Wie ist der Status quo? – Teil 1
2012 wurde in der SINGEN eine Reihe von Artikeln abgedruckt unter dem Oberthema „100 Jahre Silcher-Museum 1912 – 2012“. Heute ist das Silcher-Museum Geschichte. Das Geburtshaus Friedrich Silchers war über viele Jahre hinweg ein Ort der Erinnerung. Nun gerät das Haus selbst in Erinnerung. Wie sah der Prozess in den letzten Jahren aus? Welche Akteure und Ideen gab es? Die Redaktion gibt eine zweiteilige Zusammenfassung.
Im letzten Artikel von Rudolf Veit aus dem Jahre 2012 ging es um Dr. Hermann Josef Dahmen, der sich die Erneuerung des völkisch verzerrten „Silcherbildes“ nach 1945 zur Aufgabe gemacht hatte. Mit der Gründung des Silcher-Archivs schaffte er eine umfassende Sammlung, die, wie er es selbst nannte, „ein anderes Bild“ von Silcher generierte. Das Museum verfiel aber in einen „Dornröschenschlaf“ und Renovierungen in Höhe von 1,7 Mio. DM mussten vorgenommen werden. Daher wurde 1992 ein „rundum erneuertes Museum“ geöffnet. 2011/12 erhielt es noch einige Modernisierungen im Silcher-Saal, die Ausstellung blieb aber von 1992 bis 2020 unverändert.
Das Museum wird geschlossen
Das Präsidium des Schwäbischen Chorverbandes hatte 2020 beschlossen, das Silcher-Museum in Weinstadt-Schnait nach der Winterpause vorerst nicht zu öffnen. Statt einzelner Corona-bedingter Schließwochen und Hoffen auf Öffnung wollte man so intern die Zeit nutzen, um neue Konzepte zu überlegen. Mit der seit 2016 das Silcher-Museum leitenden Elisabeth Hardtke, wurden bereits seit ihrer Ankunft Konzepte für eine Zukunft des Museums überlegt. Bereits hier war klar: Das Museum benötigte Geld, insbesondere für Renovierungsarbeiten. Auch das Ausstellungskonzept war in die Jahre gekommen, da es seit 1992, wie oben beschrieben, nicht erneuert wurde.
Die Idee 2020: das Haus schließen, neu zu programmieren und bis Ende 2023 ein Museum der neuen Art entstehen zu lassen. Hintergrundfrage des Prozesses war, wie ein Museum heute funktioniert. Wie kann ein Museum interessant bleiben, wenn der Museumsinhalt nicht mehr so populär ist wie einst? Um diesem Prozess zu begegnen, wurden bei mehreren Expert:innen aus ganz Deutschland Einschätzungen über den aktuellen Stand und die weitere Zukunft eingeholt.
Neukonzeption der Ausstellung
Das Sammlungs- und Ausstellungskonzept sollte weiterhin einen starken Fokus auf Friedrich Silcher und die Sänger- bzw. Chorgeschichte haben, da das über die Jahre hinweg den größten Anziehungsfaktor geboten hatte. Die Ausstellung sollte z.B. mittels Audioguides und einer besseren Social-Media-Präsenz moderner, digitaler, ansprechender werden. Klar war, Friedrich Silcher hatte auch bei jungen Menschen dank seiner Lieder noch ein Erkennungsmerkmal. Eine bloße Darstellung von Heimat im 19. Jahrhundert wurde hingegen nicht mehr angestrebt. Außerdem wurde das „Entschlacken“ des Museums empfohlen, also alles Überflüssige zu entfernen und die bisherige Sonderausstellung wegen zu wenig Aufmerksamkeit zu einem Lese- und Hörraum umzugestalten.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Schnait sollte verbessert werden, um den Besucher:innen mehr bieten zu können. Dabei ging es auch um die simple Frage, ob Vesper im Museum erlaubt sei, da es keine lokalen Gaststätten gab. Die Kooperation mit lokalen Schulen und anderen Museen wurde angedacht, um wieder mehr Besucher:innen zu generieren. Auch musste die Kommunikation nach außen besser werden, um auf sich aufmerksam zu machen. Zudem war klar, dass das kleine Museum dem Anspruch eines Museums – Ausstellen, Forschen und Bewahren – trotz maximaler Anstrengung nicht mehr gerecht werden konnte. Dieser Anspruch, so die Empfehlung der Expert:innen, solle aufgegeben werden.
Fortsetzung folgt in der Mai-Ausgabe.