich) eine Rechnung gestellt wird, die man dann erst beanstanden und dann stornieren muss.
Werden in einer chorischen Veranstaltung sowohl rechtefreie als auch nicht rechtefreie Lieder, Stücke etc. aufgeführt, so wird nach dem neuen Gesamtvertrag die Lizenzvergütung entsprechend dem Umfang der rechtefreien Werke reduziert nach einem festen Schlüssel:
Wird ein nichr mehr geschütztes (rechtefreies) Werk neben geschützten Werken aufgeführt, erfolgt die Abrechnung mit 5 % vom Bruttoartenumsatz, bei zwei geschützten Werken mit 7,5 % und bei drei und mehr geschützten Werken (neben rechtefreien) oder einem abendfüllenden, geschützten Werk mit 10 % vom Bruttoumsatz. Soweit zu den gemeinfreien Werken im neuen GEMA-Vertrag. Jeder Chor, jeder Chorleiter wird im Einzelfall prüfen und entscheiden, wie hoch er den Anteil der gemeinfreien Werke an der Gesamtveranstaltung wählen will.
Übrigens: Eine quantitative Unterscheidung, etwa hinsichtlich der Dauer der rechtefreien im Verhältnis zu den geschützten Werken, sieht der Gesamtvertrag nicht vor.
Was ist nun mit den Noten?
Zunächst: Wer eine originalgetreue Ausgabe eines Werkes oder Textes herstellt, erwirbt dadurch kein eigenes, neues Urheberrecht; ein solchermaßen herausgegebenes Werk ist keine geistige Schöpfung. Sie ist und bleibt rechtefrei. Etwas anderes gilt, wenn die Noten oder der Text das Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit sind.
Ein Bespiel:
Ein Verlag bringt etwa eine wissenschaftlich bearbeitete Ausgabe eines rechtefreien Werkes, etwa einer Mozart-Oper oder eines Händel-Oratoriums, heraus, die neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse oder Erkenntnisse in Bezug auf das Werk enthält. Dann entsteht an dieser wissenschaftlichen Ausgabe nach § 70 Abs. 1 UrhG ein neues Recht, Leistungsschutzrecht genannt, welches allerdings nicht 70 Jahre Schutz bietet, sondern nur 25 Jahre nach Erscheinen dieser Ausgabe. Das Gleiche gilt für wissenschaftliche Sammelwerke, die unter ordnungs- oder sonstigen wissenschaftlichen Gesichtspunkten zusammengestellt worden sind und die auf gleiche Weise geschützt sind.
Für die Praxis ist also bedeutsam:
Will der Chor ein Werk aufführen und weiß nicht, ob dieses noch mit Rechten belegt ist, so muss er durch Anfrage bei der GEMA oder beim in Betracht kommenden Verlag prüfen, ob die 70-Jahres-Frist abgelaufen ist. Will er eine alte Bearbeitung aufführen,
gilt in Bezug auf den Urheberrechtsschutz des Bearbeiters das Gleiche. Will ein Chor Werke aus einer bestimmten Ausgabe aufführen, muss er sich also über das Erscheinungsdatum vergewissern.
Was für die Aufführung gilt, gilt gleichermaßen für das Kopieren. Aus rechtefreien Noten darf nach Herzenslust kopiert werden, wenn (s.o) der Komponist oder Autor länger als 70 Jahre verstorben ist und kein Leistungsschutzrecht entgegensteht.
Auch die sonst erforderliche Einwilligung des Urhebers zu einer Bearbeitung seines Werkes ist dann nicht mehr erforderlich.
Christian Heieck