Urlaub machen und musizieren
„Kreativurlaub“ wie „Ferien mit aktivem Musizieren“ ist heute ein boomender Trend der Tourismusbranche. Ganz neu ist das Thema allerdings nicht.
Farin Urlaub – das ist kein Schreibfehler, das ist ein Künstlername. So nennt sich ein bekannter deutscher Rockmusiker, bürgerlich Jan Vetter. Der 1963 in West-Berlin geborene Sänger war viele Jahre lang mit seiner Band „Die Ärzte“ auf Tournee und hat 2001 eine Solo-Karriere mit dem Album „Endlich Urlaub“ gestartet. In einem Interview erklärte er einmal, wie er auf die Idee zu seinen Namen kam: Schon mit neun Jahren hätten ihn die Eltern auf eine mehrwöchige Jugendreise geschickt, bei der abends am Lagerfeuer schier ohne Ende „durchgesungen“ wurde. Bald habe er alle vier Liederbücher auswendig gekonnt. Da sei ihm auf einmal klar geworden: „Das ist mein Leben. Reisen und Singen, das ist es jetzt.“
Reisen und Singen als Lebensphilosophie
Inzwischen hat der Rockstar mehr als vier Jahrzehnte auf Konzert-Tourneen verbracht, hat Reisen und Singen zum Beruf und zur Lebensphilosophie gemacht. Während Farin Urlaub das als Idealzustand betrachtet, gibt es aber auch andere Musikstars, die auf Urlaubsreisen gerne etwas Ruhe haben möchten, um ihre Batterien aufzutanken. Bei größerem Star-Ruhm kann das allerdings schwierig werden. So berichtet „Oasis“-Sänger Noel Gallagher, dass er einmal im Italien-Urlaub mit seiner Familie gemütlich in einem Restaurant essen gehen wollte. Der Wirt erkannte (leider) seinen prominenten Gast, legte eine seiner Platten auf, worauf das ganze Lokal den Hit „Wonderwall“ anstimmte und der hungrige Sänger – statt zu essen – artig zuhören und anschließend noch höflich applaudieren musste.
Mit Musik für Seereisen und Seelenreisen
Auch der deutsche Popsänger Sasha („If you believe“) erklärte, dass Urlaub sein „größter und liebster Luxus“ sei und wichtig, um das Leben zu entschleunigen. Ein „Hotel am Ballermann“ sei da sicher nicht der richtige Sehnsuchtsort, eher eine gemütliche Schiffsreise. Da werde sogar die Arbeit zum Vergnügen. „Ich durfte schon auf verschiedenen Schiffen zu verschiedenen Anlässen singen – das hat mir immer gut gefallen“, so der Popsänger.
Auf Schiffen verreisen und das Ganze unter Gesang – das erinnert ein bisschen an die um 1900 beliebten „Sängerfahrten“ nach Helgoland. Die Insel war gerade damals ein Sehnsuchtsort der Deutschen
und auch viele Chöre hat es sommers dorthin gezogen. Eine Reihe Ansichtskarten aus dieser Zeit erinnert an solche touristisch-musikalische Aktivitäten.
„Urlaub nach Noten“ – Sänger im Meer
Urlaub mit Musik ist aber nicht bloß ein Thema für Profi-Sängerinnen und -Sänger, sondern auch für Amateure und Chöre. Das Angebot der oben genannten Reise-Branche für „Kreativurlaub“ gerade im Sommer ist breit gefächert. Es gibt Singkurse für Einzelpersonen und ganze Gruppen, für Anfänger und Fortgeschrittene, für Junge und Alte.
„Urlaub nach Noten“ lautet das Motto eines anderen Reiseanbieters – was wiederum an eine alte Ansichtskarte aus Frankreich erinnert. Das derb-humoristische Bild aus der Zeit des ersten Weltkriegs zeigt einen grotesken Altherrenchor in Badehosen, die mit Noten geschmückt sind. Die Männer stehen in den Wellen und grölen ein Lied wohl mit dem Titel „L‘hommage à la Mer“. Man denkt da spontan an einen Schlachtgesang. Oder handelt es sich hier vielleicht um eine frühe Ballermann-Vision?
… und auf dem Baum in der Sommerfrische
Andere Veranstalter von kreativem Musikurlaub kombinieren das Singen – fernöstlich angehaucht – mit Yogaübungen und „Klangkonzerten zum Trainieren von Atem, Bewegung und Stimme“ mit dem Ziel, „ganz konzentriert in der Stille anzukommen“. „Klang & Stille – Seelenreise ins entspannte Sein“ heißt dann
das Motto. Unter den alten Bildpostkarten passt hierzu eine Zeichnung von 1915, die der Künstler als „Quartett in der Sommerfrische“ bezeichnet hat. Vier jüngere Herren sitzen singend auf den Ästen eines kleinen Baumes. Vielleicht intoniert das Quartett ja gerade das Liedchen „Vöglein im hohen Baum / klein ist‘s, man sieht es kaum, / singt doch so schön …“.
Hier wäre nun in diesem Artikel eigentlich der Platz, auch noch all die vielen Lieder mit Sommer, Sonne, Meer und was sonst noch zu Urlaub dazugehört, aufzuzählen. Aber statt tausend Titel zu nennen, sei es mit einem einzigen Chorlied getan:
„Sommerfrische“
(Text: Joachim Ringelnatz, Satz: Franz Koringer; 1983)
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.