Die chor.com: Szenetreffen vom 23. bis 26. September 2021
Vom 23. bis 26. September 2021 steht die sechste Ausgabe der chor.com ins Haus. Der neue Künstlerische Leiter Stephan Doormann gibt im Interview einen Einblick in Ziele und neue Akzente.
Nicole Eisinger: Herr Doormann, Sie sind als Chorleiter mit allen Wassern gewaschen, sind darüber hinaus Lehrer, haben CDs eingespielt und viele innovative Konzertprojekte entworfen. Ein solches Großprojekt wie die chor.com mit all ihren Facetten ist nun auch für Sie Neuland. Was hat Sie daran gereizt, die Künstlerische Leitung zu übernehmen?
Stephan Doormann: Ein Punkt hat mich auch in meiner Arbeit als Chorleiter immer schon begleitet: Das Anliegen, das Chorsingen und die Chorszene stark zu machen. Es geht darum, aufzuzeigen, wie wunderbar das Singen im Chor ist, wie viel Spaß es macht, aber auch, welch hoher Bildungswert darin liegt und welch große Integrationschance. Denn wir alle bringen die Stimme, die man zum Singen braucht, schon von Geburt an mit. Singen in der Gemeinschaft tut den Menschen und uns als Gesellschaft gut! Zugleich ist der Chorgesang ein so vielfältiger Kulturträger und -vermittler. Dies alles zusammengenommen motiviert mich für die neue Aufgabe als Künstlerischer Leiter der chor.com, die ich zuvor ja auch als Teilnehmer schon erleben durfte.
Nicole Eisinger: Sie haben im September begonnen, sich diesem Projekt zu widmen. Welche Pläne für die chor.com 2021 konnten Sie bislang schon schmieden?
Stephan Doormann: Mein Hauptanliegen ist es, die bisherigen Stärken der chor.com zu erhalten und durch neue Elemente weiter auszubauen. Die chor.com ist das große Treffen der Szene, bei dem alle Kompetenzen gebündelt werden. Sie bietet Ideen und Anregungen für alle Beteiligten und ermöglicht einen inspirierenden Austausch untereinander. Diese große Breite und Tiefe, die Vielfalt, die die chor.com abdeckt, will ich unbedingt weiterentwickeln. Gleichzeitig möchte ich die Inhalte noch stärker darauf ausrichten, was die TeilnehmerInnen davon in ihre eigene Arbeit übernehmen können. Außerdem ist geplant, neben dieser Vielfalt zusätzlich einen Themenschwerpunkt anzubieten.
Nicole Eisinger: Gibt es in dieser Richtung für 2021 bereits konkrete Ideen?
Stephan Doormann: Der thematische Schwerpunkt für die kommende chor.com-
Ausgabe soll Skandinavien sein. Dabei geht es mir allerdings nicht um ein bloßes Label, das auf einer Veranstaltung klebt. Wir wollen uns die jeweils unterschiedlichen Stärken und Phänomene des Musiklebens der nordischen Länder genauer anschauen – von der Vocal-Pop-Szene in Aarhus, Dänemark, über das schwedische Chorwunder bis hin zur finnischen Männerchorlandschaft – und dabei die Frage stellen, was wir von ihnen lernen können. Konkret wird untersucht, an welcher Stelle wir von diesen Stärken profitieren können und wie sich das mit unseren Stärken kombinieren lässt. Dazu werden wir die prägenden Persönlichkeiten und Ensembles dieser Regionen auf die chor.com holen und entsprechende Masterclasses, Workshops, Konzerte, Talks und mehr mit ihnen anbieten. Ich freue mich hier auf eine Menge neuer Inspirationen und Erkenntnisse, unter welchen Bedingungen sich diese Stärken entwickeln konnten, welche Herangehensweisen oder Methoden dabei hilfreich waren und welche davon gegebenenfalls auch übertragbar beziehungsweise für uns modifizierbar sind.
Nicole Eisinger: Inwiefern wird die chor.com 2021 dann anders sein als gewohnt?
Stephan Doormann: Zum einen müssen wir die Veranstaltungsabläufe an die Corona-bedingten Einschränkungen anpassen. Da wir nicht genau wissen, wie diese in einem Jahr aussehen, versuchen wir das Konzept flexibel zu gestalten. Wir loten digitale Möglichkeiten aus und überlegen, wie wir am besten mit möglichen Zugangsbeschränkungen seitens der Behörden umgehen. Ich rechne damit, dass wir quantitativ etwas bescheidener sein müssen, wenn in einen kleinen Workshopraum nur sechs Personen oder in die Kirche nur 100 Zuschauerinnen und Zuschauer für ein Konzert dürfen. Umso wichtiger ist es, dass wir für unser Anliegen die besten Angebote zusammenstellen und diese dann mehrfach anbieten, so dass möglichst viele Zugang dazu haben. Außerdem hoffe ich, dass wir auch auf digitalem Wege ein bisschen was auffangen können.
Nicole Eisinger: Ihr Herz schlägt auch für Vermittlungsarbeit und das Erreichen neuer Publikumsgruppen – hierfür wurden Sie schon mit Preisen bedacht. Wie fließt das ins Programm der chor.com 2021 ein?
Stephan Doormann: Meine Vermittlungsprojekte wurden bislang immer von der Frage geleitet, wie die Relevanz der Musik für verschiedene Zielgruppen – mal Kinder, mal Jugendliche, mal Erwachsene in der «Rushhour des Lebens» – spürbar gemacht werden kann. Da sind ganz wunderbare integrative und innovative Momente entstanden. Mit solch einem Ansatz bin ich aber natürlich bei Weitem nicht allein. Auf der chor.com gibt es Raum, vermittelnde, integrative, genreübergreifende Projekte vorzustellen. Auch hier soll es aber nicht allein bei der Vorstellung bleiben, sondern immer darum gehen, welche Methoden, Erfahrungen, Modelle, Konzepte für andere Mitglieder der Chorfamilie interessant sind und in ihre Arbeit integriert werden können. Niemand soll nur staunend und bewundernd aus einer Veranstaltung gehen, sondern immer inspiriert und mit neuem Werkzeug ausgestattet.
Quelle: Auszug aus Chorzeit Nr. 76 / November 2020
studierte in Stockholm Chordirigieren, arbeitet als Musikpädagoge am Kaiserin-Auguste-Viktoria-
Gymnasium Celle und leitet dort eine umfangreiche Jugendchorarbeit. Daneben ist er Kantor an der Stadtkirche St. Marien in Celle und gründete und leitete Chöre wie den Juventis Jugendchor, den Kammerchor TonArt Ulm, den Qilisma Jugendchor und den Kammerchor Hannover. Mit letzterem bestritt er die Weltersteinspielung aller Motetten von Sven-David Sandström und erhielt 2010 den Echo Klassik für die Einspielung zweier Kantaten für die Gemeinschaftsproduktion «Glaubenslieder». Darüber hinaus wurde er unter anderem mit dem Musikvermittlungspreis des Musiklandes Niedersachsen ausgezeichnet.