Umstrukturierung der Regionalchorverbände
Beim Chorverbandstag wird es ein zentrales Thema sein: Die Umstrukturierung der Regionalchorverbände innerhalb des Schwäbischen Chorverbandes. „Ich habe mich gar nicht getraut, ganz neue Strukturen zu schaffen und wollte eigentlich nur eine Initiative starten, dass sich die kleinen RCVs zusammenschließen“, erzählt der Präsident des Schwäbischen Chorverbandes im Gespräch mit der SINGEN, „aber dann kamen die ersten plötzlich und haben gesagt: ‚Wenn wir es machen, dann machen wir es richtig!‘ Corona hat der Umsetzung dazwischengefunkt, inzwischen aber wird vielerorts aus der Theorie konkrete Praxis. Die SINGEN hat Jörg Schmidt gefragt, was hinter den Überlegungen steckt, was sich durch die Reform ändern soll und wie es weitergeht.
Welches sind die zentralen Aspekte der Neustrukturierung?
Das eine ist der räumliche Zuschnitt unserer regionalen Chorverbände. Wir hatten bis vor kurzem noch 24. Es geht darum, die Zahl zu reduzieren, den Zuschnitt zu verändern und die Größen gleichmäßiger zu machen. Das andere ist die Frage der Standards – das darf man nicht unabhängig voneinander sehen.
Weshalb sind diese Reformen notwendig?
Wir brauchen die Mittelebene der RCVs – das ist kein Thema –, denn das Verbandsgebiet des SCV ist zu groß, als dass wir alles aus Plochingen steuern, regeln und unterstützen könnten. Aber die Zuschnitte unserer RCVs sind sehr unterschiedlich. Wir als SCV haben keinen Selbstzweck, sondern sind als Dienstleister dafür da, die Arbeit der Vereine zu erleichtern. Und da haben wir gemerkt, dass bei unseren 24 regionalen Chorverbänden große Unterschiede bestehen. Es gibt manche, die sind sehr groß und haben eine hauptamtliche Geschäftsstelle oder zumindest jemanden, der sich regelmäßig kümmert, und dann gibt es welche, die sehr klein sind und wo es der bzw. die erste Vorsitzende mehr oder weniger alleine macht.
Ausgangspunkt war das Unbehagen, dass die kleinen Chorverbände ihre Positionen nicht immer besetzt bekommen haben. Bei der Geschäftsstelle in Plochingen gehen aus manchen Ecken des Verbandsgebietes gar keine Anrufe ein und aus anderen Ecken kommt ständig etwas. Das ist ein Zeichen für eine unterschiedliche Leistungskraft der regionalen Chorverbände. Und für unsere Vereine kann es nicht sein, dass die Unterstützung unterschiedlich ist, je nachdem, wo sie mit ihrem Chor zufällig sitzen. Da brauchen wir eine gewisse Einheitlichkeit und Leistungsfähigkeit. Und da haben wir gesagt: ‚Da müssen wir ran‘. Die Überlegung war zunächst, kleine RCVs zusammenzulegen.
Also eine klassische Fusion.
Dass das aber nicht zielführend ist, zeigt sich mit Blick auf die räumliche und politische Struktur: Die ersten regionalen Chorverbände gab es Ende des 19. Jahrhunderts, aber erst seit 1921 sind sie eine verpflichtende Zwischenebene. Wir haben uns damals schon nicht an den bestehenden politischen Grenzen orientiert und weder die Gründung des Landes Baden-Württemberg mitgemacht noch die Gemeindereform in den 1970er Jahren, als es Neuzuschnitte der Landkreise gab. Der CV Heilbronn zum Beispiel umfasst die Stadt Heilbronn, die nicht zum Landkreis gehört, und einen Teil des Landkreises. Im Heilbronner Landkreis gibt es aber noch den Zabergäu-Sängerbund und im badischen Teil des Landkreises ist der Badische Chorverband unterwegs. Wenn man dann sagt: ‚Wir brauchen den Kreis, den Landrat zur Unterstützung‘, kommt die Antwort: ‚Wenn ich euch was gebe, muss ich allen anderen auch was geben.‘ Konkret war das beispielsweise in Friedrichshafen der Fall: Der Bodenseekreis ist der alte württembergische Kreis Friedrichshafen und der alte badische Kreis Überlingen. Seit der Kreisreform ist das ein gemischter Kreis aus Baden und Württemberg, genauso wie der Enzkreis auch. Das bedeutet: In Überlingen ist der BCV zuständig und in Friedrichshafen sind wir das. Nächste Frage war: Ein Landkreis gleich ein regionaler Chorverband? Das wäre aber zu kleinräumig gewesen und so war die Überlegung vielmehr: ‚Wer passt zusammen?‘ Soweit sind wir aktuell unterwegs. Die regionalen Chorverbände, die sich bisher neu orientiert haben, orientieren sich an den Landkreisgrenzen.
Sind das auch Schlüsse, die man aus Coronazeiten gezogen hat, als sich mancher Chorverband in mehreren Landkreisen verteilt hat und je nachdem, wo die Veranstaltung stattfinden sollte, unterschiedliche Regelungen gegolten haben?
Wir haben uns mit der ganzen Diskussion auf den Weg gemacht, lange bevor Corona kam. Aber dieser Aspekt kam natürlich noch dazu.
Wer profitiert dann am meisten von der Neustrukturierung?
Es soll eine Win-Win-Win-Situation sein. Die Vereine sollen klare Strukturen und Ansprechpartner haben, mit geschaffenen Standards wie einer Geschäftsstelle, die erreichbar ist und sich zeitnah zurückmeldet, und auch hinsichtlich einer Förderung der Jugendarbeit. Ich denke, mit der Reform können wir besser Gas geben und auch die Politik stärker in die Pflicht nehmen. Wir können ewig weiterwurschteln und alles dem Zufall überlassen oder wir schaffen Strukturen.
Gibt es Vereine oder Verbände, die einen Nachteil aus der Umstrukturierung zu befürchten haben?
Es gibt Sorgen und deshalb machen auch nicht alle mit, wie zum Beispiel der CV Hohenloher Gau. Manche sorgen sich, dass bestehender Zusammenhalt auseinander gerissen wird und möchten das erhalten, wo es einfach schön und kuschelig ist und man sich kennt. Der CV Donau-Bussen auf der Alb hat sich bereits aufgelöst und seine Chöre an die umliegenden RCVs abgegeben.
Nicht mitzumachen bedeutet dann konkret?
Dann gibt es keine Neustrukturierung in der Ecke. Niemand wird gezwungen, mitzumachen. Sie sollen dann aber später nicht kommen und sagen: ‚Wir kriegen unsere Vorstandspositionen nicht besetzt.‘
Die Neustrukturierung ist also keine beschlossene Sache, die übergestülpt wird – es gibt immer die Möglichkeit, Nein zu sagen?
Es sind alles selbstständige Vereine, größtenteils eingetragene, weshalb wir vom SCV das gar nicht entscheiden können. Ich habe versucht, an die Einsicht in die Notwendigkeit der Reform zu appellieren.
Von der Gesamtaktion aber wird es keinen Rückzieher mehr geben?
Nach der Absicherung über das Präsidium gab es immer wieder mehr oder weniger einstimmige Mehrheiten bei den Mitgliederversammlungen für diesen Weg. Auch in Runden mit den Vertretern der RCVs wurde das mehrfach besprochen. Der SCV hat einen Vorschlag ausgearbeitet und dort vorgestellt. Die meisten war einverstanden, andere haben Gegenvorschläge gemacht. Wir hatten beispielsweise vor, Freudenstadt und Calw mit Rottweil zu verbinden, wohingegen die RCVs für einen Zusammenschluss mit dem RCV Enz waren, weil die eigenen Kontakte viel enger in Richtung Pforzheim gehen. Und dann haben wir gesagt: ‚Okay, wenn ihr das richtig findet – dann macht das!‘
Wann wird mit konkreten Maßnahmen begonnen?
Das läuft bereits. Nächstes Jahr haben wir Jubiläum und unser Ziel war, bis dahin fertig zu sein. Das werden wir nicht schaffen, aber wir sind gut unterwegs. Kürzlich war ich im Zabergäu, die noch dieses Jahr mit Heilbronn zusammengehen werden. Donau-Bussen hat sich bereits aufgelöst, demnächst steht die Gründung RCV Nordschwarzwald an, auch im Raum Leonberg/Böblingen tut sich was.
Ändert sich für Erika Musterfrau etwas, die einmal wöchentlich zur Chorprobe geht?
Nein. Für eine Dame, die in einem Liederkranz im ersten Sopran singt, ändert sich nichts. Für sie ist ihr Chorleiter oder ihre Chorleiterin bzw. der Vorstand Ansprechpartner oder die Stimmführerin im Sopran, aber sie hat mit dem regionalen Chorverband kaum etwas zu tun. Sofern man zu einer Mitgliederversammlung fährt, kann es eben nun sein, dass man woanders hin fährt. Und es kann sein, dass sich die Höhe der Mitgliederbeiträge verändert, die von den RCVs selbst festgelegt werden.
Fazit: Großer Nutzen ist also, für jeden Einzelnen mehr anbieten zu können und mehr Schlagkraft zu entwickeln, weil die Personalstärke größer ist.
Genau. Es geht darum, ‚vor die Welle zu kommen‘ – also keiner Situation hinterherzuhechten, sich nicht überrollen zu lassen, sondern nach vorne zu steuern. Ich will nicht warten, bis bei regionalen Chorverbänden Positionen nicht mehr besetzt werden können. Wir müssen schauen, wie wir uns aufstellen. Wenn wir schlagkräftiger und größer sind, ist es leichter und macht vielleicht auch mehr Spaß. Das Ehrenamt soll ja Freude bereiten!
Lieber Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.