Die Geschichte des Kölner Männer-Gesang-Vereins und seinen Reisen durch die Welt
Sie liebten das Reisen, füllten in den Metropolen der Welt die größten Konzertsäle, traten auch gern vor gekrönten Häuptern auf und hatten nichts dagegen, wenn die Medien darüber ausführlich berichteten.
Nein – die Rede ist hier nicht von den berühmten „Fischer-Chören“ – gemeint sind die Sänger des alten „Kölner Männer-Ge-sang-Vereins“. Die Goldkehlchen vom Rhein waren nicht weniger reiselustig als ihre heutigen Kollegen aus dem Ländle. So ist die Liste der von den Kölnern aufgesuchten Reiseziele recht stattlich.
Geld sammeln für den Kölner Dom
Gleich zweimal hintereinander waren sie in der britischen Metropole, zum ersten Mal vor 165 Jahren, im Juni 1853. Eingeladen zu der Reise hatte sie der britische Hofbuchhändler Mitchell; als Zweck der Reise wiederum gaben die Sänger an, Geld für den Bau des Kölner Doms sammeln zu wollen. In der Chronik des Vereins heißt es dazu:
„Es gehörte viel Energie dazu, den zahlreichen Vorurtheilen Trotz zu bieten, welche von allen Seiten gegen den Plan auftauchten. Das große Publicum ist immer geneigt, allen Unternehmungen egoistische Motive unterzuschieben, es glaubt nur ungern an Großmuth und Opferwilligkeit. Als aber die achtzig Sänger, Männer aus allen Ständen, sich auf Monatsfrist aus ihren Verhältnissen losrissen [… ] und mit Mühen und Kosten ihre längere Abwesenheit ermöglichten, da neigte sich alsbald das öffentliche Urtheil zu Gunsten des Unternehmens, zumal der Erfolg über alle Erwartung glänzend ausfiel.“
Die Presse feierte die Sänger
Schon über das erste von insgesamt zehn Konzerten in der britischen Hauptstadt berichtete die Presse damals:
„An diesem Abend feierte der Männergesangverein einen seiner herrlichsten Triumphe – und auch die deutschen Meister im deutschen Liede: Mendelssohn, Zöllner, Kücken, Silcher, Becker, Otto, Reichardt – einen Sieg, wie ihnen selten vor einem deutschen Publikum zu Theil geworden war. Besonders ergriff das deutsche Volkslied, welches den ersten Preis errang.“
Eine Einladung von Queen Victoria
So konnte es nicht ausbleiben, dass auch Queen Victoria auf die Sänger aufmerksam wurde. Dazu heißt es:
„Am Morgen des 20. Juni erhielt der Verein eine Einladung, gegen 9 Uhr vormittags im Buckingham-Palast zu erscheinen. Die Königin erschien im einfachsten Morgenanzuge, wie auch Prinz Albert, und ebenso einfach schlicht war der Kinder Anzug. Beinahe eine volle Stunde stand die hohe Frau, andächtig, selig lauschend den deutschen Liedern, die mit wahrer Begeisterung vorgetragen und von denen mehrere, besonders Silchers ´Jetzt geh i ans Brünnele´, ihr Thränen der Rührung in das Auge lockten…. Mit einer Strophe des ´God save our Queen´ verabschiedeten die Sänger sich aus dem Königssitze.“ Ein hier abgebildeter Holzstich, seit Kurzem im Silcher-Museum, illustriert die oben geschilderte Szene.
Das Liebslingslied der Queen
Dass es gerade ein deutsches Volkslied war, das die Queen bei diesem Konzert besonders berührte, war vielleicht kein Zufall, denn ihre Mutter war ja eine Deutsche gewesen. Und wie uns Felix Mendelssohn Bartholdy überliefert hat, sang Victoria nicht nur gerne, sondern auch „ganz allerliebst und rein, streng im Takt und recht nett im Vortrag“; ihr geliebter Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha begleitete sie dabei häufig am Klavier.
Dass das Lieblingslied Victorias ausgerechnet ein „Silcherle“ gewesen ist, das wiederum dürfte den Tübinger „Meister des Volkslieds“ besonders gefreut haben. In einem Dankesbrief an die Kölner Sänger schrieb er später dazu gerührt und gewiss auch ein bisschen mit Stolz erfüllt:
„Das schwäbische Brünnele setzte ich vor 34 Jahren vierstimmig für ein hiesiges Familien-Musikkränzchen und nahm es später in mein Volksliederheft auf, ließ es aber inzwischen nie mehr singen, weil ich glaubte, es würde nicht gerade besonders interessieren, da es in Württemberg unter dem Volke sehr bekannt ist. Und jetzt muss es von England aus durch Ihren Verein ins Leben gerufen werden, wo es bereits so weit gekommen ist, dass man es nicht genug hören kann.“
Eine erfolgreiche Reise
Und die Kölner? Sie konnten ebenfalls mit dem Ergebnis der Konzertreise ihres Chors zufrieden sein, glauben wir dem oben zitierten Bericht:
„Die Theilnahme des englischen Publicums, das einstimmige Lob der Presse, dreimalige Einladungen zur Königin Victoria und eine Einnahme, die nach Abzug der Gesamtkosten […] noch 3350 Thaler für den Dom und 500 Thaler für wohlthätige Zwecke ergab – das Alles musste allgemein imponiren.“
Wir sehen: Gewinn bringende spektakuläre Chorreisen gab´s schon vor 165 Jahren!
Rudolf Veit