Zahlreiche Aspekte können den Probenalltag vereinfachen, auflockern, spannender gestalten und sorgen bei adäquater Anwendung im besten Fall für ein angenehme(re)s Chor-Klima
Die Beweggründe im Chor zu singen und ggf. einem Verein beizutreten mögen unterschiedlich sein. In jedem Fall aber will man gerne hingehen und sich dort wohlfühlen: Die Zeit, die man seinem Hobby widmet, soll gut investiert sein, soll die Bedürfnisse, die man damit verbindet, befriedigen.
Ein paar zentrale Aspekte legt man schon bei der Chorauswahl zugrunde, wie z.B. das Genre (eher Pop oder klassisch), die Besetzung (gemischt oder geschlechterhomogen), die Ausrichtung (eher gesellig oder künstlerisch anspruchsvoll) die Entfernung zum Wohnort.
Das ist die Basis. Viele weitere Bedürfnisse folgen im Tun und Erleben. Manches hielt man für selbstverständlich, an anderes hat man gar nicht gedacht, war sich einer Problematik vielleicht nicht bewusst. Schnell können Spannungen entstehen, die zu einem grollenden Unwohlsein führen. Um diese zu vermeiden, kann es helfen, sich den Quellen und Problemherden bewusst zu werden, bevor sie als solche zutage treten.
Sie lassen sich zwei großen Bereichen zuordnen: dem Vereinsmanagement und der Probengestaltung. Obliegt das Management dem Vereinsvorstand bzw. den beauftragten Mitgliedern, zeichnet sich in erster Linie die Chorleitung verantwortlich für die Ausgestaltung der Proben und Konzerte.
Umstände & Vereinsmanagement
Probenhäufigkeit
Die meisten Chöre folgen entweder dem Modell der wöchentlichen Proben zu einem festen Termin oder der projektweisen Proben en bloc. Dabei sollte sichergestellt sein, dass das Modell zur Chorstruktur und den Bedürfnissen der Mitglieder passt. Gibt es personelle Wechsel, kann man ein System auch anpassen. Wichtig ist nur, dass es frühzeitig kommuniziert (siehe hierzu Abschnitt weiter unten sowie Interview auf S. 10-12) wird und daher für alle planbar ist.
Tipp: Findet wöchentlich eine etwa zweistündige Probe statt und kommt jemand beispielsweise eine Stunde zu spät, verpasst die Person deutlich mehr als wenn ein ganzer Probentag angesetzt ist. Außerdem muss dann nicht immer wieder neu bereits Bekanntes wiederholt werden, um „reinzufinden“, zuletzt Geprobtes ist präsenter. Die Probe wird u.U. effektiver.
Probenanwesenheit
Klare Regeln sind hier Gold wert. Es wird immer Mitglieder geben, die nicht jede Probe dabei sein können. Und es wird vermutlich Mitglieder geben, die gern mal relativ knapp oder sogar verspätet zur Probe kommen. Wie damit umzugehen ist, entscheidet der Chor selbst. Zentral für ein harmonisches Klima ist aber, dass es allgemein gültige Regeln gibt, dass diese transparent und nachvollziehbar sind. Im besten Fall hat der Chor sie gemeinsam beschlossen. Ausnahmen sollten nicht zur Regel werden.
Probenräumlichkeiten
Einen geeigneten Raum zu finden, kann zu einer großen Herausforderung werden. Oftmals entscheiden wirtschaftliche Gründe. Dieses Kriterium einmal außer Acht gelassen, sind es typische Merkmale, die eine Räumlichkeit attraktiv machen: Sie sollte nicht zu klein sein und insbesondere akustisch angenehm (lieber zu hallig, aber keinesfalls mit Teppichboden, sämtlichen Vorhangfronten oder mit besonderer Dämmung, denn wenn der Raum den Klang verschluckt, wird man zu ungesundem Singen animiert, weil die klingende Rückmeldung fehlt). Der Raum sollte gut an den ÖPNV angebunden, aber ruhig gelegen sein. Er sollte über entsprechende Sitzgelegenheiten, sanitäre Anlagen und im besten Fall ein Klavier (ggf. Stromanschluss für E-Piano) verfügen. Im Winter eine Heizung, im Sommer wenig direkte Sonneneinstrahlung sind viel wert, wenn es um im wahrsten Sinne des Wortes gutes Klima geht. Bedenken sollte man auch die Barrierefreiheit, sofern Mitsänger:innen mobil beeinträchtigt sind. (Anforderungen an den Konzertort siehe SINGEN 06/24).
Partizipation
Mitglieder sind Mit-Glieder und schätzen es oftmals, in Entscheidungen einbezogen zu werden. Nicht alles kann man der Basisdemokratie überlassen, aber als Vorstand frühzeitig Überlegungen äußern und Einschätzungen der anderen Betroffenen einholen, kommt immer gut an.
Tipp: Den richtigen Momente erwischen, wenn neue Überlegungen bereits konkret genug sind, damit man nicht über Dinge philosophiert, die sich später erübrigen; aber früh genug, dass jene Überlegungen entsprechend der Ideen aus dem Plenum auch noch modifiziert werden könnten.
Kommunikation / Transparenz
Transparente Vereinspolitik und diese klug zu kommunizieren, steht über allem und gilt für jeden einzelnen der vorangegangenen Punkte (siehe dazu Interview auf S. 10-12).
Gestaltung der Probe
Einsingen
In den meisten Fällen beginnt die Amateurmusik-Chorprobe mit einem Einsingen für alle (siehe dazu S. 13). Es ist also richtungsweisend dafür, wie gut die stimmlichen Voraussetzungen für eine (erfolgreiche) Chorprobe sind. Doch eine ebenso entscheidende Komponente ist die Emotion: Ein gelungenes Einsingen steigert die Motivation und Inbrunst der Sänger:innen, ein weniger geglücktes bewirkt oftmals das Gegenteil.
Body Percussion
Multitasking ist eine Herausforderung. Aber auch hier gilt: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – man macht ja nicht alles von Anfang an auf einmal. Stück für Stück ein Element ausprobieren und kombinieren, verbinden, variieren und dabei den Körper mit ins Boot holen, sorgt für Abwechslung und Auflockerung; es trainiert die eigene Fitness und es kann nicht nur eine peppige Ergänzung zur konzertanten Musik sein, sondern ist in manchen Kompositionen sogar stückimmanent.
Im Stehen singen
Wunder vollbringen leichtgemacht! Über den körperlichen Anteil des Singens wurde in der SINGEN bereits vielfach geschrieben. Trotzdem ist es immer wieder überraschend, welchen mächtigen Effekt es hat, im Stehen zu singen. Natürlich will kaum jemand stundenlang stehen und zum Töne-, Text- und Rhythmuslernen ist es auch nicht notwendig. Beim Sitzen passiert es allerdings gern, dass der Körper ein wenig zusammensackt und man vielleicht etwas zu gemütlich auf dem Stuhl fläzt. Beim Stehen hingegen folgt man der natürlichen Aufrichtung, die Lungen und das Zwerchfell können sich besser entfalten, die Durchlässigkeit von Kopf bis Beckenboden ist barrierefreier möglich. All das fördert das Singen und wirkt sich entscheidend auf die eigene klangliche Präsenz und damit das Chorkollektiv aus.
(Konzert-)Aufstellung
Von links nach rechts: Sopran, Alt, Tenor, Bass. Oder: Soprani und Alti vorne, Tenöre und Bässe dahinter. Soweit die klassischen Aufstellungen. Wie wäre es mit einer Variation? Sobald die Literatur etwas gefestigter sitzt, die Sänger:innen sich sicher(er) fühlen, kann es nicht nur eine Abwechslung, sondern auch eine echte Bereicherung sein, die Aufstellung bei den Proben durchzumischen. Sitzt man auf einmal neben Sänger:innen anderer Stimmgruppen, hört man sich einerseits selbst besser – kann überprüfen, wie gut man seine Stimme schon kann –, hört aber auch andere Stimmen präsenter und im besten Fall einen vierstimmigen Satz unmittelbar durch die Nachbar:innen. Das bringt Auflockerung und bricht Strukturen auf.
Tipp: Man kann nicht neben allen Menschen gleich gut singen. Das ist weder Schande noch Unvermögen. Andere Nachbar:innen zu haben – insbesondere innerhalb der eigenen Stimmgruppe –, kann sich positiv auf das eigene Singen auswirken. Wichtig beim Platztausch: Den bisherigen Nachbar:innen nicht das Gefühl geben, sie machten etwas falsch, sängen nicht schön oder es geschehe aus persönlichen Differenzen. Wie immer: freundlich kommunizieren!