Fahren und Singen – nicht erst seit den Fischer-Chören ein Begriff
Schon bald nach der Erfindung von Rad und Wagen dürften Reisende das Fahren und das Singen zu einer Einheit verknüpft haben. Und für Sängervereine ist der jährliche Busausflug seit 100 Jahren ein nicht mehr wegzudenkendes Must-have.
Eigentlich ist das Thema Fahren und Singen ein ziemlich weites, also kaum mit ein paar Zeilen abzuhandeln. In der heutigen Popkultur z. B. sind schnelle Autos und das Erleben des Geschwindigkeitsrauschs beim Fahren beliebte Themen. Es gibt in der Popmusik viele Geschichten von Roadtrips, die ein starkes Gefühl von Freiheit vermitteln, und zahllose Songs über Erlebnisse mit dem eigenen Wagen. Man denke nur an den netten aber belanglosen Schlager „Mein Auto kann schön singen“ von Johannes Heesters (1949), an das kuriose Liebeslied „I´m In Love With My Car“ der Rockband Queen (1975), oder an den konsumkritischen A-cappella-Song „Mercedes Benz“, den die ehemalige Kirchenchorsängerin Janis Joplin 1970 in die Geschichte der Popmusik eingebrannt hat:
„Oh Lord, won‘t you buy me
A Mercedes Benz
My friends all drive Porsches
I must make amends“
Und wie eingangs schon angedeutet, ist auch das Singen während des Fahrens ein recht weites Thema. Ganz aktuell in den Online-Medien: das Sketchformat „Carpool Karaoke“, das in den USA große Erfolge feiert. Der Moderator James Corden am Steuer fährt mit wechselnden Stars durch die Gegend; dabei plauscht man über Gott und die Welt und trällert zusammen bekannte Songs zur Musik aus dem Autoradio. (Überhaupt wird seit einiger Zeit das enthemmte Drauflossingen im Auto als gesundheitsfördernde Therapie empfohlen. – Bitte: Fenster geschlossen!)
Singende Heerscharen auf Straßen der Lieder
Die Verbindung von Singen und Fahren hat bei uns in Deutschland allerdings schon vor drei Jahrzehnten ein anderes Musik- und Mediengenie zu einem erfolgreichen Medienspektakel gemacht: Gotthilf Fischer (1928-2020), der „Herr der singenden Heerscharen“. Unvergessen seine zwischen 1995 und 2008 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlte „Straße der Lieder“, deren Markenzeichen ein gefälliger SETRA-Reisebus war. Mit diesem Oldtimer Baujahr 1960 fuhren der „König der Chöre“ und sein eigener Fischer-Chor durch ein ausgewähltes Gebiet, wobei während der Fahrt und an den schönsten Plätzen der Route Volkslieder, Schlager und populäre Klassik zum Besten gegeben wurden. Wem fällt da nicht sofort der musikalische Knüller unter den traditionellen deutschen Fahrtenliedern ein:
„Hoch auf dem gelben Wagen
Sitz ich beim Schwager vorn.
Vorwärts die Rosse traben,
Lustig schmettert das Horn“
Der Liedtext von Rudolf Baumbach, 1878 unter dem Titel „Der Wagen rollt“ publiziert, nimmt das Fahren (damals natürlich noch mit der Postkutsche) als Sinnbild für das unaufhaltsame Verrauschen des Lebens. Mit der Melodie von Heinz Höhne ist das Werk 1922 in Druck gegangen und mit kleinen Abänderungen rasch zum Volkslied geworden. (1973 hat es sogar der damalige Außenminister Walter Scheel im Fernsehen gesungen.)
Eine Busfahrt die ist lustig – Vom Pferdebus zur Motorkutsche
Doch noch einmal kurz zurück zum Thema Sänger und Reisebusse. Auch diese beiden haben schon lange vor Gotthilf Fischer zusammengefunden! Bereits eine Postkarte um 1900 zeigt uns die Dresdener „Junghähnel-Sänger“ in einem so genannten Pferdebus des Robert Schieberlein. Solche Beförderungsmittel mit Pferden sind schon für das Jahr 1662 in Frankreich belegt. Ihr Name wird vom lateinischen „Omnibus“ („für alle“) hergeleitet, spätere Kurzform: Bus.
Der Durchbruch zum modernen Busreiseverkehr ist aber erst mit dem von Carl Benz gebauten, achtsitzigen „Kraftomnibus“ gekommen; er wurde 1895 in Betrieb genommen und erreichte mit einem Fünf-PS-Motor eine Geschwindigkeit von 20 km/h. Ab jetzt nahm die Entwicklung des Motorbuswesens einen zügigen Verlauf. Schon in den 1920er Jahren gehörte für viele Sänger der jährliche Bus-Ausflug mit zu den festen gesellschaftlichen Vergnügungen im Vereinsleben, wie uns alte Fotos zeigen. Auf einer dieser Aufnahmen sehen wir einen Bus der Marke Magirus mit der Aufschrift „Sängerfahrt“, auf einer anderen den Busausflug der Sänger des „Geselligen Vereins 1848“ im Jahr 1931. (Und zur Not wurde manchmal auch die Ladefläche eines LKW für einen Personentransport a la Bus umgerüstet, so z.B. für die Reise eines Chors zum Sängerfest in Steinweiler 1931).
Ein Gerippe als Fuhrmann – aber der Wagen rollt
Zum Schluss noch eine kleine Erinnerung: Als die oben genannte (leidenschaftliche Porsche-Fahrerin) Janis Joplin am 1. Oktober 1970 ihren „Mercedes Benz“-Song im Studio aufnahm, hätte sie auch gleich die vierte, kaum mal gesungene Strophe von Braunbachs Lied „Der Wagen rollt“ dazu nehmen können. Es sollte nämlich ihr letzter Aufnahmetermin sein; drei Tage später hat eine Überdosis Heroin die erst 27-jährige für immer von der Straße der Lieder und des Lebens geholt:
„Sitzt einmal ein Gerippe
Hoch auf dem Wagen vorn,
Trägt statt Peitsche die Hoppe,
Stundenglas statt Horn-
Ruf’ ich „Ade ihr Lieben,
Die ihr noch bleiben wollt;
Gern wär’ ich selbst noch geblieben,
Aber der Wagen rollt.“