Der Bericht des Normenkontrollrats Baden-Württemberg
Das neue Jahr ist für die Vereine diesmal wirklich neu; neuer scheint es jedenfalls als die vorangegangenen Jahre. Warum? Nun: Im Oktober 2019 legte der Normenkontrollrat Baden-Württemberg einen rund 200 Seiten starken Studienbericht mit 49 konkreten Vorschlägen zur Entlastung von Vereinen und Ehrenamtlichen von Bürokratie vor und überbrachte dem Ministerpräsidenten am 06. Dezember 2019 das erste Exemplar. Dieses ist auch inzwischen öffentlich zugänglich; es kann angefordert oder heruntergeladen werden, als PDF-Datei unter dem Titel „Entbürokratisierung bei Vereinen und Ehrenamt – Empfehlungsbericht des Normenkontrollrats Baden-Württemberg“.
Was ist der Normenkontrollrat Baden-Württemberg?
Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg beruht auf dem Regierungsprogramm vom September 2017 zur „Bürokratievermeidung, -abbau und besserer Rechtssetzung für Baden-Württemberg“; durch dieses Regierungsprogramm wird der Normenkontrollrat eingerichtet und sein Aufgabenbereich umschrieben.
Eine solche Einrichtung gibt es unter dem Stichwort „Nationaler Normenkontrollrat“ auch auf Bundesebene, länger schon, seit 2006. Die Rechtsgrundlage ist das Gesetz zur Einsetzung eines nationalen Normenkontrollrates.
Es ist Sache der Länder, ob sie für ihren Zuständigkeitsbereich ebenfalls einen Normenkontrollrat einrichten. Bisher hat dies neben Baden-Württemberg nur der Freistaat Sachsen getan. Auch im Ausland ist diese Einrichtung zu finden, in den Vereinigten Staaten unter dem schönen Begriff „Paperwork Reduction Act“. Gemeint ist häufig die Vermeidung oder Verringerung staatlicher Bürokratie; der jetzt vorgelegte Bericht des Normenkontrollrats Baden-Württemberg ist dem Bürokratieabbau in gemeinnützigen Einrichtungen, insbesondere Vereinen, gewidmet.
Was ist der Inhalt des Berichts des Normenkontrollrats?
Dieser Bericht und seine 49 Einzelvorschläge sind eine wahre Fundgrube. Viel zu umfangreich, um sie hier zu beschreiben oder gar wiederzugeben. Ich kann Ihnen die Lektüre dieses Berichtes nur empfehlen; er ist Bestandaufnahme, Diskussionsgrundlage und Materialsammlung für den weiten Bereich des materiellen Vereinsrechts, seiner Anforderungen, Schwierigkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten.
Wesentliches Motiv der Landesregierung dafür, diesen Auftrag zu erteilen, war die beobachtbar nachlassende Bereitschaft von Ehrenamtlern, Ämter im Verein zu übernehmen, oder der Wunsch, diese aufgrund schlechter Erfahrungen wieder abzugeben. Eine Beobachtung, die wir im Schwäbischen Chorverband auch immer wieder machen, trotz der bestehenden Beratungsangebote (Erstberatung, Veröffentlichungen des Verbandes, Fortbildungen etc.).
Die Vereine wurden intensiv beteiligt an der Vorbereitung der Studie, insbesondere durch Interviews und Fachgespräche. Ich zitiere nur einige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Studie:
„Ein typischer Verein muss 337 Stunden oder 42 Tage oder 6,5 Stunden pro Woche für die Erfüllung bürokratischer Anforderungen aufwenden. Das hängt nicht nur mit der Vielzahl, sondern auch der Komplexität der anzuwendenden Vorschriften zusammen, die beispielsweise bei einer Vereinsveranstaltung zu beachten sind.
Datenschutz, Gemeinnützigkeitsfragen etc. belasten die Vereine zusätzlich und reduzieren den Spielraum für die Erfüllung des eigentlichen Vereinszwecks, der ja nicht in Bürokratiebewältigung besteht.“
Das Ergebnis der Studie sind 49 Vorschläge für die Entlastung der Vereine von bürokratischen Aufgaben und Verpflichtungen.
Einstweilen nur einige wenige Beispiele:
Vorschlag Nr. 14: Der Prüfungsturnus der Gemeinnützigkeitsprüfung soll von drei auf fünf Jahre erhöht werden.
Vorschlag Nr. 18: Der Zeitraum der zeitnahen Mittelverwendung soll bei gemeinnützigen Vereinen von bisher zwei auf drei Jahre erweitert werden.
Vorschlag Nr. 22: Bei Erstverstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung soll bei Vereinen auf die Verhängung von Bußgeldern verzichtet werden.
Vorschlag Nr. 31: Die Abgabepflicht zur Künstlersozialabgabe soll von drei auf fünf Veranstaltungen und der Freibetrag von 450,00 € auf 900,00 € angehoben werden.
Vorschlag Nr. 28: Verbesserung der Servicequalität bei der GEMA, Ausweitung der telefonischen Sprechzeiten und Erreichbarkeit per E-Mail.
Vorschlag Nr. 6: Erreichbarkeit der Registergerichte deutlich verbessern.
Vorschlag Nr. 7: Verzicht auf die öffentliche Beglaubigung bei Veränderungen beim Vereinsregister (Satzungsänderungen, Nachwahl von Vorstandsmitgliedern).
Vorschlag Nr. 9: Zulässigkeit digitaler Satzungsänderungen.
Die hier stichwortartig wiedergegebenen Vorschläge sind in der Studie jeweils einzeln sorgfältig dargestellt nach Rechtslage, Verwaltungspraxis und Verbesserungsbedarf. Die Vorschläge werden ohne Zweifel einen Prozess der punktuellen Umsetzung einzelner Vorschläge und damit einen Prozess des Bürokratieabbaus im Vereinswesen anstoßen.
Die Zeitschrift SINGEN wird diesen Prozess begleiten und Sie jeweils zeitnah unterrichten.
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Telefon: 07453 1677
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.