Das Remstal wurde nicht nur von Friedrich Silcher singend durchwandert:
2019 bietet viele Möglichkeiten, sich den Orten an der Rems musikalisch zu nähern
Der Blick aus dem Fenster animiert noch nicht wirklich zu Aktivitäten im Freien, aber man darf schon davon träumen. Es könnte – wenn der Wettergott mitspielt – für die Sängerschaft ein recht grünes, an Natur und Frischluft reiches Jahr werden.
Zwei hochkarätige musikalische Veranstaltungen kombiniert mit zwei großen Gartenschauen stehen vor der Tür: Das 41. Chorfest des Schwäbischen Chorverbands, das vom 30. Mai bis zum 2. Juni während der Bundesgartenschau in Heilbronn gefeiert wird, und das Landes-Musik-Festival, das am 29. Juni in Schorndorf im Rahmen der Remstalgartenschau stattfindet.
Steile Lagen, schwimmende Bühnen
Da die regionale Gartenschau entlang der Rems dezentral in vielen Orten durchgeführt wird, werden auch außerhalb Schorndorfs zahlreiche Musikveranstaltungen – bevorzugt im Freien – angeboten. Weinstadt z. B. präsentiert am 9.-10. August das Open-Air-Festival „Steillage“ mit Studenten und erfolgreichen Abgängern der Pop-Akademie in Mannheim. Man hofft sogar, das Festival als jährlich stattfindenden Event etablieren zu können. Außerdem werden „Floating Stages“ (schwimmende Bühnen) auf der Rems für Konzerte und andere Veranstaltungen zur Verfügung stehen.
Die Wiege Württembergs …..
Im Übrigen hat der Ort Weinstadt seinen Beitrag zur Remstal-Gartenschau unter das Thema „Wiege“ gestellt. Die Kommune beruft sich auf ihre landesgeschichtliche Bedeutung, die ihr durch eine gewisse Luitgard von Beutelsbach zugewachsen ist. Diese Dame gilt als Stammmutter des Hauses Württemberg, weshalb „die Wiege des Herzog- und Königshauses Württemberg und damit auch des Landes Baden-Württemberg“ in Weinstadt (-Beutelsbach) steht. Diesem „Alleinstellungsmerkmal“ unter den Städten des Landes entsprechend findet der Weinstädter Auftakt zur Remstalgartenschau denn auch in Form eines „Wiegenfests“ am 12. Mai, dem diesjährigen Muttertag, statt.
…. und Silchers Wiegenbettlädle
Ferner wird die Wiege das Thema einer groß angelegten Kunstaktion sein. Die dabei entstehenden Bildhauerarbeiten und Installationen, u. a. von Studenten der Stuttgarter Kunstakademie, sollen auf dem Gartenschaugelände dauerhaft präsentiert werden.
Ob von den jungen Künstlern wohl einer daran denkt, dass neben Beutelsbach auch Schnait eine „Wiege“ als „Alleinstellungsmerkmal“ hat? Das einstige Weinbauerndorf ist Silchers Geburtsort! Hier stand das „Wiegenbettlädle“, das im Beibringens-Inventar seiner Eltern von 1783 eigens erwähnt ist und in dem der Musiker seine ersten Gesänge von sich gab.
Das Silcher-Museum beteiligt sich übrigens mit zwei Veranstaltungen an der Remstalgartenschau: Am Samstag, dem 18. Mai, bleibt das Haus im Rahmen der „Interkommunalen Nacht der Museen“ von 18-24 Uhr geöffnet. Dazu gesellt sich am darauf folgenden Tag, dem 19. Mai, noch eine Veranstaltung im Rahmen des Internationalen Museumstags.
Offenes Singen – für alle im Freien
Am Sonntag, dem 7. Juli, ist das Museum dann von 11-17 Uhr eine der Bühnen für den „Interkommunalen Tag des offenen Singens“. Bei dieser Veranstaltung, die gleichzeitig in allen 16 Teilnehmerkommunen im Freien stattfindet, sollen möglichst viele Sangeslustige „zum größten Chor des Remstals“ zusammenkommen. (In Waiblingen etwa ist das gemeinsame Singen unter der Leitung von Patrick Bopp alias „Memphis“ von der VocalComedyTruppe „Füenf“ auf der großen Erleninsel geplant.) Als Höhepunkt wird dann zum Abschluss gemeinsam im ganzen Remstal ein Lied intoniert.
Populäre Hits – lange vor den Pop-Akademien
Welches Lied das wohl sein wird? Vielleicht eines von Silcher? Passend zur Gartenschau etwas mit Grünzeug und Blumen? Sein „Rosenstock, Holderblüh“ etwa, oder „Rosmarin und Salbeiblättlein schenk ich dir zum Abschiedsgruß“? Oder sein berühmtestes Abschiedslied: „Muss i denn zum Städtele `naus“? Dieses Liedchen soll Silcher im Remstal gefunden haben. Er machte es 1826 durch seine Bearbeitung und Veröf-fentlichung zu einem echten Welthit, den noch mehr als hundert Jahre später Stars wie Elvis Presley und Marlene Dietrich zum Besten gaben. Und das alles lange bevor es staatliche Pop-Akademien gab.
Das Tal singend erwandert
Das Remstal war bis 1809 Silchers Heimat. Er hat es in seiner Ausbildungszeit zum Schullehrer jahrelang bei jeder Witterung erwandert – also nicht (nur) zum Vergnügen, aber wohl oft mit einem Lied auf den Lippen. In mehreren Orten findet man noch heute Erinnerungen an ihn: in Geradstetten das Schulhaus, in dem er 1803-06 seine Ausbildung als Provisor machte, in Fellbach die Kirche, in der er 1806-07 mit Auberlen musizierte, in Schorndorf das Schloss, wo er 1807-09 die Töchter des Kreishauptmanns von Berlichingen unterrichtete, sowie die Stadtkirche, an der er sonntags die Orgel „traktierte“.
Friedrich Silcher: Mehr als nur ein Musiker
Zum Schluss noch ein kleines Kuriosum: 1814 hat Silcher, der ja auch ein talentierter Zeichner war, für die Schorndorfer Oberamtsbeschreibung eine Karte des Remstals angefertigt. Die originale Kupferplatte und ein Abdruck davon sind im Silcher-Museum ausgestellt. Auf dieser Karte findet man alle Remstalorte – nur kein „Weinstadt“. Das gibt es erst seit 1975.