Workshop für Schülerinnen und Schüler mit der Gruppe Unduzo in Heilbronn
26 Heilbronner SchülerInnen des Robert-Maier-Gymnasiums (RMG) und des Mönchsee-Gymnasiums (MSG) nahmen vom 3. bis zum 5. Mai an einem Songwriting-Workshop des Schwäbischen Chorverbandes (SCV) mit der Gruppe Unduzo teil. Die Aufgabe: innerhalb von drei Tagen gemeinsam einen eigenen Song komponieren und diesen dann im Rahmen des Vorabendkonzerts zum Chorverbandstag des SCV auf die Bühne zu bringen. Nicht nur für die SchülerInnen eine ziemliche Herausforderung, sondern auch für das Dozententeam.
Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen waren zwischen 12 und 16 Jahren alt, kamen aus zwei Schulen mit zum Teil unterschiedlichem musikalischen Hintergrund. So besuchen die neun SchülerInnen des MSG die Musikprofil-Klassen ihrer Schule, die Schüler des RMG haben einen „normalen“ Musikunterreicht, wobei auf Musik auch in diesem Gymnasium sehr großer Wert gelegt wird. Nicht umsonst hat sich der SCV dieses Gymnasium mit dem engagierten Musiklehrer Steffen Utech als Partner heraus gesucht.
Donnerstag, 3. Mai 2018, 14:00 Uhr Musiksaal des RMG
Nach einer kurzen Begrüßung durch Antje Kerdels, Schulleiterin des RMG, übernahm Unduzo-Bandmitglied Patrick Heil die Leitung. „Ihr seid aber ganz schön viele“, stellte er fest, ließ sich aber als einer der Hauptideengeber für Songtexte und erprobter Songwriter der Gruppe nicht entmutigen. Und schon waren alle mitten in der – wie sich herausstellte – straff getakteten Arbeit. Was heißt eigentlich Songwriting? Womit fängt man am besten an, wenn man ein eigenes Lied schreiben will? Mit der Melodie, dem Rhythmus oder bildet doch der Text die Grundlage für alles Weitere? Festgestellt wurde, dass es die eine Methode beim Songwriting nicht gibt und dass die SchülerInnen teilweise schon ganz eigene Arbeitsmethoden entwickelt haben, um ihre Ideen umzusetzen. Patrick Heil sah in diesen individuellen Herangehensweisen eine große Stärke und ermutigte die TeilnehmerInnen, diese weiter auszubauen, auch mit Hilfe entsprechender technischer Geräte.
In den nächsten Stunden erarbeitete sich die Gruppe mit Hilfe des Dozenten verschiedene Ideen für das Thema ihres Songs. Dabei zeigte sich, dass die SchülerInnen unabhängig von Alter oder Geschlecht, ganz ähnliche Themen beschäftigen: Liebe, Frieden, Freundschaft, Gemeinschaft, Toleranz. Diese Themen näher auszuleuchten und mit Hilfe einzelner Aspekte zu konkretisieren, erwies sich dann allerdings als deutlich schwieriger. Schließlich einigte sich die Gruppe auf das Motto „Outside looking inside“, das grob als Orientierung dienen sollte. Diese etwas abstrakt anmutende Formulierung ließ doch Raum für verschiedene Interpretationen. Für die SchülerInnen spiegelte sie zum einen das Gefühl wider, ein Außenseiter zu sein, zum anderen stellte sie die Aufforderung dar, einen reflektierten Blick auf sich selbst und seine Mitmenschen zu werfen. Mit der Einigung auf ein Motto wurde die Arbeitsatmosphäre noch konzentrierter. Die SchülerInnen entwickelten gemeinsam mit Patrick Heil eine Melodie, im Anschluss erarbeiten sie in Kleingruppenarbeit die Textzeilen. In der anschließenden
Diskussion zeigt sich, wie gut die Gruppe schon zusammengefunden hatte, obwohl es wenig Zeit zum Kennenlernen gegeben hatte: Alle beteiligten sich aktiv und trauten sie sich auch, Kritik aneinander zu üben. Um wichtige Passagen wurde regelrecht „gebattelt“.
Was versteht man unter Songwriting?
Aus der Diskussion ging auch hervor, dass sich manche unter dem Begriff „Songwriting“ etwas anderes vorgestellt hatten und sich v.a. mehr Zeit für eigenes Komponieren ohne Vorgaben gewünscht hätten. Aber alle fühlen sich von der entstandenen Energie mitgerissen und ließen sich auf die Vorgehensweise ein. Herausgekommen ist schließlich ein Liedtext, in dem die Jugendlichen in einer höchst souveränen Art und Weise über so komplexe Themen wie Antidiskriminierung, Frieden, Liebe, Toleranz und digitalen Overkill mit der Aufforderung zu mehr Zivilcourage und Selbstreflexion sprechen/singen. Und das hatte zusammen mit der komponierten Musik dann auch noch echte Ohrwurmqualitäten. Parallel zur Textdiskussion und Melodiefindung am ersten Workshoptag erlernte zudem eine kleine Gruppe mit Julian Knörzer, Beat-Boxing-Virtuose und Arrangeur bei Unduzo,die Grundlagen des Mundschlagzeugs. Nach einer ersten Probe, in der die Melodie
mit dem nun fertigen Text zusammengefügt wurde, endet ein anstrengender, aber ereignisreicher erster Workshoptag.
Am zweiten Workshoptag
Der zweite Workshoptag begann mit der Präsentation eines Arrangements des Songs, das von Patrick Heil und Cornelius Mack zuvor verfasst worden war. Auch die Beat Boxer kamen bei den nun folgenden Chorproben mit zum Einsatz. Ihnen ist die Begeisterung über das Erlernte, aber auch über ihren Dozenten, deutlich anzumerken.
Damit das bisher mühevoll Erarbeitete auf der Bühne auch seine volle Wirkung entfalten konnte, erhielten die SchülerInnen nun Unterstützung von Linda Jesse, Coach für Bühnenpräsenz und Sängerin bei Unduzo. Diese brachte sehr engagiert den Jugendlichen eine einfache Choreographie bei. Einfach war es nicht, sich auf der Bühne entsprechend zu bewegen. Linda Jesse blieb aber optimistisch und motivierte die SchülerInnen, sich auf das Neue einzulassen.
Nach einigen gelungenen Durchgängen gegen Ende der Probe freuten sich die SchülerInnen sehr auf ihren Auftritt am Abend. Ihre Aufregung war deutlich zu spüren, aber auch, dass ihnen die angesprochenen Themen wichtig und sie stolz auf ihre Arbeit waren.
Nach dem Soundcheck begann das Staging, das Auf- und Abgehen von der Bühne wurde immer wieder geübt. Hier und da wurde verstohlen noch mal ein Blick in die Noten und auf den Text geworfen. Nach anderthalb Stunden, die manchen dann wohl aufgrund der Aufregung etwas zu kurz vorkamen, begann um 19 Uhr endlich das Konzert. MundARTmonika sorgten als erste Band des Abends direkt für eine gute Stimmung. Diese steigert sich noch, als schließlich die Workshopteilnehmenden auf die Bühne gerufen wurden. Zu Beginn etwas nervös, aber mit der Zeit immer sicherer und überzeugter präsentiert die Gruppe ihren Song mit einem Rap-Part und einer Präsentation der Beat-Boxing-Gruppe, die ihre Sache hervorragend macht. Das Publikum war hingerissen und es gabt langanhaltenden Applaus. Es machte auch nichts, dass alle Beteiligten vergessen hatten, dem Song einen Titel zu geben. Seine Botschaft sprach dafür eine deutliche Sprache. Für alle, die Teil dieses Projekts sein durften, war es eine rundum gelungene Erfahrung mit einem Ergebnis, das sicher noch lange nachwirkt.
Wie gelingt eine solche Projektarbeit?
Eine Grundvoraussetzung dafür, dass eine solche Projektarbeit gelingt, ist die Bereitschaft der Schulen zur Kooperation und vor allem auch das Engagement einzelner Personen an den beteiligten Schulen. Die Schulleitungen standen hinter dem Projekt, das RMG will die Gruppe Unduzo für die Komposition eines Schulsongs einladen. Vor allem Steffen Utech, Fachbereichsleiter am RMG war es, der sowohl für Unduzo als auch für den SCV, aber ganz besonders für die SchülerInnen als ständiger Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung stand. Unterstützt wurde er von seinen Kollegen Gabriel Zinser (ebenfalls RMG) und Christiane Eitzenhoeffer vom MSG.
Natürlich haben die SchülerInnen, die innerhalb kürzester Zeit nicht nur gemeinsam einen Song geschrieben haben, sondern auch als Gruppe zusammengewachsen sind, den größten Anteil am Gelingen des Projekts. Viele von ihnen beschäftigen sich sowohl in ihrer Freizeit als auch im Unterricht sehr intensiv mit Musik und konnten so ihr kreatives Potenzial in das Projekt miteinfließen lassen und voneinander lernen. Sie haben es geschafft, die Heterogenität innerhalb der Gruppe konstruktiv zu nutzen. Und sie haben uns einen Einblick in ihre Lebenswelten und Themen, die sie beschäftigen, gewährt.
Bedenkenswertes
Der Songwriting-Workshop des Schwäbischen Chorverbandes am Heilbronner Robert-Mayer-Gymnasium mit der A-cappella-Gruppe Unduzo ist ein gelungenes Beispiel für klassen- und schulübergreifende Projektarbeit – er zeigte aber auch, welche organisatorischen und pädagogischen Herausforderungen ein solches Projekt mit sich bringen kann. Viele Aspekte, die für eine erfolgreiche Umsetzung eines Projekts wichtig sind, lassen sich bereits im Vorfeld klären. Einen entscheidenden Punkt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stellt hierbei sicherlich das Thema Transparenz dar. Um Missverständnisse und damit verbundene Unzufriedenheit zu vermeiden, sollten allen Beteiligten die Rahmenbedingungen klargemacht werden. Was selbstverständlich klingt, ist in der Praxis manchmal nicht so leicht umzusetzen. Das betrifft neben dem zeitlich-organisatorischen Ablauf auch die inhaltliche Gestaltung. Dabei sollte in der vorangegangenen Planungsphase bereits die Teilnehmeranzahl sowie der Grad an Mitbestimmung und -gestaltung festgehalten werden. Des Weiteren sollte man im Vorfeld für Verbindlichkeit sorgen. Das gibt nicht nur dem Veranstalter (Planungs-)Sicherheit, sondern auch den Kindern und Jugendlichen. Man fordert damit nicht nur Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit ein, sondern macht deutlich, dass die Teilnahme der Kinder und Jugendlichen zählt und sie ein wichtiger Teil des Ganzen sind.
Um leere Plätze während eines Konzerts zu vermeiden, sollte man eine Veranstaltung unbedingt rechtzeitig v.a. bei den Eltern ankündigen. Es ist nicht nur für die Veranstalter sondern vor allem für die Kinder und Jugendlichen schade, wenn das mühevoll erarbeitete Repertoire keiner zu sehen und zu hören bekommt. Während des Projekts selbst kann es hilfreich sein, gezielt Kennenlernphasen einzuplanen. Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn man es mit einer heterogenen Zielgruppe zu tun hat. Diese Kennenlernphase kann direkt mit einer Abfrage der Erwartungen an die Veranstaltung verknüpft werden.
Projektarbeit bringt meistens Stress und Anstrengungen mit sich. Da ist es nicht immer leicht, die Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmenden zu berücksichtigen. Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass solche Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche neben der Erweiterung des eigenen musikalischen Horizonts immer auch eine Gelegenheit für soziales Lernen darstellen: Wie verhalte ich mich in Gegenwart anderer? Wie nehmen sie mich wahr? Der Übergang in die Pubertät und diese Entwicklungsphase selbst sind mit Veränderungen und für die meisten Kinder und Jugendlichen mit Selbstzweifeln und Identitätsprozessen verbunden. Peer-Groups sind in dieser Zeit besonders einflussreich und es ist wichtig, von ihnen akzeptiert zu werden.
Auch wenn es ein enger Zeitplan erschweren kann, auf Einzelne einzugehen, sollte man ihnen dennoch den nötigen Raum geben und sie und ihre Belange ernst nehmen. Die SchülerInnen haben nicht alle den gleichen Stand, hinsichtlich ihres musikalischen Hintergrundes und folglich auch jeweils andere Erwartungen an ein solches Projekt. Dennoch lohnt es sich in ein solches Vorhaben zu investieren, da die Erfahrungen und der Mehrwert für die SchülerInnen unbezahlbar sind..
Sarah Brocks