Die Künstlersozialabgabe ist nach wie vor eine „terra inkognita“ im musikalischen Vereinsleben – jeder weiß, dass es sie gibt, keiner weiß Bescheid.
Wie es scheint, gilt dies manchmal selbst für die Einrichtungen, die für den Vollzug des Künstlersozialversicherungsgesetzes zu wachen haben: Zum einen die Künstlersozialkasse bei der Unfallversicherung Bund und Bahn, zum anderen die Deutsche Rentenversicherung Bund. Letztere ist u. a. dafür zuständig, dass Unternehmen, zu denen auch gemeinnützige Vereine zählen, die Künstlersozialabgabe bezahlen. Dazu gehört auch, dass die Anspruchsvoraussetzungen von der Deutschen Rentenversicherung bzw. der Künstlersozialkasse entsprechend den gesetzlichen Vorgaben festgestellt und eine korrekte Berechnung der Höhe der Abgabe vorgenommen wird.
Damit liegt es nicht selten im Argen. Nun gibt es Neuigkeiten zu dieser Künstlersozialkasse, die auch für die Vereine des Schwäbischen Chorverbandes interessant sind. Es gibt zwei Entscheidungen zur Künstlersozialabgabe, die von der Künstlersozialkasse und der Deutschen Rentenversicherung Bund im Abstand von nur wenigen Wochen im Jahr 2020 ergangen sind.
Zwei Fälle:
In beiden Fällen ging es darum, ob ein eingetragener Verein Künstlersozialabgabe abführen muss, wenn er bei Vereinsveranstaltungen (Konzerten, Jubiläumsveranstaltungen etc.) selbstständige Künstler gegen Entgelt beschäftigt.
Das Bundessozialgericht hat schon im Jahr 2008 entschieden, dass ein Betreiber eines Laien– oder Amateurchores seit dem 01. Januar 1997 nur noch sogenannter Regelverwerter ist, und damit regelmäßig abgabepflichtig, wenn sein Hauptzweck – wie bei Konzertchören – die öffentliche Aufführung oder Darbietung von Musik ist und das öffentliche Auftreten somit zum wesentlichen „Geschäftsinhalt“ des Chores gehört.
Mit anderen Worten: Seit dieser Entscheidung ist klar, dass ein Amateurchor bzw. der ihn tragende Verein nur noch dann abgabepflichtig ist, wenn dieser mindestens dreimal jährlich selbstständige Künstler
gegen Entgelt im Rahmen von Veranstaltungen des Vereins als Solist, Bauchredner oder ähnliches beschäftigt. Dann muss er fünf Prozent der Nettovergütung an die Künstlersozialkasse bezahlen. Der Chor ist dann kein sogenannter „Gelegenheitsverwerter“ mehr. Er hat also drei derartige Beauftragungen „frei“; beauftragt er in mehr als in diesen drei Fällen selbstständige Künstler gegen Entgelt, muss er die Künstlersozialabgabe nicht nur ab der vierten Veranstaltung, sondern vollständig für alle bezahlen.
Diese Regelung hat in der Vergangenheit immer wieder Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten bereitet und die Gerichte beschäftigt. Inzwischen ist es allerdings ruhiger geworden, nachdem die Künstlersozialkasse und die Deutsche Rentenversicherung Bund durch gerichtliche Entscheidungen bescheinigt bekamen, dass Amateurchöre keine Regelverwerter in Sinne des § 24 Abs. 1 KSVG, sondern Gelegenheitsverwerter nach § 24 Abs. 2 KSVG sind und überdies die eigenen Chorleiter, auch wenn sie selbstständige Künstler sind und sie regelmäßig für den Chor als Chorleiter tätig sind, den Verein nicht zur Künstlersozialabgabe verpflichten.
Und: Der Begriff der Veranstaltung wurde ausgeweitet: Die Rechtsprechung spricht heute von einer Veranstaltung immer dann, wenn die Beauftragung selbstständiger Künstler gegen Entgelt als eine Veranstaltung zählt, auch wenn mehrere solcher Veranstaltungen mit selbstständigen Künstlern an einem Wochenende stattfinden.
Diese Rechtsprechungen haben zur Folge, dass es in jüngerer Vergangenheit kaum noch vorkam, dass Künstlersozialabgabe von Amateurchören bezahlt werden musste.
Das hat auch noch einen weiteren Grund: Alle Chöre und Vereine, die keine selbstständig beschäftigten Mitarbeiter haben, werden von der Künstlersozialkasse unmittelbar geprüft. Nur solche Chöre und Ver-
eine, die versicherungspflichtige Mitarbeiter beschäftigen und deshalb der Sozialversicherungsprüfung unterliegen, werden von der Deutschen Rentenversicherung Bund geprüft und müssen im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Prüfung „automatisch“ auch eine Erklärung zur Künstlersozialabgabe abgeben.
Diese Verpflichtung trifft im Übrigen grundsätzlich alle Chöre und Vereine, doch bleibt nach der gegenwärtigen Gesetzeslage die Nichterfüllung dieser Verpflichtung sanktionsfrei; weder kann bei Nichtabgabe die Künstlersozialabgabe geschätzt noch kann ein Bußgeld verhängt werden, solange die Künstlersozialkasse den Verein nicht zur Abgabe der Erklärung aufgefordert hat.
Ist ein Chor oder Verein noch nicht von der Künstlersozialversicherung auf die Abgabepflicht hingewiesen worden, bleibt die Nichterfüllung dieser Verpflichtung sanktionslos. Das gilt nahezu für alle Vereine des Schwäbischen Chorverbandes, jedenfalls für die, die mangels sozialversicherungspflichtiger Mitarbeiter nicht von der Deutschen Rentenversicherung Bund geprüft werden.
Geringe Kontrolldichte
Die Kontrolldichte bei der Künstlersozialversicherung ist mangels auch nur annähernd ausreichenden Prüfungspersonals völlig unzureichend.
In meiner Beratungspraxis spielen deshalb eigentlich meist Abgabefälle eine Rolle, die von der Deutschen Rentenversicherung Bund geprüft wurden.
Die Rechtsanwendung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund einerseits, die Künstlersozialkasse andererseits ist ausgesprochen unterschiedlich. So hat vor Kurzem die Künstlersozialkasse auf Antrag des Vereins hin einen eigenen Verwaltungsakt mit der Festsetzung von Künstlersozialabgabezahlungen für die Vergangenheit im Wege der Zurücknahme aufgehoben und die zu Unrecht erhobenen Beiträge erstattet. Sie hat ihre Entscheidung mit der oben zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts begründet und die ursprüngliche Entscheidung auch darin korrigiert, dass der Verein auch nicht als Ausbildungseinrichtung nach § 24 Abs. 1, Satz 1, Nr. 9 KSVG für seinen künstlerischen Nachwuchs tätig ist, was den Verein zum Regelverwerter machen würde. Übrigens: Eine Ausbildung zum Berufsmusiker wäre zur Feststellung des Regelverwerters nicht erforderlich.
Schließlich habe der Verein auch keine Eigenwerbung betrieben und sei deshalb auch nicht als Eigenwerber im Sinne von § 24 Abs. 1, Satz 2 KSVG nicht abgabepflichtig.
Ganz anders die Entscheidung der Widerspruchstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund von Ende Juli gegenüber einem anderen Verein. Hier wurde der Widerspruch zurückgewiesen und eine Nachforderung in Höhe von rund 6.000,00 € festgestellt. Es handelt sich hierbei um die Nachzahlung von Beträgen, die innerhalb der Verjährungsfrist nicht gemeldet wurden. Diese beträgt nach § 33 Abs. 3 KSVG i. V. m. § 27 SGB IV 5 Jahre.
Erstaunlicherweise begründete die DRV ihre Entscheidung – unzutreffender Weise – zum einen mit der Abgabepflicht als Eigenwerber, zum anderen damit, dass die bezahlten Honorare den Betrag von 450,00 € pro Jahr überschritten hätten, was sich aus § 24 Abs. 3 in seiner ab 01.01.2015 geltenden Fassung ergebe.
Fehlerhafte Begründungen bei beiden Entscheidungen
Beide Begründungen sind fehlerhaft. Die DRV bezeichnet den Chor zu Unrecht als „Eigenwerber“. Dieser Begriff, der im Gesetz gar nicht genannt ist, macht einen Gelegenheitsverwerter zum Regelverwerter, wenn er zum Zwecke der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit Honorare an Künstler oder Publizisten bezahlt. Solche Honorare können beispielweise Grafiker Leistungen für Prospekte oder Programmhefte sein.
Die Begründung ist aber in doppelter Hinsicht falsch: Zum einen müsste die Inanspruchnahme dieser Grafiker und sonstiger Leistungen selbst und unmittelbar zu einer auf Einnahmen abzielende Nutzung führen. Das geschieht durch ein Programmheft aber nur mittelbar. Die auf die Erzielung von Einnahmen eines Chores gerichtete Leistung ist das Konzert. Nicht die Verteilung von Programmheften oder deren Gestaltung.
Der Irrtum der Deutschen Rentenversicherung Bund besteht auch darin, dass der Gesichtspunkt der Eigenwerbung auch der Einschränkung des § 24 Abs. 2 KSVG unterliegt: Nur wenn ein Verein regelmäßig beispielsweise fünf oder zehn Mal jährlich Konzerte aufführt (mit oder ohne Mitwirkung bezahlter, selbstständiger Künstler) und für diese Konzerte grafische oder sonstige Leistungen von selbstständigen Künstlern in Anspruch genommen werden, kann eine Abgabepflicht als Eigenwerber entstehen. Werden diese Konzerte nur gelegentlich (§ 24 Abs. 2 KSVG) durchgeführt, unterfällt auch die Eigenwerbung dem Gelegenheitsvorbehalt und führt nicht zur Abgabepflicht.
Fehlerhaft ist die Entscheidung weiter, weil sich die DRV auf den neuen § 24 Abs. 3 KSVG bezieht und bei der Lektüre dieser Bestimmung übersieht, dass die 450,00 € Grenze für Gelegenheitsverwerter nicht gilt. Für die gilt weiterhin und ausschließlich die Gelegenheitsgrenze von drei Konzerten mit selbstständigen Künstlern pro Kalenderjahr, § 24 Abs. 3 KSVG neu.
So unterschiedlich fallen die Entscheidungen der für die Vollziehung des Künstlersozialversicherungsgesetzes zuständigen Einrichtungen aus. Es ist deshalb in jedem Fall zu empfehlen, einen Bescheid der Künstlersozialkasse oder der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht einfach hinzunehmen, sondern überprüfen zu lassen.
Es ist wie mit Steuerbescheiden: Viele sind rechtsfehlerhaft, werden jedoch dann bestandskräftig, wenn nicht rechtzeitig Rechtsmittel eingelegt wird. Das ist einfach und unkompliziert und verhindert, dass falsche Entscheidungen bestandskräftig werden.
Zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.