Im Heft SINGEN 03.2022 habe ich das Thema „Geschäftsordnung im Verein“ aufgegriffen, weil ich immer wieder im Rahmen der Erstberatung nach Vorlagen und Mustern für eine Geschäftsordnung gefragt worden bin.
Ich darf also zunächst auf das verweisen, was ich im letzten Heft geschrieben habe. Am Ende meiner Kolumne habe ich „Module als Vorlage für individuelle Geschäftsordnungen“ angekündigt. Einige denkbare Module habe ich genannt. Heute nun versuche ich, die Ankündigung einzulösen, Formulierungsbausteine für Ihren Verein und eine mögliche Geschäftsordnung – oder mögliche Geschäftsordnungen – vorzulegen.
Dazu folgende Vorbemerkungen:
In der Kürze liegt die Würze. Eine Geschäftsordnung soll nur so umfangreich sein, wie sie für den jeweiligen Verein bzw. das jeweilige Organ sein muss. Es gibt Geschäftsordnungen, die sind sechzig Seiten stark und regeln das Geschäftsleben des Organs oder Vereins „bis in den letzten Winkel“. Dabei sind natürlich auch Geschäftsordnungen, die das Vereinsleben großer, überwiegend professionell tätiger Vereine oder Verbände (beispielsweise im Bereich der Diakonie) regeln und bei denen diese Ausführlichkeit deshalb erforderlich ist. Wir erinnern uns: Sinn und Zweck der Geschäftsordnung ist, die Satzung zu entlasten und die notwendigen, die Satzung ergänzenden Regelungen für das tägliche Vereinsleben zu schaffen, die auch ohne großen bürokratischen Aufwand vom jeweiligen Vereinsorgan oder von der Mitgliederversammlung geändert werden können, jedoch nicht – wie die Satzungsänderung – dem Vereinsregister zur Eintragung vorgelegt werden müssen.
Kürze und Würze: Eine Geschäftsordnung ist nur so gut, wie sie von den „Benutzern“ auch angenommen wird und angenommen werden kann. Damit sind die Stichworte „Unübersichtlichkeit“, „Überfrachtung“ und „Überflüssigkeit“ angesprochen. Eine Geschäftsordnung, die diese Kriterien „erfüllt“, wird im Leben eines Vereins keine sinnvolle Rolle spielen, weil sie nicht praktisch handhabbar, „brauchbar“ ist.
Ich will Ihnen heute die in der Praxis wichtigsten Arten von Geschäftsordnungen vorstellen. Dabei unterscheiden wir zwischen „internen“ und „externen“ Geschäftsordnungen. Intern ist eine Geschäftsordnung dann, wenn das Organ, welches sie aufstellt, auch der Verwender der Geschäftsordnung ist. Beispiel: Der Vorstand gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese gilt nur für die Vorstandsarbeit. Eine Mitwirkung oder Zustimmung eines anderen Organs ist grundsätzlich nicht erforderlich, es sei denn, die Satzung sieht dieses vor.
Demgegenüber die externe Geschäftsordnung: Beispiel: Die Mitgliederversammlung beschließt eine Geschäftsordnung für die Vereinsarbeit insgesamt. Diese gilt dann für alle Gremien innerhalb des Vereins. Ihre Anwendung ist also für andere Gremien als die Mitgliederversammlung verbindlich. Eine Sonderrolle spielen Ehrenordnung und Beitragsordnung. Sie werden von der Mitgliederversammlung verabschiedet und können in einer Vereins-Geschäftsordnung enthalten sein.
Bei mehrgliedrigen Vereinen können Abteilungsordnungen sowohl von der Mitgliederversammlung als auch von der Abteilung selbst (mit Wirkung nur für diese) verabschiedet werden. Ähnliches gilt für eine etwa vorhandene Vereinsjugend. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit beschränke ich meine Darstellung der Muster auf eine Geschäftsordnung für den Vorstand und eine solche für den Verein. Auf die Darstellung einer Beitragsordnung, Ehrenordnung und einer Ordnung für eine Vereinsabteilung oder die Vereinsjugend wird aus Gründen des Umfangs meiner Darstellung verzichtet.
Muster einer Geschäftsordnung
Zur Erinnerung: Die Geschäftsordnung ergänzt die Satzung und füllt diese aus. Sie darf keine Widersprüche im Verhältnis zur Satzung enthalten.
Hinweis: Die männliche Verwendungsform gilt grundsätzlich auch für die weibliche.
§1 Gegenstand der Geschäftsordnung, Geltungsbereich. Die nachstehende Geschäftsordnung gilt für die Durchführung von Versammlungen des Vereins (Mitgliederversammlung, Vorstandssitzung) der Vereinsorgane und – soweit vorhanden – dessen Abteilungen.
§2 Öffentlichkeit: Alle Versammlungen des Vereins sind nicht öffentlich. Die Öffentlichkeit kann auf entsprechenden Antrag vom Versammlungsleiter zugelassen werden, wenn die Mitgliederversammlung mehrheitlich zustimmt. Gäste haben kein Stimmrecht.
§3 Beschlussfähigkeit: Die Beschlussfähigkeit ist ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienen Mitglieder gegeben, wenn zur Versammlung ordnungsgemäß eingeladen wurde. Sieht die Satzung eine Mindestzahl an anwesenden Vereinsmitgliedern vor, kann bei Nichterreichen des Quorums eine zweite Mitgliederversammlung ohne Erfordernis und Erreichung des Quorums einberufen werden, wenn die Satzung dies zulässt und in der Einladung hierauf hingewiesen wurde.
§4 Einberufung der Versammlung:
(a) Für die Mitgliederversammlung sind die Einberufungsformalien in der Satzung geregelt.
(b) Zu den Vorstandssitzungen lädt der Vorsitzende, im Fall dessen Verhinderung sein Stellvertreter, schriftlich ein. Die Einladung per Email erfüllt das Schriftformerfordernis. In dringenden Fällen kann die Einberufung auch telefonisch erfolgen, wenn alle Vorstandsmitglieder dem zustimmen.
§5 Leitung der Versammlung, Protokoll, Wahlen etc.
Mitgliederversammlung: Die Mitgliederversammlung wird vom Vorsitzenden des Vereins eröffnet, geleitet und beendet. Im Fall seiner Verhinderung ist hierfür sein Stellvertreter zuständig. Auf Antrag kann die Mitgliederversammlung aus ihrer Mitte einen Versammlungsleiter wählen. Sein Amt endet mit Abschluss der Versammlung. Der Versammlungsleiter kann Gäste zur Versammlung zulassen, wenn die Mitgliederversammlung zustimmt, das Wort erteilen und entziehen, einzelne Personen aus der Versammlung ausschließen und sonstige sitzungspolizeiliche Maßnahmen treffen.
Zu Beginn der Versammlung prüft der Versammlungsleiter, ob die Versammlung ordnungsgemäß einberufen wurde, veranlasst die Führung einer Anwesenheitsliste und prüft die Stimmberechtigung. Er gibt die vom Vorstand beschlossene Tagesordnung bekannt und stellt etwaige Ergänzungen oder Einsprüche zur Abstimmung durch die Versammlung.
Er weicht von der in der Einladung angekündigten Tagesordnung ab, wenn die Mehrheit der anwesenden Mitglieder dies wünscht. Der Versammlungsleiter bestimmt einen Protokollführer, veranlasst die Erstellung einer Teilnehmerliste, die Führung einer Rednerliste und deren Abarbeitung.
Antrag zur Geschäftsordnung: Die Rednerliste wird grundsätzlich in der Reihenfolge des Eingangs abgearbeitet. Wird ein Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, ist über diesen abzustimmen, wenn der Antragsteller und ein Gegenredner angehört wurden. Der Versammlungsleiter kann auch außerhalb der Rednerliste jederzeit das Wort ergreifen und laufende Redebeiträge unterbrechen.
Anträge an die Mitgliederversammlung werden nach den Bestimmungen der Satzung gestellt und behandelt. Anträge auf Satzungsänderung dürfen nur behandelt werden, wenn der Antrag in der Einladung genannt und der Gegenstand der Satzungsänderung mitgeteilt worden ist. Dies gilt nicht, wenn im Rahmen einer in der Einladung angekündigten Satzungsänderungsdiskussion Anträge zur Satzungsänderung gestellt werden, die nicht schriftlich angekündigt worden sind.
Antrag auf Schluss der Debatte oder Begrenzung der Redezeit: Über einen solchen Antrag ist unverzüglich nach Beendigung des laufenden Debattenbeitrages abzustimmen.
Regelungen zur Abstimmung: Die Abstimmung über einen gestellten Antrag erfolgt nach Abschluss der Rednerliste. Stehen mehrere Anträge zur Abstimmung, stellt der Versammlungsleiter die Reihenfolge der zur Abstimmung stehenden Anträge fest. Über den am weitesten gehenden Antrag wird zuerst abgestimmt. Welcher das ist, stellt der Versammlungsleiter fest und führt ggf. eine Abstimmung der Versammlung herbei. Die Abstimmungen werden in der Regel offen durchgeführt. Wird Antrag auf geheime Abstimmung von 10% der Teilnehmer gestellt, entscheidet die Versammlung mit einfacher Mehrheit. Eine geheime Abstimmung kann durch den Versammlungsleiter angeordnet werden.
Die Entscheidung erfolgt in der Regel mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Für Satzungsänderungen, Änderungen des Vereinszwecks und Entscheidung über die Auflösung des Vereins entscheidet die in der Satzung festgelegte Stimmenmehrheit. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen werden nicht mitgezählt. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt.
Wahlen: Die Durchführung von Wahlen ist bei der Einladung zur Versammlung anzukündigen. Es soll mitgeteilt werden, welche Vorstandsämter zur Wahl stehen und ob der Amtsinhaber erneut kandidiert.
Wahlen sind grundsätzlich geheim durchzuführen. Steht für ein Amt nur ein Kandidat zur Verfügung, wird die Wahl offen durchgeführt, es sei denn, der Kandidat oder 10% der Teilnehmer beantragen geheime Abstimmung. Die Versammlung kann auf Antrag einen Wahlausschuss bestellen, der aus drei Mitgliedern besteht und den Wahlvorgang durchführt. Er leitet die Versammlung bis zum Abschluss des Wahlvorgangs. Er prüft vor dem Wahlvorgang, ob in der Person der/des Kandidaten die Anforderungen der Satzung erfüllt sind, und gibt das Ergebnis bekannt.
Die Wahl eines abwesenden Kandidaten ist zulässig, wenn auch in seiner Person die satzungsmäßigen Voraussetzungen vorliegen und dieser für den Fall seiner Wahl deren Annahme schriftlich erklärt und diese Erklärung dem Wahlleiter vorliegt.
Die Wirksamkeit der Wahl setzt die Erklärung der Kandidaten nach dem Wahlvorgang voraus, ob sie das Amt annehmen. Über den Wahlvorgang erstellt der Wahlausschuss ein Protokoll, das zum Protokoll der Versammlung genommen wird.
Das Protokoll der Versammlung ist vom Sitzungsleiter und vom Protokollführer zu unterzeichnen und dem Vorstand vorzulegen. Jedes Vereinsmitglied kann auf Antrag Einsicht in das Protokoll bei einem Vorstandsmitglied nehmen.
§6 Die Geschäftsordnung:
Diese Geschäftsordnung wurde bei der Mitgliederversammlung am … in … beschlossen. Sie tritt sofort in Kraft.
Rechtsanwalt Christian Heieck
Weiherstraße 6, 72213 Altensteig
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.