Pfingsten ist heute eine Zeit zum Wandern, Singen und Einkehren
Das Kirchenfest Pfingsten hat vor ca. 200 Jahren auch für das damals neue, profane Laienchorwesen eine ziemliche Bedeutung erlangt: als Veranstaltungstermin für eigene Feste.
Fünfzig Tage nach Ostern feiert die Kirche das Fest „Pentecoste“ („der Fünfzigste“), verdeutscht „Pfingsten“. Der Pfingstsonntag ist dem Gedenken an die Herabkunft des Heiligen Geistes gewidmet und hat (wie das Hochfest Ostern) den folgenden Montag als zweiten Feiertag im Gefolge. Musikalisch wird Pfingsten in den Kirchen traditionell mit geistlichen Werken gefeiert, die innerhalb der „Dreifaltigkeit Gottes“ den „Heiligen Geist“ thematisieren. Dazu gehören Vokalwerke wie „Veni sancte spiritus“ (Komm Heiliger Geist) von Palestrina und festliche Kantaten zum ersten Pfingsttag von Johann Sebastian Bach, z.B. „Erschallet, ihr Lieder“ (BWV 172) sowie seine Kantate zum 2. Pfingsttag „Also hat Gott die Welt geliebt“. Unter den vielen jüngeren Komponisten geistlicher Musik seien hier nur genannt Johann Nepomuk David (gest. 1977 in Stuttgart) mit „Nun bitten wir den heiligen Geist“ und Max Reger (1873-1916) mit „Es erschienen den Aposteln Zungen“. Auch Immanuel Faisst, der erste Chormeister des Schwäbischen Sängerbundes, hat 1861 in der ersten Liedersammlung des Bundes ein geistlich orientiertes Lied – „Pfingstmorgen“ – publiziert.
Seit 1827 dient der Pfingstmontag den Chören für Liederfeste
Es war auch kein Zufall, dass das erste (profane) Sängerfest auf deutschem Boden an Pfingsten stattfand, genauer: am Pfingstmontag, 4. Juni 1827, im schwäbischen Plochingen. Das hat damit zu tun, dass der Pfingstmontag etwas weniger streng religiös definiert war als der vorangegangene Sonntag, sodass die Menschen diesen Tag seit Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein gerne für erholsame Unternehmungen, für Ausflüge in die Natur und für kulturelle Veranstaltungen nutzten.
Dazu hat natürlich auch das frühlingshafte bis frühsommerliche Pfingstwetter, das zwischen dem 10. Mai und dem 13. Juni (die Spanne der möglichen Pfingsttermine) oft vorherrscht, einiges beigetragen. Allerdings war das gerade beim ersten Liederfest 1827 nicht der Fall gewesen: Wegen Dauerregens mussten die Herren damals statt mit einer Freilichtbühne mit einem Saal des Gasthofs „Waldhorn“ Vorlieb nehmen, was aber nicht jeder als Nachteil empfunden haben dürfte.
Bürger, Bauern und Studenten singen in der Nebelhöhle
Durch mehrere Berichte wissen wir, dass schon in den 1820er Jahren die Tübinger Bürger und Bauern, Professoren und Studenten an Pfingstmontag zu Fuß oder mit Pferdewagen, vor allem aber mit Gesang hinaus auf die Schwäbischen Alb pilgerten, um in der Nebelhöhle ein heiteres Volksfest zu feiern. Gustav Schwab schrieb darüber 1823: „In den Grotten bringt Musik, besonders Flötenspiel, mehrstimmiger Gesang und kleines Feuerwerk die herrlichste Wirkung hervor.“ Zu den Sängergruppen, die in der Höhle miteinander wetteiferten, gehörte u.a. auch die Akademische Liedertafel der Universität Tübingen.
Die Pfingstfeiertage, besonders die Pfingstmontage, waren in den folgenden Jahren und Jahrzehnten nach 1827 häufig feste Termine für die Sängertreffen der Schwaben (und natürlich auch aller anderen Regionen). 1834 bis 1845 hießen diese Treffen hierzulande sogar „Wanderliederfeste“. Diese Bezeichnung kam allerdings nicht durch wandernde Sänger zustande, sondern dadurch, dass die Feste jährlich in wechselnden Städten durchgeführt wurden.
Feiertage zur „seelischen Erhebung“ schützen
Ein Glück für die Chöre, dass der Pfingstmontag bislang nicht – wie von Wirtschaftsseite gelegentlich gefordert – als Feiertag abgeschafft wurde. Noch heute sind die beiden Pfingsttage durch das Grundgesetz als „Tage der Arbeitsruhe“ und der „seelischen Erhebung“ geschützt. Das von Gesang (und auch von instrumentaler Musik) begleitete Hinausziehen in die Natur an Pfingsten ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Thema auf Pfingstgrüßen geworden. Einige hier abgebildete Postkarten aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 belegen das – immer mit heiter-humoristischem Unterton! Ein solcher um 1900 entstandener „Pfingst-Gruß“ mit drei jungen, sportlichen Herren enthält den Liedanfang „Hinaus in die Ferne“. Es spielt auf das bekannte Turnerlied „Hinaus in die Ferne mit lautem Hörnerklang“ von Albert Methfessel (1813) an, ist hier aber durch eine handschriftliche Verballhornung als Scherzlied ausgelegt: „Hinaus in die Ferne mit Butterbrot und Wurscht / und recht viel Gelder zum Bier für deinen Durscht“. Andere Pfingstgrüße zeigen die Herren Sänger unter einem riesigen Sonnenschirm schwitzend oder im Schatten eines Bäumchens ein Lied intonieren. Aber auch ein Zug vergnügt singender Kinder und eine kleine Dirigentin, die einen Froschchor „Frohe Pfingsten“ quaken lässt, dürfen hier nicht fehlen.
Pfingsten im profanen Lied
Das Pfingstfest selbst ist nicht selten Thema weltlicher Lieder bzw. wird in solchen erwähnt. Zu nennen wären hier Gesänge wie „Zu Pfingsten will ich freien“, das bekannte Berliner Bänkellied „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten / nach Pankow war sein Ziel“ oder das Lied „Morgen müssen wir verreisen“ (Text: Hoffmann von Fallersleben, 1826) mit den Versen:
Über’s Jahr zur Zeit der Pfingsten
Pflanz‘ ich Maien dir ans Haus
Bringe dir aus weiter Ferne
einen frischen Blumenstrauß