Der Schwäbische Chorverband bietet ab 2022 eine neue Ausbildung für Kinderchorleitung an.
Wir erleben und sprechen viel von gesellschaftlichen Veränderungen, die sich gravierend auf das Kultur-, Vereins- und Verbandsleben auswirken. Immer wieder wird kritisiert, dass es an Nachwuchs fehlt und dieser häufig nicht mehr das ist, „was er früher einmal war“. Stimmt das?
Die Chorjugend im Schwäbischen Chorverband setzt sich in vielfältiger Weise mit diesen und damit zusammenhängenden Themen auseinander. Dabei stößt sie regelmäßig auf Diskrepanzen, die sich an verschiedenen Punkten erkennen lassen:
- Vielerorts wird viel Wert auf eine professionelle Chorleitung im Erwachsenenbereich gelegt (Aus- und Weiterbildung), nicht aber eine gleichermaßen professionelle Leitung der Kinder- und Jugendchöre.
- In der Regel wird die Leitung von erwachsenen Ensembles ganz selbstverständlich adäquat honoriert, was im Kinder- und Jugendchorbereich meist eklatant anders aussieht.
- Die Vernetzung der Kinder- und Jugendchöre sowie unter ihren Leitungen ist selten bis kaum gegeben
- Kinder- und Jugendchöre werden gerne als schmückendes Beiwerk eines Vereins geführt, nicht aber als gleichwertiges Ensemble gegenüber anderen gesehen.
Sicherlich wäre es vermessen und falsch, dies zu pauschalisieren – Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Auch sind hier keine einfachen Gleichungen aufzustellen: studierte Leitung = gute Leitung und ehrenamtliche Leitung = schlechte Leitung. Die Praxis beweist häufig genau das Gegenteil. Doch ist die Spanne derer, die Kinderchöre leiten, und die ihrer Arbeitsqualität enorm. Und auch wenn es dieses Gefälle immer geben wird, hat es sich die Chorjugend im Schwäbischen Chorverband zur Aufgabe gemacht, dem entgegen zu wirken. Probleme und Missstände sollen direkt angesprochen und Lücken gefüllt werden. Konkret soll sich dies in ihren Angeboten widerspiegeln.
Die Leitung ist der Schlüssel!
Ein Baby kommt heute wie in allen Jahren zuvor als unschuldiges Wesen zur Welt. Es sucht sich diese nicht aus und hat bis dahin nichts dazu getan, dass sie so ist wie sie ist. Daher ist jedes Kind ein ungeschliffener Rohdiamant, der zum Glänzen gebracht werden kann – auch und vor allem in musikalischer Hinsicht, weil Musik so viele Lebensbereiche und Grundfertigkeiten verbindet und fördert.
In jedem Kind stecken unzählige Talente und Möglichkeiten, die geweckt werden wollen. Die Verantwortung dafür tragen die Erwachsenen und damit auch die Leitungen von Kinderchören. Diese sieht der Vorstand der Chorjugend im SCV als Schlüssel für die Lösung vieler der angesprochenen Probleme und Ziele. Mit ihnen entscheidet sich nahezu alles, sodass mit der Kinderchorleiter-Ausbildung künftig dafür gesorgt werden soll, dass „gutes Personal“ aus- und weitergebildet wird.
Die vielseitige Arbeit mit Kindern erfüllt. Die Leistungsfähigkeit von Kindern und die Arbeit mit ihnen zu beurteilen ist eine Frage der Perspektive. Sie wirkt sehr beschränkt, wenn diese mit Ergebnissen professioneller (erwachsener) Arbeit verglichen wird.
Wirklich? Dies kann nur behauptet werden, wenn das Unwissen von den vielseitigen Ansprüchen in der Kinderchorleitung dominiert und/oder Kinder stetig durch Unterforderung dazu verdammt sind, unter ihren Potentialen und Möglichkeiten zu bleiben. Tatsächlich ist es doch anders: Kinder reagieren intuitiv auf alles, was vor und mit ihnen geschieht – diese Fähigkeit hat ihnen die Natur mit dem Leben ge-
schenkt. Schreit ein Kinderchor, liegt die Vermutung nahe, dass ihr regelmäßiges Vorbild dies von ihnen verlangt oder es für gut heißt. Sollten bei der Aufführung einschlägige Texthänger im gesamten Chor zu vernehmen sein, ist es wahrscheinlich, dass Defizite in der Vermittlung bei der Vorbereitung vorhanden sind. Kommt ein Großteil der Kinder regelmäßig verspätet in die Probe oder fluktuiert die Probenteilnahme stark, so sind organisatorische Rahmenbedingungen vermutlich anzupassen. Kinder sind ein unverhüllter Spiegel dessen, was ihnen in der Probe vorgelebt wird!
Positive Motivation im Kinderchor.
Vor allem jedoch sind Defizite der Leitung und der gegebenen Strukturen von Kinderchören dafür verantwortlich, ob die Motivation bei Kindern und deren Umfeld langfristig bestehen bleibt. Mehr noch: Sie entscheiden darüber, ob die Musik und das Singen fester Bestandteil ihres Lebens werden oder nicht. Gemeint sind damit die Begeisterung für schöne Klänge und deren Entstehung, das Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und die Möglichkeiten, diese zu erproben in einer wohlgesinnten Gemeinschaft sowie die Freude an dem, was zwischen Meinungen, Worten, Religionen, usw. liegt. Events, Spaß und Funacts sind dabei hilfreich, bilden jedoch nicht das Wesentliche dessen, worauf es im Chor ankommt. Im Kindesalter werden entscheidende Grundsteine gelegt!
An den eigenen Fähigkeiten arbeiten.
In der Kinderchorleiter-Ausbildung steht die Entwicklung der Teilnehmenden im Mittelpunkt, sodass sich ihre Fähigkeiten in einem bewussten und kontrollierten Handeln zunächst im eigenen und dann im Musizieren mit anderen äußern. Dazu gehören die eigene Stimme als positives Vorbild für Kinder (individuelle Stimmbildung), das am Probengebrauch orientierte Klavierspiel zur positiven und effektiven Unterstützung von Lernprozessen der „Rohdiamanten“ sowie ein inspirierendes und sängerisches Dirigat zur Entfaltung der „kleinen Talente“. Um in die Musik tief einzusteigen und ihre Wirkung und Struktur zu verstehen, wird mit Harmonielehre und Gehörbildung das theoretische Fundament gelegt.
Mit Musik für die Musik begeistern.
Die eigenen Fähigkeiten sowie die Begeisterung für das Singen zu vermitteln ist das eigentliche Ziel. Methodik, Didaktik, stimmphysiologisches Verständnis, pädagogische Grundkenntnisse und entwicklungspsychologisches Wissen, abgestimmt auf das Kindesalter, geben den Teilnehmenden einen bunten Werkzeugkoffer für die Praxis. Damit die Theorie zur gefüllten Praxis werden kann, sind in der Ausbildung unterschiedliche Formen der Hospitation fester Bestanteil, bei denen über Schultern geschaut und selbst Hand angelegt werden muss. Dabei profitieren die Teilnehmenden von den vielfältigen Erfahrungen der Dozent*innen und ihren Chören. Doch bevor es dazu kommt, werden Probenansätze, Einstudierungsideen und vielleicht das ein oder andere Experiment in und mit der Teilnehmergruppe erprobt – Spaß vorprogrammiert!
Kinderchorleitung ist ein weiter Kosmos.
Teil der Entwicklung zu sein und den Kindern beim Wachsen zuzusehen sowie dazu beizutragen, ist ein Geschenk in der Kinderchorarbeit. Damit dies gelingt und Verhältnis zwischen Leitung und Kinderchor nicht auf strenger Autorität beruht, sind zahlreiche Nebenschauplätze in den Blick zu nehmen: Bühnenpräsenz, Kommunikation, Moderation, rechtliche Spielräume, Literaturkunde, Organisation, Finanzierungen und Vieles mehr, das zum breiten „Drumherum“ dazugehört.
Der zeitliche Rahmen der Kinderchorleiter-Ausbildung.
Die Ausbildung zur/zum Kinderchorleiter*in wird mit dem neuen Schuljahr, im Herbst 2022 beginnen. Innerhalb eines Jahres treffen sich die Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen zu Arbeitstagen und -wochenenden. In den Zeiten dazwischen haben die Teilnehmenden externen wöchentlichen Klavierunterricht sowie Arbeitsmaterialien zur intensiven Vor- und Nachbereitung der Treffen. Detaillierte Termine, Fristen und Infos werden mit der Ausschreibung geliefert. Bei einer Info-Veranstaltung über Zoom können Interessierte im Vorfeld einen näheren Einblick erhalten und ihre Fragen individuell beantwortet bekommen.
Du bist die/der Richtige für diese Ausbildung!
Um am Ende der Ausbildung mit der eigenen Leistung und Entwicklung zufrieden sein zu können, benötigst du gewisse Vorkenntnisse. Bewusst möchten wir jedoch eine punktuelle Eignungsprüfung nicht dazu nutzen, um Interessent*innen zu beurteilen. Daher bietet ein gesamtes Aufnahmewochenende die Möglichkeit, einander kennenzulernen, die Eignung zu überprüfen und einen Eindruck von der Ausbildung zu bekommen. Das Niveau orientiert sich zu Beginn der Ausbildung an den Abschlussanforderungen der C2-Chorleitungs-Ausbildung, Mentoren oder D2-Prüfungen des Chorverbandes. Diese beinhalten theoretische Grundkenntnisse (z.B. Notenkenntnis, Dreiklangsbestimmung, einfaches Melodie- und Rhythmusdiktat, Intervallbestimmung) sowie Grundlagen im Musizieren (z.B. Grundlagen im Klavierspiel, bildungsfähige Stimme).
Mit der Kinderchorleiter-Ausbildung wird eine Lücke im Ausbildungsangebot des Schwäbischen Chorverbandes geschlossen und werden die vorhandenen Bereiche ergänzt. Daher richtet sich dieses Angebot insbesondere an Absolvent*innen der C2-, D2- und Mentoren-Ausbildung. Dennoch begrüßen wir auch alle anderen Interessierten ganz herzlich und freuen uns über großes Interesse.
Wir sind dankbar für die Unterstützung durch Chorleiter*innen, Chöre, Vorstände, Vereine und Regionalstrukturen unseres Schwäbischen Chorverbandes bei der Suche nach geeigneten und potentiellen Teilnehmenden. Gerne beantworten wir Fragen persönlich über unsere Geschäftsstelle.