Was man darunter heutzutage versteht und weshalb es unverzichtbar ist
Tue Gutes und sprich darüber – warum sollte ein Chor Marketing betreiben? Eine richtig gute Frage. Denn neben einer gewissen Ratlosigkeit ob der Frage überhaupt und der Frage nach einer Zielsetzung, impliziert sie auch die Frage nach dem Nutzen. Ganz einfach: Es handelt sich um eine Grundsatzfrage, die wir gerne und impulsiv mit „Keine Ahnung, wozu das gut sein soll!“ beantworten und beenden würden. Wir sind es nicht gewohnt, Eigenmarketing zu betreiben. Da kommen dann so Sprüche wie „Das bringt doch sowieso nichts.“, „Edd gschimpft isch genug gelobt!“, „Und dann auch noch Chor-Marketing?“, „Damit gewinnen wir sowieso nichts.“, „Ist nur neumodisches Zeugs, kommt aus den Unternehmen, kann nicht auf Chöre und Vereine übertragen werden.
Wer kennt diese Sprüche und Antworten nicht zur Genüge? Man kommt mit neuen, möglicherweise kreativen oder – noch schlimmer – mit radikal neuen Ansätzen und Ideen zu seinem Chor oder Verein und wird damit erstmal auf den Boden der Tatsachen geholt. Da sind Psychologie und die Angst vor der Veränderung mit im Spiel, denn: Wer liebt schon die Veränderung? Wer betritt gerne und freiwillig neues und unbekanntes Terrain? Da bleiben wir doch lieber in unseren bekannten Gefilden, denn „das haben wir doch schon immer so gemacht, das hat bis heute funktioniert“, und so weiter. Okay – an der Stelle könnte der Artikel jetzt zu Ende sein, wir könnten uns beruhigt zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen, alles gut.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Das bedeutet jetzt nicht, jeder Mode hinterherzurennen, sondern einfach: auf der Höhe der Zeit sein, aktuell, attraktiv, sympathisch, sichtbar. Sonst gibt es uns morgen womöglich nicht mehr – das erleben wir bald jeden Tag mit einem Chor, der sich auflöst. Was das alles mit Chor-Marketing zu tun hat? Ganz viel. Denn Chor-Marketing betreiben wir immer, ob wir es wollen oder nicht, ob wir es bewusst tun oder nicht. Paul Watzlawick bringt es auf den Punkt: „Man kann nicht nichtkommunizieren!“
Was ist Chor-Marketing überhaupt?
Selbstvermarktung, Selbstdarstellung, Öffentlichkeitsarbeit, verkaufen. Aus dem klassischen Marketing kennt man die sogenannten „4 P“ – englisch: Product, Price, Place and Promotion, also Produkt (Lieder, die wir singen), Preis (Eintrittspreise für unsere Auftritte), Place (Orte, an denen wir singen, z.B. Stadthalle) und Promotion (Werbemaßnahmen, die wir einsetzen, z.B. Plakate, Zeitungsartikel, Flyer, Programmhefte, usw.).
Bestimmt war jede:r von uns schon einmal auf einem Weihnachtsmarkt. Wenn man an den unterschiedlichsten Buden vorbeiläuft, stellt man fest, dass es manche gibt, die einem total langweilig begegnen, wo kein Mensch davor steht oder sich etwas anschaut. Andere hingegen werden regelrecht überrannt, da stehen die Menschen in großen Trauben drumherum, sprechen mit den Verkäufer:innen, diskutieren, probieren Dinge aus, überlegen, ob sie etwas kaufen, kommen vielleicht wieder zurück und kaufen dann doch, und haben auch noch Spaß dabei.
Auf die Sichtweise und Zielsetzung kommt es an
Haben Sie die „4 P“ erkannt? Die Analogie mit dem Weihnachtsmarkt soll uns helfen, unsere Sichtweise regelmäßig zu ändern. Wir sollten nicht nur überzeugt davon sein, dass wir alles schon immer richtig gemacht haben und machen, sondern auch mal in die unbedarfte Rolle der Außenstehenden zu schlüpfen, unseren Chor oder Verein mal von außen als „Nichtfachmann“ zu betrachten, innehalten, hinterfragen, schonungslos und wertfrei. Es braucht natürlich zuerst eine klare Zielsetzung, denn sonst wird das nichts. Was wollen wir überhaupt erreichen? Mehr Mitglieder? Mehr Sängerinnen und Sänger? Geld in die Vereinskasse? Sponsoren gewinnen? Einen neuen Chor gründen? Uns besser darstellen? Und die Frage dahinter: Was genau und konkret wollen wir besser darstellen?
Wahrgenommen werden
Wir müssen uns in der heutigen Zeit des (Informations-)Überflusses wirklich fragen, ob wir auf den richtigen Wellen mitschwimmen, interessant und attraktiv sind und auch über die richtigen Kanäle die richtigen Zielgruppen ansprechen. Das klassische Blättchen mit dem Konzertprogramm ist in die Jahre gekommen, die Plakate sind langweilig und locken niemanden hinter dem Ofen hervor. In den digitalen Medien sind wir mit einer Homepage vertreten und meinen, das sei die digitale Welt. Ist sie nicht – denn die Homepage ist statisch, unbeweglich und hoffnungslos veraltet, vollgestellt mit alten Fotos und Berichten über vergangene Konzerte. Wer hat da Lust, sich damit zu beschäftigen? Niemand. Heutzutage spielt die Musik im Bewegtbild, die Stories werden auf Youtube, Instagram und Co. erzählt, weitergeleitet, geteilt und geliked. Wenn wir heute mitmischen wollen, kommen wir an diesen Medien einfach nicht vorbei. Ja, es braucht natürlich jemanden, der dieses Metier beherrscht und auf der Klaviatur der digitalen Medien gut spielen kann.
Storytelling als Alleinstellungsmerkmal
Storytelling für „die da draußen“ – oder auf neudeutsch: Geschichten erzählen, Spannung aufbauen, Neugierde wecken, Höhepunkte erleben, interessant sein. Das ist es, was die Menschen heutzutage erleben wollen, sie wollen unterhalten werden, überrascht und emotional gepackt werden. Einfach nur singen reicht da nicht mehr aus – wir brauchen ein Alleinstellungsmerkmal, das uns von anderen abhebt und das wir in den Vordergrund stellen, z.B.: Wir machen Projekte zu bestimmten Themen (Musical, Oper, Rock, usw.), haben eine ausgefeilte Choreografie, arbeiten mit Begleitmusiker:innen, haben ein wechselndes Bühnenbild, Beleuchtungskonzept, usw. – ein Konzerterlebnis, von dem man noch lange sprechen wird.
Natürlich weiß ich, dass das eigentlich ganz einfach zu sein scheint. Aber: Wenn das Ziel definiert ist, ist es der Weg, den man geht. Es kommt dann auch nicht darauf an, schnell unterwegs zu sein, sondern sich überhaupt zu bewegen und aus seiner Komfortzone rauszukommen. Wenn wir dann auch noch das Ziel im Auge behalten und aus jedem Schritt lernen, werden wir auch dort ankommen, wo wir hinwollen. Oder um es mit einem geflügelten Satz zu sagen: „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“