Dies hat sich grundlegend geändert. Maßgeblich dafür waren zum einen die wachsenden Aufgaben im Verein und die Aufgabenteilung. Viele Vereine wurden die Träger mehrerer Chöre, oder es kamen andere Sparten hinzu, die Aufgabenverteilung im Vorstand wurde größer. Schließlich: die zunehmende Professionalisierung der Vorstandsarbeit führte nicht selten zu einer Verkomplizierung der Satzungsregelungen oder deren Überfrachtung – mit der Folge, dass immer häufiger Satzungsänderungen zum Vereinsregister angemeldet werden mussten und insgesamt der bürokratische Aufwand im Verein wuchs. Schließlich: Datenschutz und Corona erhöhten den organisatorischen Aufwand weiter.
Dabei ist stets zu beachten, dass das „Gesetz“ des Vereins die Satzung ist, ergänzt durch Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Rechtsvorschriften. Die Geschäftsordnung dient der praktischen Umsetzung der Satzung im Vereinsleben; sie konkretisiert die Satzung für die praktische Arbeit des Vereins. Die Satzung ist – durch Eintragung in das Vereinsregister – öffentlich; die Geschäftsordnung gilt nur innerhalb des Vereins.
Wichtig in diesem Zusammenhang:
Die Satzung hat immer Vorrang. Eine Geschäftsordnung darf der Satzung nicht widersprechen; tut sie das, geht immer die Satzung vor.
Das macht es auch so schwierig, Mustergeschäftsordnungen vorzulegen: Man muss die jeweils individuelle Satzung eines Vereins kennen, um die Geschäftsordnung darauf abstimmen zu können.
Bisher ein Grund dafür, dass in den Jahren seit Januar 2008 (Beginn der Kolumne „kurz &bündig“) ein Geschäftsordnungsmuster noch in keinem Beitrag „kurz & bündig“ aufgetaucht ist und auch nicht in den Vertrags- und Ordnungsmustern auf der Website des Schwäbischen Chorverbandes.
Die Geschäftsordnung eines Vereins ist also immer eine individuelle Angelegenheit, ausgehend von den Bestimmungen der Satzung dieses Vereins.
Zum Zweiten: Der Regelungsbereich der Geschäftsordnung
Hier gibt es bei den Vereinen im Bereich des Schwäbischen Chorverbandes ganz verschiedene Konzepte und Vorstellungen, ganz bestimmte Bedürfnisse auch: Der eine Verein wünscht eine Geschäftsordnung zur Abwicklung der Mitgliederversammlungen, der andere Regeln für die Praxis der Vorstandssitzungen, der dritte eine Beitragsordnung, eine Ehrenordnung etc. Oder aber eine Ordnung, die alles oder verschiedene Ordnungen berücksichtigt.
Sie sehen: Ein allseits verbindliches und erschöpfend regelndes Geschäftsordnungsmuster kann es nicht geben.
Die Bedeutung einer Geschäftsordnung
Dabei kann der Geschäftsordnung eine immer größere Bedeutung zukommen, indem die Vereinssatzung (nur) noch die Mindest- und Sollinhalte enthält, die das BGB in §§ 57, 58 BGB fordert, und die nach den Bestimmungen der Abgabenordnung und anderer steuerlicher Vorschriften erforderlichen Mindestinhalte.
In diesem Zusammenhang ist auf die „Mustersatzung“ hinzuweisen, die im Anhang zu § 60 der Abgabenordnung (AO) abgedruckt ist. Sie enthält die steuerlichen Mindestanforderungen und die Positionen, die mindestens in einer Vereinssatzung geregelt sein müssen.
Alles andere könnte in der Satzung gestrichen und in eine Geschäftsordnung übernommen werden. Das gilt für eine Neugründung ebenso wie für die Änderung einer bestehenden Vereinssatzung.
Ein weiterer entscheidender Vorteil der Geschäftsordnung ist, dass sie nicht in ein Register eingetragen wird, insbesondere nicht ins Vereinsregister. Sie wird also auch nicht vom Registergericht geprüft. Auch dem Finanzamt ist die Geschäftsordnung nicht vorzulegen.
Alles Gründe, die für eine sorgfältige Erarbeitung einer Geschäftsordnung und Abstimmung auf die Vereinssatzung (zur Vermeidung von Widersprüchen) sprechen.
Module als Vorlage für individuelle Geschäftsordnungen
Diese Gegebenheiten veranlassen mich, nicht eine Mustergeschäftsordnung vorzulegen, sondern Bausteine, die in einer Geschäftsordnung enthalten sein können, und aus denen der jeweilige Vereinsvorstand die für seinen Verein passenden und notwendigen Bestandteile entnehmen kann.
In der Satzung soll, besser muss, geregelt sein, dass sich der Verein (oder der Vorstand, oder die Mitgliederversammlung) eine Geschäftsordnung gibt. Hinzugefügt werden sollte, dass die Geschäftsordnung nicht Bestandteil der Satzung ist.
Folgende Elemente können in eine „Mustersammlung“ für eine Geschäftsordnung aufgenommen werden:
- Versammlungsordnung (für die Mitgliederversammlung)
- Wahlordnung (soweit nicht Bestandteil der Versammlungsordnung oder der Satzung)
- Geschäftsordnung für den Vorstand
- Ehrenordnung
- Beitragsordnung
- Ordnungen für Abteilungen
- Ordnung für die Vereinsjugend
Eine Geschäftsordnung könnte also aus diesen – und anderen – Bausteinen bestehen. Der Geschäftsordnung könnte auch – je nach Zielsetzung – eine Präambel vorangestellt werden.
In der kommenden April-Ausgabe 2022 von „kurz & bündig“ werden Sie Formulierungsbausteine für eine auf Ihren Verein zugeschnittene Geschäftsordnung finden. Diese werden anschließend auch in der Formularsammlung des Schwäbischen Chorverbandes auf dessen Website abrufbar sein.
Der „Dreiklang“ der Ordnungen
Zum „Dreiklang“ der Ordnungen eines Vereins neben der Satzung und der Geschäftsordnung gehört der Geschäftsverteilungsplan, der nicht mit der Geschäftsordnung verwechselt werden darf. Der Geschäftsverteilungsplan regelt die Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstandes und muss bei jeder Änderung der Besetzung des Vorstandes nach Wahlen überprüft und ggf. angepasst werden. Auch dazu wird es demnächst eine Darstellung in „kurz & bündig“ geben.
Zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
Weiherstraße 6, 72213 Altensteig
Telefon: 07453 1677
Telefax: 07453 9554596
Email: kanzlei@rechtsanwalt-heieck.de
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.