Methoden der Erlebnispädagogik sind nicht nur für die Leitung von Kinder- und Jugendgruppen wichtig, sind helfen auch im Erwachsenenbereich
Die Arbeit mit Gruppen ist sehr vielseitig und erfordert oftmals ein besonderes Maß an Fingerspitzengefühl. Denn im Gegensatz zu einem persönlichen 1:1-Gespräch gibt es mehrere Gegenüber, die ihrerseits wieder eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Im Folgenden sollen verschiedene Aspekte angesprochen werden, die es rmöglichen, einerseits die Aufmerksamkeit einer Gruppe zu bekommen und diese andererseits auch noch zu motivieren und aktivieren.
Die Aufmerksamkeit einer Gruppe zu bekommen, ist oft verbunden mit viel Stimmgewalt, Ermahnungsversuchen und letzten Endes Frust. Denn manchmal haben sich diese vielen Menschen einfach so viel zu erzählen und kommen nur schwer zur Ruhe. Und wenn das auch mal 20 oder mehr sind, kann der Lärmpegel mit einem Mal ziemlich ansteigen. Um in einem solchen Fall die Stimme und das Gemüt zu schonen, gibt es einen ganz praktischen und wirksamen Aufmerksammacher:
Wie mache ich auf mich aufmerksam?
Als „Gruppenbändiger“ klatsche ich laut einen kurzen Takt in die Hände. Anschließend warte ich kurz die Reaktion der Gruppe ab. Die ersten werden sich bereits zu mir wenden und neugierig beziehungsweise überrascht schauen, was da passiert ist. Mit diesem ersten Impuls beginne ich eine von mir gesteuerte Dynamik in die Gruppe hineinzugeben. Ich klatsche den Takt ein zweites Mal und signalisiere den Aufmerksamen mit ausgestrecktem Zeigefinger, sie mögen dieses Klatschen wiederholen. Ein paar werden diesen Wink verstehen und es mir gleichtun. Der Rest bleibt oder wird nun nach und nach aufmerksam.
Beim dritten Klatschen des Taktes wissen nun schon Mehrere was zu tun ist und der Rest steigt im weiteren Verlauf mit ein. Nach mehrmaligem Klatschen kann ich nun auch den Takt verändern. Somit halte ich die Spannung aufrecht und habe den Fokus auf meiner Person und meinem Klat-
schen. Die Gruppe ist damit aufmerksam und konzentriert – ich schlage demnach zwei Fliegen mit einer Klappe.
Je nach Altersgruppe können im späteren Verlauf auch Bewegungen, Drehungen oder Worte in die Wiederholungen eingebaut werden. Es gilt jedoch: Nicht den Bogen überspannen, da ich sonst unter Umständen die ersten wieder verliere. Diese Methode ist zusätzlich eine schöne Möglichkeit ein immer wiederkehrendes Ritual für eine Gruppe zu schaffen. Denn sobald geklatscht wird, wissen alle, dass es leise werden muss und es losgeht.
Eine kurze aktivierung der Gruppe
Wenn ich es geschafft habe und die Aufmerksamkeit auf mich gerichtet ist, empfiehlt sich häufig eine kurze und witzige Aktivierung der Gruppe. So kann noch einmal die Konzentration auf das Hier und Jetzt fokussiert werden und alle werden mit einem Startimpuls mobil gemacht. Eine Aktivierung beugt somit einem klassischen Kaltstart vor und schafft zudem eine entspannte und freudige Atmosphäre. Im Folgenden werden drei solcher Übungen erläutert.
Beispiele für die Praxisarbeit:
1. Jump in – Jump out
Alle Teilnehmenden stehen im Kreis, mit ausreichend Platz zu ihren Nebenleuten (mind. halbe Armlänge).
Die Anleitung führt in der ersten Runde die Kommandos und Bewegungen „Jump in“ (Sprung mit beiden Beinen nach innen/vorne) und „Jump out“ (Sprung mit beiden Beinen nach außen/hinten) ein.
Dabei gibt die Anleitung die Kommandos vor und die Teilnehmenden machen sowohl Kommando, als auch Sprung mit der Anleitung gemeinsam nach. Durch Variation (Jump in-out-in-out-in-in-out-in-out-out etc.) und Steigerung der Geschwindigkeit bringt die Anleitung nach und nach mehr Schwung in die Runde.
In der zweiten Runde werden die Kommandos „Jump left“ (Sprung nach links) und „Jump right“ (Sprung nach rechts) zu den Bestehenden hinzugefügt. Wieder gibt die Anleitung die Kommandos vor und die Teilnehmenden machen diese nach (sowohl das Rufen der Kommandos, als auch die jeweiligen Sprünge). Auch in diesem Fall kann die Schwierigkeit durch Variation und steigende Geschwindigkeit gesteigert werden.
In der dritten Runde gibt die Anleitung eines der vier Kommandos und die Teilnehmenden rufen und führen das Gegenteil aus. Gibt die Anleitung also das Kommando „Jump right“, rufen die Teilnehmenden „Jump left“ und springen gemeinsam mit der Anleitung nach links. Da es in dieser Runde bereits zu einem größeren Durcheinander kommen kann, empfiehlt es sich hier langsam einzusteigen und nach und nach schneller zu werden.
Um die Verwirrung einerseits komplett zu machen, gleichzeitig aber beide Gehirnhälften in großem Maße zu aktivieren, gibt die Anleitung in der vierten und letzten Runde ein Kommando vor und die Teilnehmenden wiederholen das Gesagte, führen jedoch das Gegenteil aus. So gibt die Anleitung beispielsweise das Kommando „Jump in“ und die Teilnehmenden wiederholen ebenfalls „Jump in“ springen aber nach außen/hinten. In dieser Runde wird es zu einigen Zusammenstößen kommen, also empfiehlt es sich auch hier wieder nach und nach die Geschwindigkeit immer weiter zu steigern.
Insgesamt eine sehr schöne Aktivierungsübung bei der noch nie ein Auge trocken geblieben ist.
2. 1 – 2 – 3
Bei dieser Übung müssen sich immer 2er Teams zusammenfinden. Geht die Zahl der Teilnehmenden nicht auf, muss die Anleitung mit der überbleibenden Person anschließend ein 2er-Team bilden.
In der ersten Runde erklärt die Anleitung (am besten mit einer weiteren Person) den Ablauf. Und zwar stehen sich zwei Personen gegenüber und zählen abwechselnd bis 3. Bei der Zahl 3 angekommen beginnt die folgende Person wieder mit 1, sodass eine Endlosreihe entsteht. Wenn der Ablauf bei den 2er-Teams passt, können sie versuchen das Prozedere so schnell wie möglich zu wiederholen. Da diese Runde noch ziemlich einfach ist, lässt man sie nicht allzu lange laufen, da es sonst zu eintönig wird.Bald darauf wird also die zweite Runde eingeführt. Das Prozedere bleibt das selbe, nur dass die Teams nicht mehr 1 sagen dürfen, sondern stattdessen den linken Arm nach oben strecken müssen. Dies kann zur Veranschaulichung wieder mit einer Person vorgemacht werden: linker Arm nach oben – 2 – 3 – linker Arm nach oben – 2 – 3 … . Die Teams versuchen erneut ihr Zählen zu beschleunigen.
In der dritten Runde führt die Anleitung statt mit der Zahl 2 die Bewegung ein, das rechte Knie so weit es geht nach oben zu ziehen. Die Teams zählen nun wie folgt: linker Arm – rechtes Knie – 3 – linker Arm – rechtes Knie – 3 … .
In der vierten und letzten Runde wird die Zahl 3 mit der Bewegung in die Knie gehen ersetzt. Im Folgenden vernimmt man von allen Teams also keine Worte mehr, sondern ausschließlich die Bewegungsfolge: linker Arm – rechtes Knie – in die Knie – linker Arm – rechtes Knie – in die Knie …
Wahlweise können alle Zahlen auch durch andere Bewegungen ersetzt werden. Die Anleitung sollte darauf achten, dass die Teams immer in Action sind und versuchen so schnell wie möglich zu „zählen“.
3. Fluglotse
Bei dieser Übung müssen sich erneut 2er-Teams zusammenfinden. Geht die Zahl der Teilnehmenden nicht auf, muss die Anleitung mit der überbleibenden Person anschließend ein 2er-Team bilden.
Die Anleitung erläutert anfangs die Übung für alle und führt diese am besten mit einer Versuchsperson vor. Bei der Übung klatscht man sich abwechselnd mit beiden Händen auf beide Schenkel und zeigt dann mit beiden Händen in eine der folgenden Richtungen: links, rechts oder oben. Anschließend wieder auf die Schenkel und erneut in eine der drei Richtungen und so weiter. Die andere Person im Team macht dies ebenso. Es stehen sich dementsprechend zwei Personen gegenüber, die sich gegenseitig zeigen, wie gut sie den Job des Fluglotsen ausüben können. Dabei entscheidet jeder für sich, in welche der drei Richtungen sie oder er weist. Kommt es nun dazu, dass die Arme beider Personen eines Teams in die selbe Richtung weisen, klatschen sich diese NACH dem nächsten Klatschen auf die Schenkel in die Hände. Anschließend wieder auf die Schenkel und wieder jeder für sich in eine selbst gewählte Richtung, und es geht so weiter wie beschrieben. Die Geschwindigkeit der Abläufe soll nach und nach gesteigert werden.
Nach angemessener Zeit können die Teams gewechselt werden. Die Anleitung feuert die Teams weiterhin an und spornt sie so an, schneller in ihren Bewegungen zu werden. Diese Aktivierungsübung eignet sich auch sehr gut für Outdoor-Veranstaltungen, wenn die Teilnehmenden kalte Hände haben. Diese werden auf diese Weise sehr schnell warm. Die Teams kommen bei dieser Übung in ein stark fokussiertes Flow-Erlebnis und erreichen je nach Konstellation eine beachtliche Geschwindigkeit in ihrem Ablauf.
Jan Müller