Das Positionspapier des Deutschen Musikrats
Der Deutsche Musikrat (DMR) engagiert sich für die Interessen von 15 Millionen musizierenden Menschen in Deutschland und ist weltweit der größte nationale Dachverband der Musikkultur. Rund 50 Persönlichkeiten aus allen Bereichen des Musik- und Kulturlebens engagieren sich ehrenamtlich in den acht Bundesfachausschüssen Bildung, Arbeit und Soziales, Medien, Recht, Musik in Religionen und Kirchen, Musikwirtschaft, Vielfalt und Zukunftswerkstatt. Der Bundesfachausschuss Musik in Religionen und Kirchen nahm im Dezember 2024 zu den Chancen, die die vielfältigen musikalischen Praxen der in Deutschland beheimateten Religionen (gemeint sind Christen, Juden, Muslime sowie Aleviten und Hindus) bieten, wie folgt Stellung:
„Die Klangsprachen der Religionen sind vielfältig, werden unterschiedlich gelebt und spielen in der Regel eine bedeutende Rolle für die jeweiligen Gemeinschaften und die Identifikation mit der jeweiligen Religionspraxis. Darüber hinaus stehen die unterschiedlichen Musiken in einer ständigen Wechselwirkung mit der säkularen Kultur. Hier entstehen vielfältige gesellschaftliche Dynamiken, etwa im Kontext von urbanen und ländlichen Räumen, geschlechtlicher Diversität sowie den Bedürfnissen unterschiedlicher Generationen. Besonders im ländlichen Raum übernehmen religiöse Gemeinschaften häufig eine zentrale Funktion als Kulturträger und als oftmals einzige Anbieter von musikalischer Bildung, beispielsweise durch Kitas, Chöre und Ensembles – oft verbunden mit hohem bürgerschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement.
Musik in Kirchen und Religionen in ihrer Vielfalt ist gesamtgesellschaftlich eine wesentliche Bereicherung des deutschen Musiklebens und gehört zu den gewichtigen Säulen der Amateurmusik. Die Musiken verschiedener Religionen ermöglichen kulturelle und ästhetische Bildung, fördern Integration und transkulturelle Prozesse und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Gerade das gemeinsame Musizieren, das Erleben von Konzerten und Festen innerhalb der eigenen Gemeinschaft wie auch über die Grenzen von Religion und Herkunft hinweg schafft Austauschprozesse und Resonanzen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Dieses Potenzial sollte in Zukunft stärker wahrgenommen und genutzt werden.
Diese wichtige gesellschaftliche Ressource bedarf größerer Aufmerksamkeit, Anerkennung und Förderung. Neben der Wertschätzung sind entsprechende Budgets für Räume, Personal und Veranstaltungen notwendig, um diese Vielfalt in das öffentliche Bewusstsein zu tragen. Der aus musikalischer Aktivität in Glaubensgemeinschaften entstehende kulturelle und soziale Beitrag muss in Entscheidungsprozessen im Bereich Bildung, Kultur und Soziales berücksichtigt und die entsprechenden Kompetenzen müssen mit Bildung und Lehre vernetzt werden. Beispiele hierfür sind Schulprojekte oder die Mitwirkung in der musikalischen Lehre an Musikschulen und Musikhochschulen.
In allen Formaten des Austauschs gilt das Prinzip der kulturellen Selbstbestimmung: Ob und in welchem Maße interreligiöse oder interkulturelle Dialoge gesucht werden, entscheidet jede Person oder Gemeinschaft selbst. Bei gemeinsamen Aktivitäten ist insbesondere bei kleineren religiösen Gemeinschaften, die zumeist keine festangestellten Mitarbeitenden für kulturelle und musikalische Aktivitäten haben, besondere Sensibilität erforderlich.
In den christlichen Konfessionen spielt Musik aufgrund der angestellten Kirchenmusiker:innen eine besondere Rolle bei der öffentlichen Kommunikation des Evangeliums, trägt zur Mitgliederbindung bei und strahlt auch in die gesamte Gesellschaft aus. Diese Stärke von christlicher Kirchenmusik wird allerdings häufig durch Kirchenleitungen nicht ausreichend unterstützt. Hier sind interne Maßnahmen zur besseren Sichtbarkeit und neue Formen der Wertschätzung innerhalb der christlichen Konfessionen dringend gefragt.
Die Mitglieder des Bundesfachausschusses Musik in Religionen und Kirchen fordern, dass die musikalische Vielfalt der Religionen über den religiösen Rahmen hinaus in Gesellschaft und Politik sichtbarer gemacht und gefördert werden muss.“
Weitere Informationen unter www.musikrat.de
Das Positionspapier zum Download.