Nur durch Veränderung kommt man vorwärts
Es ist Donnerstag, der 18. Mai, 18:10 Uhr, ich befinde mich in der Geschäftsstelle des Schwäbischen Chorverbandes. In 20 Minuten startet das erste E-Seminar des SCV. Zögernd hatte ich mich bereiterklärt, das erste Mal in meinem Leben solch ein Hosting, also die Moderation des Online-Seminars, zu übernehmen. Viel schwieriger als „Offline-Moderationen“ würde es schon nicht sein. Mein Kollege übernimmt die technische Betreuung, Video und Ton funktionieren, wir sind gut vorbereitet.
18:20 Uhr, die ersten Teilnehmer erscheinen – wir werden etwas nervöser: Alle Teilnehmer kommen automatisch unter meinem Namen online. Haben wir etwa den falschen Zugangslink verschickt?
18:22 Uhr, wir stellen fest, nein, der Zugangslink war richtig. Wir benutzen heute erstmals eine spezielle Webinar-Lizenz, mit der die Koordination von Seminaren mit vielen Teilnehmern einfacher ist. Eigentlich. Acht Minuten bis zum E-Seminar und irgendetwas stimmt mit den Einstellungen nicht. Das Umbenennen der Teilnehmer ist auch schwierig, da sie aufgrund der vereinfachenden Webinar-Lizenz automatisch ohne Video zugeschaltet werden.
18:23 Uhr. Ich ändere meinen Namen um in „Daniela Höfele 2“, damit es beim Fragenstellen im Chat später keine Verwirrungen gibt und mein Kollege weiß, hinter welcher der mittlerweile 35 Danielas ich mich verberge.
18:24 Uhr. Alle neu online kommenden Teilnehmer heißen nun „Daniela Höfele 2“. Das hat ja wunderbar funktioniert. Noch sechs Minuten bis zum E-Seminar.
18:29 Uhr. Alle 62 Teilnehmer sind online. Wir haben auf die Schnelle keine Lösung gefunden, mein Kollege wird die Teilnehmer zur besseren Übersicht während des Seminars manuell umbenennen. Ich finde mich damit ab, nun souverän 62 Danielas zu begrüßen, und wir legen los.
„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“
Das Thema „Webinare“ stand beim Schwäbischen Chorverband nicht erst seit der Corona-Pandemie, sondern bereits seit einiger Zeit zuvor auf dem Plan. „Bei den ursprünglichen Überlegungen ging es zunächst um Digitalisierungsprojekte und darum, Medien mehr in Richtung Zukunft zu benutzen, beispielsweise im Hinblick auf Sitzungen“, erklärt Monika Brocks, die Geschäftsführerin des SCV. „Aber auch E-Seminare im theoretischen Aus- und Weiterbildungsbereich, insbesondere zu den Schwerpunkten Recht, Versicherungen und Steuern, waren bereits seit Längerem angedacht. Das sind so kompakte Themen und Fragen, die kann man sehr gut über ein E-Seminar vermitteln. Da halten wir es für eine gute Möglichkeit, damit die Leute nicht so weit fahren müssen. Auch bei Themen wie Vereinsmanagement und Fundraising hatten wir das Gefühl, dass man hier mit E-Seminaren weit kommen kann.“
Durch den Lockdown wurde mit den neuen Formaten nun schneller gestartet als gedacht: „Wir haben gemerkt: Entweder wir sagen alles ab, oder wir stellen alles um“, so Monika Brocks, „und Webinare passen ja genau in die aktuelle Zeit. Die Leute sitzen zu Hause und haben einen hohen Informationsbedarf. Da können wir als Verband nicht so tun, als ob uns das alles nichts anginge. Deswegen kam das dann ziemlich schnell in die Gänge, was mich sehr gefreut hat.“
Die Vorteile von Webinaren im Allgemeinen liegen klar auf der Hand: Neben der wegfallenden Zeit und Kosten für An- und Abreise erfolgt auch die Anmeldung schnell und einfach und der Aufwand für Teilnehmer an einem Webinar ist relativ gering. Selbst ohne Internetanschluss kann an vielen Webinaren zumindest passiv teilgenommen werden, indem man sich per Telefon in die Veranstaltung einwählt. Seitens des Veranstalters ist eine Kommunikation in Echtzeit möglich, bei der mit vergleichsweise geringem Aufwand ein großer Teilnehmerkreis erreicht werden kann.
Auch Andreas Schulz, Musikdirektor der Chorjugend im SCV, findet die Umstellung auf Online-Formate beim SCV ganz selbstverständlich. Als Musiker und Chorleiter probte er bereits kurz nach Beginn des Lockdowns online: „Ich war in dem Thema schon drin, da ich mit meinen Chören schon drei, vier Wochen lang online geprobt hatte. Deshalb war das für mich normal und der Stand der Zeit. Wäre es fünf, sechs Wochen vorher gekommen, wäre ich sehr skeptisch gewesen und hätte gefragt: ‚Braucht es das?‘. Da hätte ich nicht unbedingt erwartet, dass das funktioniert. Aber dann steckte ich eben gezwungenermaßen bereits mittendrin und fand es ganz logisch, dass der SCV ein Online-Programm anbietet.“
Trotz aller Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich brachte und bringt, zieht Schulz im Hinblick auf die Online-Veranstaltungen ein positives Fazit: „Das hat uns jetzt mal gezwungen, uns mit einer solchen Kommunikationsform intensiv zu beschäftigen und ich glaube, da kann sich auch ein Mehrwert entwickeln, den man sonst vielleicht in den nächsten fünf, sechs Jahren noch nicht geschafft hätte. So blöd das klingt: Manchmal braucht man für Veränderung wohl einfach Zwang, und nur so kommt man manchmal vorwärts“.
Die Vorteile von Online und Offline verknüpfen
Auch bei den Teilnehmern von Online-Formaten ist eine Veränderung spürbar: „Aus technischer Sicht haben sich die Skills der Teilnehmer stark verändert, und dadurch auch die Bereitschaft, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Bei den ersten Online-Chorproben hatte ich das Gefühl, da ist eine gewisse Angst, da das Medium noch unbekannter war und es ungewohnt war, vor einer Kamera zu sitzen. Da hat sich Einiges getan.“
Dennoch ist sowohl Andreas Schulz als auch Monika Brocks bewusst, dass bei E-Seminaren bestimmte Aspekte auf der Strecke bleiben: „Ich finde, so ein Webinar ist eine relativ einbahnstraßenartige Kommunikation. Man kriegt sehr wenig von den Teilnehmern zurück. Auch eine Feedback- oder Fragenrunde am Schluss ist, wenn man es ganz genau nimmt, eine Aneinanderreihung von Monologen“, erläutert Schulz. „Im Offline-Betrieb kriege ich sowohl als Host bzw. Moderator als auch als Dozent eine Zwischenkommunikation von den Teilnehmern zurück. Und wenn es nur ein „Mhm“ ist oder ein Zwischenruf, das geht online einfach unter. Bei Offline-Veranstaltungen spürt man viel mehr.“
„Wir müssen bei allen Planungen immer Rücksicht darauf nehmen, dass Menschen Kontakt wollen“, ergänzt Monika Brocks. „Selbst bei unseren herkömmlichen Aus- und Weiterbildungen findet beispielsweise eine Reduzierung von einem zweitägigen Seminar mit Übernachtung auf ein eintägiges Seminar nicht bei allen Teilnehmern Anklang, weil sie auch den persönlichen Austausch, die Begegnungen und Zwischengespräche innerhalb einer Weiterbildung sehr, sehr schätzen“.
Einen optimalen, zeitgemäßen Umgang mit Online- und Offline-Veranstaltungen im Aus- und Weiterbildungsbereich sehen die Verantwortlichen des SCV deshalb langfristig in der Kombination beider Welten: „Durch die Beschäftigung mit Online-Formaten hat sicher unseren Horizont erweitert, und das hat uns eben auch gezeigt, dass dabei etwas fehlt – viel mehr, als wir vorher vielleicht gedacht hätten. Und so können wir jetzt das Fazit ziehen, dass wir beides nutzen können: das Althergebrachte und das Neue, in einer sinnvollen Mischung“, resümiert Andreas Schulz.
19:45 Uhr. Das E-Seminar ist zu Ende. Trotz der technischen Herausforderungen zu Beginn, vor denen wahrscheinlich jeder Webinar-Neuling Respekt hat, verlief das erste E-Seminar des SCV schließlich problemlos. Mein Fazit als Hosting-Neuling lautet somit ebenfalls: Egal ob offline oder online – es lohnt sich, Neues zu wagen.
Alle aktuellen Aus- und Weiterbildungen, sowohl online als auch offline, finden Sie unter: www.s-chorverband.de/ausbildung-fortbildungen/