Insbesondere: Die steuerliche Haftung des Vereinsvorstandes
Das Thema Steuerhaftung ist als einziger, maßgeblicher Haftungsbereich für die persönliche Inanspruchnahme von Vorständen hervorzuheben. Da das Thema sehr umfangreich ist, wird es nicht nur in dieser Ausgabe der Kolumne „kurz & bündig“ aufgegriffen, sondern in den folgenden beiden Ausgaben fortgesetzt.
III.
Von diesen Grundsätzen gibt es eine Ausnahme: Die Steuerhaftung. Der gemeinnützige Verein (die hier gemachten Ausführungen gelten auch für den nicht eingetragenen Verein, § 54 BGB) ist auch ein Steuersubjekt. Ein außerordentlich privilegiertes: Ist seine Gemeinnützigkeit durch Körperschafts- oder Feststellungsbescheid vom zuständigen Finanzamt anerkannt, ist er nicht nur von der Körperschaftssteuer, sondern auch von allen anderen infrage kommenden Steuern mit Ausnahme der Umsatzsteuer und – im Bereich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes – der Gewerbe-, Umsatz- und Grundsteuer befreit, weil er in diesem Bereich und Umfang einem nicht steuerbegünstigen Unternehmen gleichzustellen ist und mit diesem in Konkurrenz am Markt auftritt. In allen anderen Bereichen ist der Verein bei festgestellter Gemeinnützigkeit von jeglicher Steuer befreit. Das gilt für den ideellen Tätigkeitsbereich, also die unmittelbare Erfüllung des Satzungszwecks, für die Vermögensverwaltung und die wirtschaftliche Betätigung eines Vereins im Rahmen des sogenannten steuerfreien Zweckbetriebes. Dieser liegt dann vor (§§ 65 ff. AO), wenn die wirtschaftliche Betätigung dazu dient, die steuerbegünstigten Zwecke zu verwirklichen und die Erreichung der satzungsgemäßen Zwecke ohne diese Betätigung nicht möglich erscheint.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist auch nur dann in üblichem Umfang steuerpflichtig, wenn die in § 64 Abs. 3 AO genannte Freigrenze von € 35.000,– brutto überschritten wird.
Für die Umsatzsteuer und die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gelten Besonderheiten, die an dieser Stelle nicht vertieft werden sollen.
IV
Nun zur Haftung des Vorstandes in Steuerangelegenheiten:
Der Verein handelt durch seine Organe. Dies sind nach § 26 BGB die vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder. Sie haben die Aufgabe, den Verein nach außen zu vertreten, und sie sind das Geschäftsführungsorgan des Vereins (§ 27 Abs. 3 BGB).
Haftung und Verpflichtung treffen diejenigen Vorstandsmitglieder, die in diesem Sinne vertretungsberechtigt sind und ins Vereinsregister eingetragen wurden. Auch diese nur sind für Schadensersatzansprüche der Finanzverwaltung persönlich haftbar.
Für die Steuerhaftung gilt das Haftungsprivileg des § 31a BGB nicht, durch welches die Haftung des Vorstandes auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Das heißt, der vertretungsberechtigte, eingetragene Vorstand haftet in Steuersachen wie ein GmbH-Geschäftsführer voll und persönlich, auch wenn er ehrenamtlich und unentgeltlich tätig ist. Diese Haftung kann allerdings – ich komme darauf zurück – beschränkt und vermieden werden.
Der vertretungsberechtigte Vorstand ist gemäß § 34 Abs. 1 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vereins verantwortlich. Er haftet persönlich, soweit er vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Pflichten verletzt und dadurch die Steuern des Vereins nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder bezahlt werden. Er haftet nach der Rechtsprechung in Steuersachen praktisch immer. Nur dann nicht, wenn dem Fiskus durch die Pflichtverletzung kein Schaden (Verkürzung von Steuern) entsteht. Die Pflichten sind in § 34 AO geregelt und treffen den vertretungsberechtigten Vorstand unmittelbar. Er/Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten erfüllt werden, die Steuererklärungen und Steueranmeldungen rechtzeitig abgegeben und die festgesetzten Steuern aus Mitteln des Vereins beglichen werden. Er hat darüber hinaus Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten gegenüber der Finanzverwaltung.
Bei Liquiditätsschwierigkeiten darf der Vorstand andere Gläubiger nicht gegenüber dem Finanzamt bevorzugen; er muss deshalb noch vorhandenes Vermögen des Vereins in gerechten Anteilen an das Finanzamt und andere Gläubiger auskehren. Er ist verpflichtet, entsprechende Mittel vorzuhalten, die im Rahmen der Steuerfestsetzung gegenüber dem Verein für diesen vorhersehbar sind.
V
Diese Verpflichtung trifft in erster Linie den Kassier/die Kassiererin oder den Schatzmeister/die Schatzmeisterin eines Vereins. Sie trifft aber ebenso die vertretungsberechtigten anderen Vorstandsmitglieder dergestalt, dass diese die Vorstandsarbeit so organisieren müssen, dass der Verein seine steuerlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Geschieht dies nicht, kann die vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder ein Organisations- oder Überwachungsverschulden treffen, wenn Vorstandsmitglieder mit diesen Aufgaben betraut werden, obwohl sie hierzu nicht in der Lage sind. Ggf. müssen sie eine:n überforderte:n Schatzmeister:in abberufen und eine Neuwahl oder Kooptierung vorsehen, damit die Erfüllung der steuerlichen Pflichten stets gewährleistet ist. Dazu ist notwendig, dass der vertretungsberechtigte Vorstand die Tätigkeit von Schatzmeister:in/Kassier:in aufmerksam kontrolliert und überwacht.
Ergeben sich Hinweise darauf, dass diese Pflichten nicht vollständig erfüllt werden, müssen die vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder eingreifen, etwa dann, wenn das Finanzamt Mahnungen oder andere Verfügungen erlässt oder zur Abgabe von Erklärungen auffordert, nachdem eine gesetzlich vorgeschriebene oder gesetzte Erklärungsfrist abgelaufen ist. Er muss auch darauf hinwirken, dass der/die verantwortliche Kassier:in/Schatzmeister:in Erklärungen, die als unzutreffend festgestellt worden sind, berichtigt (§ 153 AO), wenn es erkennbar zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder dieser Fall schon eingetreten ist. Er hat in diesem Fall unverzüglich Kontakt mit dem Finanzamt aufzunehmen und unzutreffende Erklärungen richtigzustellen.
Wie gesagt: Die Rechtsprechung behandelt Pflichtwidrigkeiten im Bereich des Steuerrechts – Gleiches gilt für den Bereich des Sozialversicherungsrechts – in aller Regel als vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen. Dabei reicht bedingter Vorsatz aus.
Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist „schillernd“ und nicht gesetzlich, sondern durch Richterrecht definiert. Von ihm ist auszugehen, wenn eine Pflichtverletzung trotz entsprechender Vorbildung oder Kenntnissen entgegen einfacher, naheliegender Überlegungen begangen wird. Wenn ein Vorstand beispielsweise Löhne ausbezahlt, ohne die Lohnsteuer abzuführen, geht die Rechtsprechung grundsätzlich von grober Fahrlässigkeit aus. Zwar ist das Finanzamt hierfür nachweispflichtig, doch wird dem Finanzamt dieser Nachweis in aller Regel gelingen.
Unzureichende persönliche Fähigkeiten des/der verantwortlichen Kassiers/Kassierin oder Schatzmeisters/Schatzmeisterin entlasten ihn/sie nicht, auch nicht der Umstand, dass er/sie ehrenamtlich und unentgeltlich tätig ist. Im Übrigen hat der Verein bei entsprechendem Anlass die Möglichkeit – oft die Verpflichtung! –, fachliche Hilfe durch eine:n Steuerberater:in oder eine:n Angehörige:n der rechtsberatenden Berufe beizuziehen, auch wenn dies mit Kosten für den Verein verbunden ist.
Die dem/der Kassier:in/Schatzmeister:in auferlegten Pflichten sind nach dem Gesagten also erheblich und – man muss es leider sagen – haftungsträchtig. Bei – was die Regel ist – mehreren vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern trifft zunächst jede:n die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen, auch für den Bereich des Steuerrechts (Grundsatz der Gesamtverantwortung).
Daraus entsteht faktisch, wenngleich nicht rechtlich, in gewisser Weise ein „Zweiklassenvorstand“, da die hier geschilderten Verpflichtungen die nicht ins Vereinsregister eingetragenen Vorstandsmitglieder nicht treffen.
Der Gesamtvorstand muss deshalb unbedingt und eindeutig und schriftlich im Rahmen eines Geschäftsverteilungsplans die von jedem Vorstandsmitglied übernommenen Verpflichtungen regeln und stets, insbesondere nach Neuwahlen, aktualisieren. Das ist die erste Stufe der Enthaftung der durch den Geschäftsverteilungsplan nicht zuständigen Vorstandsmitglieder. Die zweite ist, dass die Vorstandsmitglieder, die nicht für die Erledigung von Steuer- und Finanzangelegenheiten zuständig sind, die Tätigkeit der anderen Vorstandsmitglieder, insbesondere des Finanzvorstandes (Schatzmeister:in, Kassier:in) überwachen, ebenso delegierte Aufgaben wie beispielsweise Buchführungs- und Buchhaltungstätigkeiten, die dem/der Kassier:in/Schatzmeister:in zugearbeitet werden. Findet diese Überwachung und Kontrolle nicht statt, bleibt es bei der persönlichen Mit- und Gesamthaftung der übrigen, vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder. Sie müssen spätestens eingreifen, wenn Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen erkennbar werden, wie Verfügungen, Mahnungen oder Vollstreckungsandrohungen. Dann muss der gesamte, vertretungsberechtigte Vorstand zur Haftungsvermeidung (im Sinne einer gesamtschuldnerischen Haftung!) Missstände unverzüglich aufspüren und zur Abhilfe sorgen.
Fortsetzung des Themas aus der SINGEN-Ausgabe 05/24. Der dritte und abschließende Teil folgt in der SINGEN-Ausgabe 07_08/24.
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Aus-
künfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.