Ein ungewöhnliches Thema bei „kurz und bündig“: Ersthelfer und Erste Hilfe in Chor und Verein
Es ist glücklicherweise die krasse Ausnahme, dass in unseren Chören und Vereinen plötzlich eine Situation eintritt, in der unverzüglich und schnell Erste Hilfe geleistet werden muss, um zu verhindern, dass ein Teilnehmer einen schweren körperlichen Schaden davon trägt. Es kommt aber vor, und es kann jederzeit vorkommen.
Vor wenigen Monaten meldeten die Medien, dass der Bundesgerichtshof über einen solchen Fall zu entscheiden hatte.
Was lag dem Urteil des BGH vom 04.04.2019 (III ZR 35/18) zugrunde?
Ein Schüler war im Sportunterricht (Aufwärmtraining) plötzlich mit schweren Kopfschmerzen zusammengebrochen und bewusstlos geworden. Der Notarzt wurde gerufen, der jedoch erst nach acht Minuten eintraf, in denen der 13-jährige Schüler bewusstlos war und nicht atmete. Zwei Sportlehrer waren anwesend, die nur den Notruf betätigten, nicht jedoch die Atmung kontrollierten und auch keine Reanimationsversuche unternahmen. Der Schüler war inzwischen blau angelaufen. Die Notärzte führten sofort Wiederbelebungsmaßnahmen durch und brachten den Schüler in eine Klinik. Durch die achtminütige Bewusstlosigkeit erlitt der Schüler einen irreversiblen Hirnschaden; er ist heute schwerstbehindert.
In der gerichtlichen Auseinandersetzung machte der Kläger gegenüber dem Land als Schulträger geltend, die beiden Lehrer hätten jegliche Reanimationsmaßnahmen unterlassen und seine Atmung nicht kontrolliert.
Die Vorinstanzen haben dem Land Recht gegeben; es sei nicht feststellbar, ob sich das Unterlassen dieser Maßnahmen auf den Gesundheitszustand des Schülers ausgewirkt habe. Der BGH teilte diese Auffassung nicht und wies das Oberlandesgericht an, nähere Feststellungen zur Kausalität des Nichthandelns der Sportlehrer für den irreversiblen Hirnschaden zu treffen.
Das Ergebnis dieser weiteren obergerichtlichen Prüfung liegt naturgemäß noch nicht vor. Das ist aber auch nicht entscheidend. Maßgeblich ist – insofern auch von Interesse für unsere Chöre und Vereine -, ob und welche Maßnahmen in einem solchen Fall von einem Chorleiter oder einer Betreuungsperson getroffen werden müssen und welche Folgen es hat, wenn diese Hilfe nicht gewährt wird.
Nicht immer vergleichbare Situationen
Natürlich ist die Situation, über die der BGH zu entscheiden hatte, eine andere als die in einer Chorprobe oder einem Konzert; sie ist auch anders als die Situation in einem Sportverein, in welchem von vorneherein nur Übungsleiter eine Lizenz erhalten und tätig sein dürfen, die über eine Ersthelferausbildung verfügen. Das fordert schon die Verwaltungsberufsgenossenschaft und trägt die dafür erforderlichen Ausbildungskosten. Noch schärfer sind die Anforderungen an Bademeister oder Hilfsdienste wie das Rote Kreuz oder die Johanniter-Unfallhilfe. Die dortig tätigen Personen sind eigens dafür da, für die Sicherheit der Badegäste bzw. der Veranstaltungsbesucher zur sorgen; für sie ist die Gewährleistung der Ersthilfe eine vertragliche „Hauptpflicht“.
Beim Sportlehrer, Übungsleiter, Chorleiter etc., deren Hauptaufgabe die sportliche oder musikalische Betreuung, die Durchführung von Proben und Konzerten etc. ist, kann nur eine vertragliche Nebenpflicht angenommen werden, deren Verletzung Schadenersatzansprüche nach sich ziehen kann. Das gilt auch für Jugendbetreuer in Chören und Vereinen, die – anders als die Übungsleiter beim Sport – nicht an die Altersgrenze von 16 Jahren gebunden sind.
Welche Konsequenzen ergeben sich für unsere Chöre und Vereine daraus?
Soweit ersichtlich, wird eine Ersthelferausbildung für Betreuungspersonen, Chorleiter etc. im Bereich von Chören nicht – jedenfalls nicht flächendeckend und generell – angeboten. Der eine oder andere von ihnen wird im anderen Zusammenhang Erste Hilfe-Maßnahmen „gelernt“ haben; der Erste-Hilfekurs aus dem Unterricht zur Erlangung des Führerscheins reicht selbstverständlich nicht aus.
Jedermann, der zu einer Situation wie der kommt, über die der BGH zu entscheiden hatte, hat zunächst einmal eine Pflicht zu helfen. Das gilt für einen Verkehrsunfall ebenso wie einen Herzinfarkt im Einkaufszentrum und bei anderen, denkbaren Situationen. Jeder muss in einer solchen Situation Hilfe leisten, die erforderlich und ihm zumutbar ist. Dazu gehört die Sicherung der Unfallstelle, die Benachrichtigung der Notdienste, die Feststellung der Gesundheits- oder Lebensgefahr (Atemstillstand, fehlender Herzschlag etc.). Die Hilfe ist solange fortzusetzen, bis die Rettungsdienste eintreffen und die Behandlung übernehmen. Die Hilfe ist zu leisten „so gut man kann“.
Medizinisch notwendige Maßnahmen sind: Stabile Seitenlage, Herzdruckmassage, erforderlichenfalls Mund-zu-Mund-Beatmung; alles also, was verhindert, zumindest bekämpft, dass ein Herzstillstand fortdauert, das Opfer zu ersticken droht oder – vor allem – die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird. Die beiden Sportlehrer haben sich darauf beschränkt, die Notdienste zu rufen. Während des Wartens auf diese fand keine Spontanatmung statt; wie lange, muss das Oberlandesgericht Frankfurt klären.
Das Nichtleisten zumutbarer und erforderlicher Hilfe ist strafrechtlich eine unterlassene Hilfeleistung, um die es im Fall des BGH nicht ging. Hier ging es um zivilrechtliche Schadenersatzansprüche (Pflegekosten, lebenslange Unterhaltsrente, Kosten der medizinischen Behandlung, Schmerzensgeld).
Die für die Chöre entscheidende Frage ist: Brauchen wir eine flächendeckende Ersthelferausbildung, wenn ja, für welche Vereinsmitglieder, Funktionsträger etc.?
Vorweg: Eine gesetzliche Verpflichtung gibt es nicht. Die gab es übrigens auch für die beiden Sportlehrer nicht. Eine solche Ausbildung soll ja auch dazu dienen, dass die Ersthilfe in einem solchen Notfall in qualifizierter, geschulter Weise geschieht; viele Menschen sehen sich in dieser außerordentlichen, adrenalingeladenen Hilfesituation auch einfach außerstande, etwas oder gar das Richtige zu tun. Deshalb regelt § 680 BGB für Nothelfer, dass diese für ihre Hilfeleistung und dadurch ent-
stehende Schäden und Nachteile für das Opfer nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften.
Dieses Privileg kam den Sportlehrern im BGH-Fall nicht zugute, und zwar unabhängig davon, ob sie über eine Ersthelfer-Ausbildung verfügten oder nicht. Ihre vertragliche Nebenpflicht als Sportlehrer verlangte von ihnen ein uneingeschränkt aktives Tätigwerden im Rahmen des Zumutbaren, so der BGH. Es reichte nicht, den Notarzt zu rufen; sie hätten die Atmung kontrollieren und Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen müssen.
Ergebnis also:
Eine gesetzliche Vorschrift, die von Verantwortlichen im Chor verlangt, eine Ersthelfer-Ausbildung zu absolvieren, gibt es ebenso wenig, wie die Chorvereine verpflichtet sind, eine solche Ausbildung zu veranlassen oder anzubieten.
Sinnvoll und wünschenswert wäre es allerdings gleichwohl, über eine solche Ersthelfer-Ausbildung für Chorleiter und Betreuer nachzudenken. Die Ersthelfer Ausbildung ist weder besonders aufwendig noch besonders teuer; sie wird vom Deutschen Roten Kreuz, von den Johannitern und Maltesern, vom Arbeiter Samariter- Bund etc. angeboten. Der zeitliche Aufwand ist vertretbar, und vor allem: Jeder kann, auch im privaten Umfeld, in eine Situation kommen, in der er Hilfe leisten muss. Da ist es eine große Erleichterung, wenn man die vorgefundene Situation im Kurs schon kennengelernt und geübt hat, damit umzugehen, um die geeigneten Maßnahmen zu treffen.
Thema: Transparenzregister
Einige Vereine haben inzwischen Post vom Bundesanzeiger Verlag bekommen und sind aufgefordert worden rückwirkend für die Jahre 2017 bis 2019 jeweils € 2,50 zzgl. Umsatzsteuer für die Führung des Transparenzregisters zu bezahlen.
Diese Verpflichtung wurde mit dem Geldwäschegesetz vom 23.06.2017 vom Bundesgesetzgeber aufgrund der EU-Anti-Geldwäscherichtlinie eingeführt.
Die Geldwäscherichtlinie ist sicher nicht für die Vereine gedacht, anders als die Datenschutz-Grundverordnung aus dem Jahr 2018. Die Vereine sind aber in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen, obwohl die Transparenz des Vereins über das Vereinsregister gewährleistet ist und ins Vereinsregister auch über das neue Transparenzregister Einsicht genommen werden kann. Wegen dieser Möglichkeit regelt § 24 des Geldwäschegesetzes, dass auch jeder Verein eine Jahresgebühr von € 2,50 für die Führung des Transparenzregisters bezahlen muss.
Es ist nicht ausgeschlossen, eher zu erwarten, dass der bürokratische Aufwand, der mit der Eingangskontrolle für diese geringfügigen Beträge verbunden ist, diese Zahlung nicht rechtfertigt. Man mag sich zu Recht darüber ärgern. Dennoch: Die Zahlungspflicht besteht und sollte erfüllt werden.
zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.