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Aus der Geschichte, Nachwuchsarbeit, SINGEN 2021-07-08

„Mit Leier und Schwert“ ins Jenseits – Zwei spektakuläre „Sängergräber“

R.V.
1. Juli 2021
Vor 175 Jahren wurde das erste alamannische „Sängergrab“ in Oberflacht (bei Tuttlingen) entdeckt, vor 20 Jahren ein ähnliches Grab in der Musikstadt Trossingen.

„Mit Leier und Schwert“ lautet der Titel einer Gedichtsammlung des Lyrikers Theodor Körner, der in den Befreiungskriegen 1813 als Angehöriger des Lützowschen Freikorps gefallen ist. Mit einer Leier in der einen und einem Schwert in der anderen Hand – so stellten sich die Deutschen seit der Romantik auch gern ihre altgermanischen Vorfahren vor. Es ist ein Idealbild, das wir auf vielen Zeugnissen der Sängerschaft wiederfinden, z. B. auf den ersten Preismedaillen des Schwäbischen Chorverbandes (Sängerbundes). In einer Beschreibung von 1851 heißt es, man sehe dort „als Hort des deutschen Gesangs einen altdeutschen Barden mit Harfe (Leier) in der Linken und dem Schwerte in der Rechten“.

Der „Sänger von Oberflacht“, Illustration zur Erstveröffentlichung von 1846
Die Leier aus dem 2001 entdeckten Trossinger Sängergrab, ca. 580 n. Chr.
Die Vorstellung vom germanischen „Barden“, der seinen Gesang mit einem Saiteninstrument begleitet, konnte sich bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum auf konkrete Überlieferungen stützen. Die Germanen und unter ihnen die Alamannen haben dazu keine Schriftzeugnisse hinterlassen. Es gibt nur sehr wenige Hinweise auf ihre Gesangskultur, und die stammen von römischen Autoren. Tacitus z. B. berichtet um 98 n. Chr., dass die „Barbaren“ die Taten von Göttern und von Menschen (z. B. von Arminius) in Heldenliedern besingen. Von Begleitinstrumenten ist da allerdings nie die Rede.
Ortswappen von Seitingen-Oberflacht mit Leier.
Der Hohenkarpfen in Sichtweite des Gräberfeldes von Seitingen-Oberflacht

Gesang als psychologisches Mittel

Ferner haben die Germanen – so Tacitus – den Gesang auch als psychologisches Mittel im Kampf eingesetzt, zu ihrer eigenen Ermutigung und zur Abschreckung des Gegners: „Sie haben aber auch noch solche Lieder, durch deren Anstimmen … sie ihren Mut entflammen; und außerdem sagen sie durch deren bloßen Klang den Ausgang des bevorstehenden Kampfes voraus.“

Die magere Überlieferungssituation ändert sich erstmals 1846, als in Oberflacht im Landkreis Tuttlingen ein alamannischer Friedhof aus dem 6. Jahrhundert Gegenstand archäologischer Untersuchungen wird. Die Grabbeigaben dort waren durch ein feuchtes, für die Konservierung von organischem Material günstiges Bodenmilieu hervorragend erhalten. Unter den vielen freigelegten Grabstätten war die
Nr. 31 die interessanteste; sie ist als das „Sängergrab von Oberflacht“ in die (Wissenschafts-) Geschichte eingegangen.

Mit Leier und Schwert auf Blüten gebettet

Die Ausgräber fanden in der hölzernen Grabkammer einen Sarg mit den Gebeinen eines um das Jahr 610 verstorbenen jüngeren Mannes. Er lag dort auf Laub und Blüten gebettet, in seiner rechten Armbeuge ein Langschwert und eine sechssaitige Leier, gefertigt aus Eiche und Ahorn. Diese und weitere schön gearbeitete Beigaben, die den Toten als Angehörigen der damaligen Oberschicht zu erkennen geben, lassen uns etwas von jener Lebensweise erahnen, der wir in den mittelalterlichen Heldenepen begegnen.

Der Fund von Oberflacht hat seinerzeit in der Fachwelt Aufmerksamkeit erregt, von der Sängerschaft ist er aber zunächst (merkwürdigerweise) nicht sonderlich beachtet worden. Das hat sich erst 1950 geändert, als in Oberflacht ein örtlicher „Sängervater“ einen Findling mit erklärender Bronzetafel als „Sängermahnmal“ stiftete. Es steht am einstigen Fundort des Grabes, umgeben von einem Hain, den der Oberflachter „MGV Alemannia“ angelegt hat.

Spektakulärer Fund aus Trossingen

Das Oberflachter Sängergrab sollte nicht das einzige seiner Art bleiben. Etwas mehr als anderthalb Jahrhunderte später, im Winter 2001/2002, wurde in der nur wenige Kilometer entfernten Musikstadt Trossingen ein weiteres Sängergrab geborgen, dessen Inhalt das vorige Beispiel noch übertreffen sollte. Es gehörte einem ca. vierzigjährigen Adligen (d. h. Anführer einer großen Sippe), der im Spätsommer des Jahres 580 n. Chr. gestorben ist. In der Grabkammer fand man neben gedrechselten Möbeln, fein gearbeitetem Hausrat, diversen Waffen und Reiterzubehör als spektakulärste Beigabe eine in allen Bestandteilen sehr gut erhaltene Leier. Das Instrument lag – wie in Oberflacht – zusammen mit einem Schwert im Bett des Toten.

Bei diesem Instrument, das sich heute im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz
befindet, sind die Details so gut erhalten, dass es ohne Probleme nachgebaut werden kann. Mehrere dieser Nachbildungen sind heute auch in Gebrauch. Zu den Besonderheiten dieses Instruments gehört auch die prächtige Dekoration in Form feinster Ritzverzierungen. Auf dem Resonanzdeckel erkennt man zwei aufeinander zuschreitende Gruppen von je sechs bewaffneten Männern. Auf der Rückseite ist der Resonanzkörper mit schlangenförmigen Flechtbandornamenten dekoriert.

Verräterische Gebrauchsspuren

Und ein letztes Detail des Instruments soll nicht unerwähnt bleiben: Seine erkennbare Abnutzung! Sie verrät uns: Die Leier war nicht nur Zierde und Statussymbol, sie ist tatsächlich bespielt worden. Es bleibt jetzt der eigenen Phantasie überlassen, wie der ritterliche Herr des Hauses einst mit dieser Leier vor seinen Zuhörern fremde und eigene Abenteuer besungen hat.

Die Alamannen sind schließlich im 7. und 8. Jahrhundert im emporstrebenden Fran-
kenreich aufgegangen. Sie übernahmen dessen Kultur und Religion, das Christentum. Damals wurden bei uns die ersten Klöster errichtet. Mit der Klosterkultur wiederum kamen neue Formen der Musik und der Literatur, und mit ihnen die ersten schriftlichen Überlieferungen von Gesängen in unserem Raum.

Das Museum von Seitingen-Oberflacht mit Alamannenfunden.
Gedenkstein an der Grabstelle, 1950 von einem Sänger gestiftet
Instrumental, Singen
„Mit Leier und Schwert“ ins Jenseits – Zwei spektakuläre „Sängergräber“
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