Von Stuttgart nach Plochingen: Die Geschäftsstelle des SCV zieht um
Packlisten, Kartons, logistische Planung: Der Schwäbische Chorverband verlegt seinen Standort von Stuttgart nach Plochingen. Nach langer Vorbereitung werden nun die ganz pragmatischen Umzugsvorbereitungen konkret. Ab Sommer 2021 möchte die Geschäftsstelle des SCV ihre Arbeit vom neuen Musikzentrum Baden-Württemberg aus erledigen. Dort soll es vor allem viel Raum für die Bedürfnisse der Amateurmusik geben. Ein Vorbericht.
Grauer Beton, von der Decke hängen wirr Kabel herunter: „Aktuell versprüht das Musikzentrum Baden-Württemberg noch Baustellencharme“, erzählt Roman Kotschi, Schatzmeister des SCV. Er hat vor wenigen Wochen das neue Musikzentrum zum ersten Mal besucht. Doch trotz des noch unfertigen Zustandes hat sich Kotschi direkt wohlgefühlt. „Ich habe gemerkt, dass es ein Ort ist, der von Musikern für Musiker geschaffen wurde. Ich sehe vor meinem inneren Auge schon jetzt ein Blasorchester dasitzen, das ´Mazama´ spielt. Und ich sehe da einen Chor proben, der ein ´Halleluja´ singt.“ Wenn es die Corona-Situation erlaubt, könnte Kotschis Vorstellung schon in wenigen Monaten Realität sein. Denn für Proben, Konzerte und Seminare bietet das neu geschaffene Musikzentrum Baden-Württemberg in Plochingen sehr gute Voraussetzungen. Entstehen sollen ein Orchesterraum, diverse Seminar- und Büroräume, Platz für ein gastronomisches Angebot und ein Bettenhaus für Übernachtungsbesucher. In Zahlen ausgedrückt stehen zukünftig Musikerinnen und Musikern aus der Amateurmusikszene gut 3.600 Quadratmeter Fläche in Plochingen zur Verfügung, ganze 1.004 Quadratmeter davon sind für den Musik- und Seminarbetrieb vorgesehen.
Gemeinsam für die Amateurmusik
Der Blasmusikverband Baden-Württemberg war Ideengeber für das neu entstehende Musikzentrum. Bezuschusst wurde das Projekt vom Land mit mehreren Millionen Euro als Investition für die ganze Amateurmusikszene. Deshalb war schnell klar: Vernetzung und Zusammenarbeit werden wesentliche Parameter für die Realisierung und praktische Nutzung des Zentrums sein. „Wir müssen dringend daran arbeiten, von der Politik ernst genommen zu werden“, erklärt Marcel Dreiling, Musikdirektor des SCV. Das Musikzentrum sei aus seiner Sicht ein gutes Beispiel dafür. Zukünftig werden in Plochingen neben dem Schwäbischen Chorverband noch weitere Akteure der Amateurmusikszene unterkommen. Dazu zählen der Blasmusikverband Baden-Württemberg, der Landesmusikverband, die Stiftung Singen mit Kindern sowie der Chorverband Karl Pfaff. „Wenn wir geschlossen auftreten“, so Dreiling, „erhöht das natürlich auch unsere Chance, von der Politik wahrgenommen zu werden. Fangen wir an zu erklären: Es gibt den Schwäbischen und den Badischen Chorverband und den Baden-Württembergischen Sängerbund gibt es auch noch, erntet man von der Politik eher ein mildes Lächeln.“
Auch Monika Brocks, Geschäftsführerin des SCV, erhofft sich von der räumlichen Veränderung eine Vielzahl neuer Perspektiven. Wenngleich ihr der Umzug nicht ganz leicht fällt. „Für mich ist schon schwierig, Stuttgart zu verlassen, weil ein Verband wie der SCV in der Landeshauptstadt gut aufgehoben ist. Allerdings gibt es auch viele neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit durch diesen Umzug, auf die ich mich sehr freue.“ Es geht eben beim Umzug in das Musikzentrum Baden-Württemberg vor allem darum, Synergien zwischen den Verbänden der Amateurmusik zu schaffen und zu nutzen. „Beispielsweise überlegen wir mit dem Blasmusikverband Baden-Würtemberg, wie wir gemeinsame Projekte oder Seminare anbieten können“, so Brocks. Angebote rund um die Vereinsarbeit ließen sich gut zusammenführen. „Immerhin sind die Aufgaben, Herausforderungen und Probleme in diesem Bereich für fast alle Amateurmusikverbände sehr ähnlich.“ Monika Brocks wünscht sich zudem einen regen fachlichen Austausch untereinander. Den vermisst sie am aktuellen Standort im SpOrt Stuttgart. „Während unserer Zeit hier gab es einfach kaum die Möglichkeit, sich kennenzulernen.“ Das soll sich nun ändern. „Allein schon durch die Tatsache, dass wir thematisch enger miteinander verbunden sind durch die Musik, bin ich da optimistisch. Es ist so wichtig, dass Leute anfangen, zusammenzuarbeiten, Konzerte gemeinsam zu organisieren, Events zu gestalten. Denn das Publikum ist sehr anspruchsvoll geworden, deshalb müssen wir neue Wege gehen und unsere Kräfte bündeln.“
Aufbau einer Chorakademie
Derzeit arbeitet der Schwäbische Chorverband intensiv daran, eine ganz konkrete Vision der Zusammenarbeit Realität werden zu lassen. „Anfangs war ich dem Musikzentrum gegenüber sehr skeptisch eingestellt“, sagt SCV-Musikdirektor Marcel Dreiling. „Ich hatte Angst, dass wir zwischen den Bläsern untergehen.“ Doch das neue Vorhaben seines Verbandes stimmt ihn zuversichtlich. „Ich freue mich sehr, dass wir eine Chorakademie Baden-Württemberg planen. Ich finde es richtig, große Brötchen zu backen und nicht kleine `Blinzle´.“ Mit der Chorakademie soll ein Kompetenzzentrum für Chormusik- und Vereinsexpertise entstehen. „Es gibt zwar eine Bundesakademie und Bläserakademien, aber eine Chorakademie gibt es noch nicht. Da schaffen wir etwas Neues.“ Ausbildungen, Weiterbildungen und die Möglichkeit, sich vom Verband beraten zu lassen sollen so an einem Ort gebündelt werden. „Beispielsweise bietet der SCV mit unserem Justiziar die Möglichkeit rechtlicher Beratung an“, erklärt Dreiling. „Ich finde es auch wichtig, dass unsere Kursteilnehmer mal sehen, wie der Chorverband funktioniert, wo er arbeitet, wie die Schaltzentrale aussieht.“ Transparenz sei wichtig, um Nähe zu den Mitgliedern zu erzeugen. „So hat man zukünftig die Chance, auch mal die Personen hinter dem Verband zu erleben, die man vielleicht sonst nur aus Mails oder vom Telefon kennt. Der Chorverband ist die Servicezentrale für die einzelnen Chöre und Chorleiter. Es ist wichtig, dass die Mitglieder wissen: Ihr könnt euch immer melden, wenn es brennt – am besten rechtzeitig. Ich glaube, so kann die gesamte Kommunikation gestärkt werden.“
Große Vorfreude
Für Roman Kotschi markiert der Ortswechsel nach Plochingen eine Art Zukunftswende für den Schwäbischen Chorverband. „Es fühlt sich wie der Beginn einer neuen Zeit an. Im neuen Musikzentrum wird es einfach so tolle Möglichkeiten für Sänger und Musiker geben, räumlich, aber auch, um einander zu begegnen.“ Zentrale Aspekte und Stärken der Amateurmusikszene: Begegnung, Austausch, Miteinander, genau das suchen die Mitglieder in ihren Vereinen. Kotschi freut sich auf den riesigen Musiksaal: „In den passt sicher gut ein großes Orchester oder ein großer Chor rein.“ Zudem sei Plochingen ein toller Standort, gut angebunden an den ÖPNV, zentral im Bundesland gelegen und gut vernetzt. Mit dem Musikzentrum Baden-Württemberg entsteht eine neue Zentrale für die Amateurmusik in ganz Baden-Württemberg. Die Zusammenarbeit mit den bereits etablierten Akademien wie Ochsenhausen oder Trossingen wolle man dennoch pflegen, betont Marcel Dreiling. „Wir brauchen die fachliche Kompetenz dieser Akademien und wir müssen uns insgesamt miteinander vernetzen, das ist das Zauberwort. Wir brauchen ein großes Miteinander in der Szene mit verschiedenen kompetenten Zentren.“ Bisher steht nur der Rohbau des neuen Musikzentrums Baden-Württemberg. Der Innenausbau muss noch erfolgen. Doch schon jetzt ist das Musikzentrum gefüllt mit kreativen und zukunftsweisenden Ideen, die sowohl den Schwäbischen Chorverband als auch die Amateurmusikszene in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren maßgeblich prägen werden. „Ich kann mir schon vorstellen, wie es klingt“, erzählt Roman Kotschi rückblickend auf seine erste Besichtigung in Plochingen. „Ich habe gespürt, wie alles erfüllt von Musik ist, wie es atmet, wie es lebt.“