Über die Architektur des Musikzentrums.
Schon von Weitem ist die Silhouette des Musikzentrums zu erkennen: Die beiden hohen Gebäudeteile, der markante Innenhof, der geschwungene Torbogen, die helle Ziegelsteinfassade. Wo früher der Schrottplatz der Bahn war, steht heute ein architektonisch außergewöhnliches Gebäude, das Plochingens Stadtbild von der Bahn aus gesehen völlig neu prägt. Vom ersten Entwurf bis zum fertigen Gebäude war es allerdings ein langer Weg.
Im Rahmen des Architektenwettbewerbs für das Musikzentrum stellte das Büro LRO (Lederer, Ragnarsdóttir und Oei) im Jahr 2016 erstmalig ihren Entwurf für das Zentrum vor – und überzeugte: Das Modell wurde mit dem 1. Preis gekrönt und anschließend in die Planung und Umsetzung gebracht. Für Architektin Jórunn Ragnarsdóttir war die Aufgabenstellung im Rahmen des Wettbewerbs von Beginn an reizvoll: „Das Grundstück liegt an einem Bündel von Gleisen der Deutschen Bahn: hinten Lärm, vorne Musik – eine sehr spannende Aufgabenstellung.“ Lärm – das kommt nicht nur von der Deutschen Bahn: „Das Musikzentrum reiht sich in eine geräuschvolle oder eher klangvolle Kulisse ein: Neben dem Bahnhof befinden sich noch die Feuerwehr und der Rettungsdienst. Und dann das Musikzentrum. Auch das ist Lärm, doch im besten Sinne.“
Ein herausforderndes Gelände zwischen Gleisen und Industrie
Aus der besonderen Lage des Grundstücks ist auch die Idee für den Entwurf entstanden: „Unsere Grundidee ist durch die städtebaulichen Besonderheiten geprägt: Es war kein einfaches Grundstück entlang der Bahngleise. Die Stadt wünschte sich einen neuen Stadtraum und dafür gab es einen Bebauungsplan, der ganz klar vorsah, dass entlang der Gleise wie an einer Perlenkette Bauten aufgefädelt sein sollten. Wir haben uns diesem Bebauungsplan gefügt und versucht, den Rhythmus dieses Stadtraumes zu übernehmen, wohlwissend, dass wir die Atmosphäre treffen müssen.“ Diese Atmosphäre spiegelt sich vor allem in der Optik wider: „Man hatte früher an den Bahngleisen oft Werkstätten und Lagerhallen, die meistens aus Backstein oder Ziegelsteinen gebaut waren. Und genau diese Besonderheit des Ortes sollte sich im Erscheinungsbild des Musikzentrums widerspiegeln.“ Damit die Geräusche von außen – besonders von den Gleisen – nicht ins Innere des Zentrums dringen, sind viele der Räume, wie z.B. die Zimmer und der Große Saal, nicht zu den Gleisen ausgerichtet, sondern öffnen sich nach Süden und Norden. Dieses gezielte Einrichten abgeschlossener Innenräume soll vor allem auch die Behaglichkeit steigern.
Wohnen und arbeiten: Getrennte und doch verbundene Gebäude
Neben der markanten Außenfassade wird das Erscheinungsbild des Musikzentrums maßgeblich durch die Aufteilung der Baumasse in zwei Gebäudeteile geprägt. Jórunn Ragnarsdóttir erklärt, wie diese Aufteilung entstanden ist: „Wir haben uns bewusst für ein Haus entschieden, in dem gearbeitet wird – dort sind die Musikräume, die Büroräume sowie die Seminarräume. Im anderen Haus findet die Freizeit statt – dort befinden sich das Restaurant, die Bar sowie die Übernachtungszimmer. Man hört ja – vor allem bei jungen Leuten – immer wieder, wie wichtig die „Work-Life-Balance“ ist. Und das war der Gedanke: Wie kann man vor allem den jungen Leuten heute gerecht werden mit der Gebäudetypologie?“
Beide Häuser werden durch den Innenhof verbunden, der durch seinen runden Torbogen geprägt wird. Für Jórunn Ragnarsdóttir sind diese Details essenziell: „Die Eingangssituation mit dem weit gespannten Bogen ist ein Element, das aus der Baugeschichte bekannt ist, aber in den heutigen, modernen Städten gar nicht mehr so oft auftritt. Uns war es wichtig, dass jeder weiß, wenn er das Gebäude sieht: ‚Das ist meine Akademie‘.“
So wie der Torbogen die beiden Gebäude verbindet, verbinden sich Innen und Außen des Zentrums vor allem durch seine Mate-
rialien: Der großflächige Einsatz von Sichtbeton sowie der Klinker ist nicht nur bei der Außenfassade markant, sondern spiegelt sich auch im Inneren des Gebäudes wider. Neben der besonderen Optik fiel die Entscheidung für diese Materialen auch aufgrund ihrer Nachhaltigkeit: „Besonders Ziegelsteine sind sehr langlebige und damit nachhaltige Materialien,“ so Jórunn Ragnarsdóttir. Das Thema Nachhaltigkeit sei ihr beim Bau des Gebäudes ohnehin ein großes Anliegen gewesen. Das Gesamtkonzept des Architekturbüros aus dem Wettbewerbsverfahren wurde über den gesamten Zeitraum bis zur Eröffnung kaum verändert – lediglich im Innenteil der Akademie wurden Anpassungen vorgenommen, so wurde beispielsweise das Restaurant umgeplant. Für Architekt Marc Oei sei diese Entwicklung allerdings kein Nachteil: „Der Entwurf hat durch Planungseinflüsse nicht gelitten, sondern wurde kontinuierlich im Sinne der Nutzung verbessert.“
Kunststaatssekretärin Petra Olschowski beglückwünschte das Architekturbüro zu dem gelungenen Gebäude: „Von der anspruchsvollen Architektursprache geht ein Signal der Offenheit aus, das Ensemble lädt zu Begegnungen ein. Hier findet die Amateurmusik eine angemessene Heimat.“ Und auch der ehemalige Präsident des Blasmusikverbands, Rudolf Köberle, ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden: „Für uns waren die Planung und der Entwurf durch das Büro LRO ein absoluter Glücksfall.“