Musikalische Bildung für pädagogische Fachkräfte
Online-Chorproben, Webinare, Zoom-Meetings, Livestreams… Seit gut einem Jahr sind auch Musiker und Pädagogen in einem nicht enden wollenden Sog aus zahlreichen Arbeitsstunden vor Laptop und Tablet gelandet. Der hohe Praxisanteil und der tägliche Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen, der musikalische und pädagogische Berufe ausmacht, musste in den meisten Fällen in die digitale Welt verlagert werden.
Seitdem gibt es kaum einen Chor, der noch kein Splitscreen-Video, kaum eine Gesangspädagogin, die noch keine Einsingübungen hochgeladen hat. Auch für den jungen musikalischen Nachwuchs findet man zahlreiche Videos. Die Facebook-Gruppe „Musikalische Früherziehung“ beispielsweise wird seither stetig mit neuen YouTube-Uploads unterschiedlichster Qualitäten gefüllt, die beim Zuschauer von Fremdschämen bis Begeisterung eine ganze Bandbreite an Reaktionen auslösen können.
Sich in diesem täglich wachsenden Video-Dschungel zu orientieren, kann schnell zu einer mühsamen und ineffektiven Angelegenheit werden. Wer neue Anregungen für die musikalische Arbeit mit Kindern sucht, ist vermutlich mit einer Online-Fortbildung eines größeren Anbieters wie einer Landesmusikakademie (www.musikakademien.de) oder einem Chorverband, wie zum Beispiel dem Schwäbischen Chorverband (www.s-chorverband.de), besser beraten, als sich von einem YouTube-Video zum nächsten zu klicken.
Eine neue und gute Weiterbildungsplattform
Relativ jung ist die Plattform „Edumusik – Akademie für frühkindliche musikalische Bildung“. 2018 von der Musikpädagogin Eva Biallas gegründet, dient sie der Unterstützung von Kitas, pädagogischen Fachkräften und Projekten im Hinblick auf das Thema „Musik in der Kita“. Gemeinsam mit vier weiteren Musikern bietet sie auf der Seite www.edumusik.com Seminare, Fortbildungen, Fachtage oder Beratung, zum Beispiel für den Aufbau eines Musikkindergartens, an. Zu diesen Präsenzangeboten ist kurz nach Beginn des ersten Corona-Lockdowns eine Neuerung hinzugekommen: Im März 2020 wurde auf dem Portal Edumusik der erste Online-Kurs veröffentlicht. Inzwischen findet man hier sechs verschiedene Fortbildungen für Kita-Fachkräfte, die entweder einzeln oder als Gesamtpaket gekauft werden können, wobei nach Buchung eines einzelnen Kurses der Zugriff für sechs Monate gewährleistet ist, während es sich bei der Buchung aller Kurse um ein Jahres-Abonnement mit mindestens drei Neuerscheinungen pro Jahr handelt.
Für Kitas, die Musik stärker in den Alltag integrieren möchten, bietet sich darüber hinaus der Erwerb einer Team-Lizenz an, die eine Buchung aller Fortbildungen für das gesamte Team beinhaltet. An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass sich der Besuch dieser Website nicht nur für Erzieher lohnt. Kinderchorleiter und Lehrkräfte für Eltern-Kind-Gruppen oder musikalische Früherziehung können hier viele neue Ideen und Lieder für ihre Arbeit kennenlernen.
Als äußerst positiv kann die Benutzerfreundlichkeit der Website verzeichnet werden. Alles ist sehr übersichtlich gestaltet und die Buchung erfolgt schnell und einfach. Und um eines auch gleich vorweg zu nehmen: das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt!
Wie funktioniert die Fortbildung?
Das Konzept einer Online-Fortbildung von Edumusik wird im Folgenden exemplarisch am Kurs „Spiel-und Bewegungslieder“ für Kinder von ein bis sechs Jahren dargestellt. Dieser besteht aus zehn Videos (je drei bis acht Minuten), wobei es sich bei dem ersten um eine Einführung handelt, in der die beiden Dozenten Eva Biallas und Christoph Studer über die zentralen Rollen von Singen, Bewegen und Spielen sprechen und deren Wechselwirkungen erklären. Nicht zu vergessen die Freude, die sie selbst
bei der Produktion der Videos hatten. Beim Anschauen wird diese Freude deutlich spürbar, sodass es leicht fällt die Bewegungen in den eigenen vier Wänden auszuprobieren. Dies liegt sicherlich auch an der authentischen, unaufdringlichen Art, die Biallas und Studer an den Tag legen. Ebenso weisen ihre Gesangstimmen einen natürlichen Klang auf, wenngleich an mancher Stelle erahnt werden kann, dass sie ursprünglich in einem anderen Fachbereich beheimatet sind.
Am Ende jedes Videos gelangt man, indem man es als vollständig markiert, mit einem Klick zum nächsten Video. Dadurch kann in der Videoübersicht auch visuell mitverfolgt werden, welche Filme schon angeschaut und wie viel Prozent der Fortbildung absolviert wurden. Am Ende der Videoreihe steht ein begleitendes E-Book zum Download bereit, in dem sich die Noten aller Lieder und nützliche Hinweise und Anregungen zur Umsetzung befinden. Bevor man eine Teilnahmebescheinigung erhält und der Kurs als 100 %-tig abgeschlossen gilt, steht ein Quiz aus zehn Fragen an, die sehr spezifische Kursinhalte überprüfen, zum Beispiel: „Mit welchem Wort endet das Lied xy?“ Wer sich nicht an alle Details erinnert, kann sich im Anschluss an den Test die eigenen Antworten sowie die Lösungen anschauen und ihn beliebig oft wiederholen.
Der Kurs „Spiel-und Bewegungslieder“ enthält neben den betitelten Liedern auch einen Tanz ohne Gesang und ein Lied bzw. einen Rhythmusvers zum Thema Zähneputzen. Letzterer ist eindeutig dem Bereich Kita-Alltag zuzuordnen, während sich die übrigen Inhalte auch gut als Warm-Ups oder kleine Lockerungen, beispielsweise innerhalb einer Chorprobe eignen. Ein weiteres Video zeigt außerdem einen Leitfaden, wie man mit Kindern ein Bewegungslied selbst erfinden kann. Erfahrungsgemäß haben solche Kreationen das Potential zum Rituallied, da es den Kindern besonders viel Freude bereitet etwas auszuführen, an dessen Entstehung sie selbst mitgewirkt haben.
Das „Rhythmische Bewegungsstück“ (für das im Dialog mit den Kindern sicher noch ein ansprechenderer Titel gefunden werden könnte) ist sogar Corona-tauglich, da es sich um ein reines Sprechstück handelt und alle Bewegungen am Platz ausgeführt werden können. Fortgeschrittene Kinder können es darüber hinaus als Kanon sprechen und tanzen. Im Tanzlied „Tanzen“ (auch hier könnte man über einen alternativen Titel nachdenken) kommen verschiedene Tempi zum Einsatz, die Strophen werden gesprochen, während der Refrain gesungen wird. Denkbar wäre, dass dieser ebenfalls gesprochen wird und somit eine „Corona-Version“ entsteht, die in verschiedenen Kontexten als Lockerungseinheit eingesetzt werden kann. Aktuell leider nicht umsetzbar ist ein indianisches Steinspiel, bei dem die Kinder im Kreis sitzen und einen Stein (oder ein anderer Gegenstand) beim Singen des zugehörigen Liedes rhythmisch im Kreis herumreichen. Aus drei verschiedenen Weitergabemustern kann man den Fähigkeiten der Kinder entsprechend auswählen. Die Variation, das Lied außerdem als Bewegungslied auszuführen, ermöglicht eine Liedgestaltung über mehrere Einheiten auf unterschiedliche Weisen – auch weil mit nur einem einzigen Begleitton oder aber durch simultanes Singen der ersten und der zweiten Zeile sehr einfach zur Zweistimmigkeit gelangt werden kann. Kritisch zu betrachten ist lediglich die tiefe Singlage, die mit einem Ambitus vom kleinen a bis zum zweigestrichenen c nicht der angestrebten Altersgruppe entspricht. Insgesamt zeugen die Ideen und Kompositionen der beiden Dozenten jedoch von einem großen Erfahrungshorizont und Einfallsreichtum. Ein gelungenes Projekt, das sich lohnt weiter verfolgt zu werden.