Briefmarken mit Chormotiven: kleine Kunstwerke für singende Philathelist:innen
Im Dezemberheft 2022 erschien hier ein Artikel über das „Christmas Carol Singing“. Von diesem in Großbritannien und im Commonwealth gepflegten Brauch zeugen zahlreiche „stamps“ mit Bildmotiven von „singing choirs“.
Die Weihnachtszeit und das öffentliche und private Musizieren gehören seit jeher eng zusammen. Selbst die Engel im Himmel jubilieren ja dann bekanntlich in höchsten Tönen, wie uns alte Kirchenlieder belehren: „Vom Himmel hoch, o Engel, kommt! / Eia, eia, susani, susani, susani. / Kommt, singt und klingt, kommt, pfeift und trombt! / Alleluja, alleluja!“ Kein Wunder also, dass singende Gruppen gerade an Weihnachten weltweit ein beliebtes Bildmotiv sind, auch auf den kleinen Postwertzeichen mit ihren gezackten Rändchen.
Briefmarken mit Musikmotiven und speziell mit Motiven zur Chormusik sind allerdings nicht auf das Christfest beschränkt, man findet sie vielmehr zu den unterschiedlichsten Anlässen herausgegeben. Solche Anlässe sind z.B. Sängerfeste, Jubiläen von Chorverbänden und bedeutenden Chören, aber auch Gedenkausgaben für Chorkomponisten und Chorleiter.
Erst bescheidene Anfänge, doch dann geht die Post ab
Die ersten Briefmarken überhaupt sind bekanntlich 1840 in England entstanden. Auf deutschem Boden war die erste Marke 1849 der „Schwarze Einser“ in Bayern. So simpel wie der Name dieser Marke war auch ihr schwarzes Bildmotiv: Die Ziffer 1 (Kreutzer) mit der Angabe „Bayern“. Es hat dann rund einhundert Jahre gedauert, bis die anfänglich ziemlich beschränkte Bildwelt unserer Briefmarken buchstäblich explodiert ist. Die meisten Marken zum Thema „Musik“ stammen erst aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Das verdanken wir den damals aufkommenden „Sonderpostwertzeichen“ (Sondermarken). Es waren Kunstwerke im Miniaturformat, die sich damals im Postwesen fest etablieren konnten.
Die erste anlässlich eines Verbandsjubiläums entstandene Sondermarke kam zum 100-jährigen Jubiläum des Deutschen Sängerbundes (DSB) 1962 heraus. Sie trägt als Bildmotiv einige Noten und eine Stimmgabel auf rotem Grund. Eine Chor-Darstellung ist hier auf der Marke also noch nicht zu finden, dafür aber auf mehreren „Ersttagsbriefen“, die ebenfalls zu diesem Anlass herausgegeben wurden. Die nächste Sondermarke erschien dann 2012, als der „Deutsche Chorverband“ (ehemals DSB) sein 150. Gründungsjubiläum feierte. Diese Marke trägt die humorvoll gezeichnete Darstellung einer bunten singenden Gruppe aus Männern, Frauen und Kindern. Für dieses Postwertzeichen ist zusätzlich noch ein eigener „Ersttagssonderstempel“ hergestellt worden, der eine Notenzeile mit singenden Noten zeigt.
Berühmte Knabenchöre und die Sing-Akademie
Ein weiteres Thema von Musikbriefmarken sind „Berühmte Chöre“. Davon gibt es eigene Serien, z.B. den Block „Berühmte Knabenchöre“ von 2003 mit den Regensburger Domspatzen, dem Dresdner Kreuzchor und dem Thomanerchor Leipzig. Die Grafikdesignerin Barbara Dimanski hat den Block mit Fotos der drei Chöre gestaltet, wobei sie nach eigenen Worten „den musikalischen Klang grafisch deutlich machen“ wollte.
Eine andere Methode, mit einem Bild den Bezug zu einem Chor herzustellen, ist die Wiedergabe eines Gegenstands, der stellvertretend für die gemeinte Organisation steht. 1991 erschien anlässlich des 200. Gründungsjahres der Berliner Sing-Akademie (so der Name der gemischten Chorvereinigung) eine Sondermarke mit der historischen Darstellung des Gebäudes, das 1827 als Proben- und Aufführungsort für die Chorvereinigung errichtet worden ist. Das klassizistische Gebäude, das ebenfalls Sing-Akademie genannt wird, existiert noch heute.
Chorkomponisten: Distler und Mauersberger
Neben berühmten Chören finden wir schließlich auch noch mehrere Chorkomponisten und Chorleiter auf Briefmarken wieder. Im Februar 1989 gab die Post der DDR eine Marke mit dem Bildnis von Rudolf Mauersberger (1889-1971) heraus. Er war ein bedeutender Chorleiter, u.a. Kreuzkantor und Leiter des Dresdner Kreuzchores. Auf dem Markenbild hat der Gestalter deshalb neben dem Bildnis noch eine kleine Sängergruppe, eine Kantorei im Renaissance-Stil, eingefügt.
Eine andere deutsche Marke für einen Chorkomponisten stammt aus dem Jahr 1992. Das Stück ist dem evangelischen Kirchenmusiker und Chorleiter Hugo Distler (1908-1942) zum 50. Todestag gewidmet. Distler, der auch einige Jahre in Stuttgart gewirkt hat, leitete u.a. den Berliner Staats- und Domchor. Das Markenbild zeigt sein gezeichnetes Portrait vor einer seiner Kompositionen, einem „Choral für 3 Kinderstimmen“.
Musikbriefmarken – zum Anhören
Zum Schluss noch eine Kuriosität: Es gibt Briefmarken, die sind nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Anhören! Seit 1972 wurden im Königreich Bhutan mehrere „Vinyl postage stamps“ ausgegeben, also Briefmarken-Schallplatten. Sie bestanden aus kleinen runden Vinyltonträgern, die als Marke auf einen Brief geklebt werden konnten, aber auch auf einem Plattenspieler abspielbar waren.
Auf die Idee, eine Briefmarke zum Sehen und zum Hören zu machen, kam jüngst auch die Schweizer Post. Sie fertigte heuer für das hundertjährige Gründungsjubiläum der SUISA eine mit Musik hinterlegte „Augmented Reality Briefmarke“ an. Um sie mit Ton und bewegten Bildern richtig genießen zu können, braucht man nicht Lupe und Pinzette, sondern ein Mobiltelefon. Mit Hilfe der „Post-Handy-Applikation“ kann die 110-Rappen-Briefmarke gescannt und dann auf dem Mobilgerät angeschaut und angehört werden. Vielleicht gibt es so etwas ja bald auch mal für Chor-Briefmarken. Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch!