Ein Vereinsmitglied kann an einer Mitgliederversammlung aber nur teilnehmen, wenn es davon Kenntnis hat. Das gilt nicht nur für die Einladung selbst (Datum, Uhrzeit, Tagungsort), sondern auch für die Tagesordnung. Über Letztere muss das Vereinsmitglied unterrichtet sein, damit es entscheiden kann, ob es ihm erforderlich oder sinnvoll erscheint, an der Mitglieder-
versammlung teilzunehmen.
E-Mail bislang keine Schriftform
Unter Schriftform (die keiner Regelung in der Satzung bedarf) versteht § 32 Abs. 1
Satz 2 BGB den einfachen oder eingeschriebenen Brief, eine persönliche Zustellung einer schriftlichen Einladung oder ein Telefax. Dies ist zwar inzwischen weitgehend aus der Mode gekommen, gilt aber nach wie vor auch im behördlichen und gerichtlichen Verkehr als gleichwertiger Ersatz für ein Schreiben oder Einschreiben – anders als die E-Mail, mit der beispielsweise bis heute noch nicht die Kündigung eines Mietvertrages oder der Widerruf eines Prozessvergleiches erklärt werden kann. Das muss nach wie vor durch Brief (oder Zustellung durch den Gerichtsvollzieher) oder eben per Telefax erfolgen.
Alle anderen Einladungsformen sind nur dann wirksam, wenn sie in der Satzung geregelt sind. Wollen Sie durch Aushang an der „Dorflinde“, durch Abdruck im Amtsblatt oder der lokalen Tageszeitung, auf
der vereinseigenen Internetseite etc. zur Mitgliederversammlung einladen, muss
dies in der Satzung geregelt sein.
Das würde auch für die Einladung per E-Mail gelten. Voraussetzung wäre, dass die Satzung Entsprechendes regelt. Deswegen steht auch in vielen Satzungen, dass das Schriftformerfordernis durch die Einladung per E-Mail erfüllt ist. Wenn dies nicht der Fall ist, Sie aber trotzdem per E-Mail eingeladen haben, war bisher unklar, ob dies eine wirksame Einladungsform neben der klassischen Schriftform ist.
Fallbeispiel OLG Zweibrücken
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat in einer Entscheidung vom 04.März 2013, 3 W 149/12, geurteilt, dass unter Schriftform nicht nur der Brief, sondern auch eine E-Mail zu verstehen ist.
Grundsätzlich bedeutet Schriftform auch, dass der bzw. die Aussteller:in durch Hinzufügung seines/ihres Namens die Urheberschaft dokumentieren muss. Diese kann an sich nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 126a BGB) ersetzt werden. Selbst in Fachkreisen, nicht zuletzt in Anwaltskreisen, wird von dieser Form der Schriftlichkeit nur wenig Gebrauch gemacht.
Erleichterung folgt aus § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach ist die Schriftform
auch dann erfüllt, wenn die Einladung per E-Mail erfolgt. Auch die E-Mail ist nämlich dokumentenfähig, kann also ausgedruckt und aufbewahrt werden.
Im vom OLG Zweibrücken entschiedenen Fall ging es darum, dass das Vereinsregister Beschlüsse nicht eintragen wollte, die in einer Mitgliederversammlung ergangen waren, zu der ohne Satzungsgrundlage per E-Mail eingeladen worden war. Die Weigerung akzeptierte das Oberlandesgericht Zweibrücken nicht (der BGH hat zu dieser Frage noch nicht geurteilt; solange dies nicht der Fall ist, sind OLG-Entscheidungen für die Untergerichte aller Bundesländer verbindlich). Das Vereinsregister musste deshalb die Beschlüsse der Mitgliederversammlung eintragen
E-Mail-Adresse und Internetzugang kein Muss
Wie oben mitgeteilt, dienen die gesetzlichen und Satzungsbestimmungen zur Einladung zu Mitgliederversammlungen dazu, jedem Vereinsmitglied die Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu ermöglichen. Das ist aber nicht der Fall, wenn das Mitglied von der bevorstehenden Mitgliederversammlung und der zu erwartenden Tagesordnung nichts weiß. Verfügt er oder sie also nicht über eine E-Mail-Adresse und einen Internetanschluss, kann er/sie diese Kenntnis auch nicht erlangen. Deshalb muss der Verein zunächst ermitteln, welche Vereinsmitglieder über eine E-Mail-Adresse verfügen, sodass die Einladung per E-Mail zugestellt werden kann. Die übrigen Mitglieder müssen wie bisher auch schriftlich eingeladen werden – oder in einer anderen Form, wenn die Satzung Entsprechendes regelt.
Viele der Vereine des Schwäbischen Chorverbandes haben ältere oder alte Vereinsmitglieder, die noch keinen Zugang zu den elektronischen Medien gefunden haben und auch nicht mehr finden werden. Für diese muss also die bisher in der Satzung vorgesehene Einladungsform weiterhin gelten – oder eben der Brief (Schriftform), wenn die Satzung keine Regelung getroffen hat.
Satzungsänderung nicht zwingend erforderlich
Eine Satzungsänderung ist nicht erforderlich, wenn alle Vereinsmitglieder ihre Zustimmung zur E-Mail-Einladung erklären. Das kann für neue Mitglieder schon zusammen mit dem Aufnahmeantrag erklärt werden.
Die Einholung dieser Zustimmung kann aber bürokratisch aufwendig sein. Sie können deshalb auch durch Satzungsänderung die E-Mail-Einladung als Einladungsregel verbindlich machen. Wenn
die Satzung nämlich für alle und verbindlich regelt, dass nur per E-Mail eingeladen wird, ist diese Regelung zwingend auch für die Mitglieder, die über keinen Internetzugang verfügen und keine E-Mail-
Adresse haben. Es ist dann die Aufgabe jedes Mitglieds, sich auch ohne eigenen Internetzugang Kenntnis von den Einladungen zu verschaffen. Bei einer großen Zahl von älteren und alten Vereinsmitgliedern ist eine solche Regelung allerdings sehr „hart“ und wenig mitgliederfreundlich. Die Gefahr besteht, dass diese älteren Vereinsmitglieder auf diese Weise von der Kommunikation mit dem Verein und der Teilnahme an den Mitgliederversammlungen „abgeschnitten“ werden.
Einladung zur Mitgliederversammlung bei Bedarf digital und postalisch
Es empfiehlt sich deshalb einstweilen, so zu verfahren, wie es auch die Mustersatzung auf der Homepage des Schwäbischen Chorverbandes tut: Es bleibt bei der Einladung zur Mitgliederversammlung in der Schriftform des § 126 BGB. Dabei wird ausdrücklich geregelt, dass die Einladung per E-Mail das Schriftformerfordernis erfüllt. Dann werden die älteren Vereinsmitglieder, die keinen Internetzugang haben, weiterhin per Brief eingeladen, die übrigen per E-Mail. Jeder Verein tut gut daran, seinen älteren Mitgliedern zumindest auf diese Weise die Teilnahme an Mitgliederversammlungen zu ermöglichen. Gerade in den „Nach-Corona“-Zeiten muss ja das Bemühen jedes Vereins dem Kontakt und der Einbeziehung der älteren und alten Vereinsmitglieder gelten.
Kein „entweder – oder“
Schließlich: Ein „Oder“ gibt es bei der Regelung der Einladungsformalitäten in der Satzung nicht. Entweder – oder: Schriftform (einschließlich E-Mail) oder Bekanntgabe im Mitteilungsblatt; Schriftform oder persönliche Zustellung geht nicht, nur eins von beiden. Jedes Vereinsmitglied muss – auch in dieser Frage – stets wissen, wo es „dran“ ist.
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.