Mehr als nur Zahlen
Stellen Sie sich vor, Sie würden das Zahlenwerk Ihres Vereins mit einer Art Röntgengerät durchleuchten. Der Blick ins Innere zeigt Ihnen Einzelheiten und Zusammenhänge des Vereins. Vergleichbar mit dem Blick in die berühmte Glaskugel entsteht Transparenz und zahlreiche Fragen lassen sich beantworten, etwa: Was kosten die einzelnen Leistungen Ihres Vereins? In welchem Maße werden die Kosten durch die Mitgliedsbeiträge gedeckt? Wie setzten sich die Erlöse zusammen? Gibt es Potenziale, die Kosten zu senken oder die Erlöse zu steigern? Lassen sich Kostentreiber/Kostenverursacher identifizieren? Wie ist der Zusammenhang von Vereinszielen und Kosten? u.v.m.
„Mit den neuen Instrumenten haben wir erstmals einen monatlichen Soll-Ist-Vergleich, der aufzeigt, wo im Verband Handlungsbedarf besteht“
Roman Kotschi, Schatzmeister SCV
Was ist die Lösung?
Gibt es ein Instrumentarium, das die Verantwortlichen im Verein, wie oben skizziert unterstützen kann? Klare Antwort: JA! Die Lösung: Die Kosten- und Leistungsrechnung, eine Teilrechnung des internen Rechnungswesens, die in großen Teilen der Vereinslandschaft jedoch bisher nicht zum Einsatz kommt.
Kassierer:innen und Schatzmeister:innen in den Vereinen, bei denen man diese Aufgabe verorten müsste, konzentrieren sich in der Regel auf die Finanzbuchhaltung des Vereins, also jenem Teil des Rechnungswesens, der gesetzlich vorgeschrieben ist. Dabei entsteht häufig der Eindruck und die Haltung, eine lästige Pflicht zu tun, in erster Linie für das Finanzamt. An dieser Stelle muss angesetzt werden, um mit einem passenden Rollenverständnis die vorhandenen Potenziale zu nutzen.
In der Finanzbuchhaltung wird die Grundlage für die Datenqualität gelegt, sie ist das Fundament des gesamten Zahlenwerks. Darum wäre es auch empfehlenswert, dem Standardrechnungswesen noch eines drauf zu setzen und Ihre Finanzbuchhaltung mit einer Kosten- und Leistungsrechnung zu ergänzen. Die Finanzbuchhaltung hat die Aufgabe, die Geschäftsvorfälle eines Betriebes – hier eines Vereins – vollständig und lückenlos zu erfassen und zu dokumentieren.
Ziel der Rechnung ist, das Geschäftsjahresergebnis zu ermitteln und dabei zu zeigen, wie sich Vermögen und Kapital von einem Stichtag zum nächsten entwickelt haben. Für diese Aufzeichnungen gibt es umfangreiche gesetzliche Vorschriften und die steuerrechtlichen Vorschriften haben höchste Priorität. Das Ergebnis dieses Prozesses bleibt hinsichtlich seiner Aussagekraft allerdings begrenzt, was letztlich auch zum schlechten Image führt. Zum einen handelt es sich um Vergangenheitsdaten, also Fakten, die nicht mehr beeinflussbar sind. Zum anderen sind die Informationen bei Fertigstellung der Abschlüsse bereits veraltet, die Lage kann sich in der Zwischenzeit massiv verändert haben. Die Gliederung erfolgt nach steuerrechtlichen Vorschriften, zeigt also Ergebnisse des ideellen Bereichs, des Zweckbetriebs, der Vermögensverwaltung und des wirtschaftlichen Betriebs. Das passt schon von der Terminologie nicht zu den Gegebenheiten in den Vereinen. Dort steht z. B. die musikalische Arbeit des Chores oder mehrerer Chöre im Mittelpunkt oder die Ausbildungsarbeit, oder die geselligen Veranstaltungen: Und wo finden Sie dazu die Zahlen? Bei Interesse oder Bedarf an genaueren Analysen muss hier manuell ausgewertet werden, ein mühsames Verfahren mit großen Unsicherheiten.
Setzen Sie das Instrument ein:
Empfehlenswert ist es an dieser Stelle, auch für Vereine, das Instrument der Kosten- und Leistungsrechnung einzusetzen. Dazu müssen Sie zunächst Kostenstellen und Kostenträger in Ihrem Verein identifizieren, also die zwei zentralen Fragen beantworten: Wo in Ihrem Verein entstehen Kosten und Leistungen? Wofür entstehen diese, für welche Leistungen?
Es könnten sich dabei Strukturen in Ihrem Verein wie in der obenstehenden Tabelle ergeben. Den differenzierten Kostenstellen und Kostenträgern wird eine Nummerierung gegeben, ähnlich den Sachkonten der Finanzbuchführung. Nun können Sie in einem Arbeitsschritt die notwendige Verbuchung für Ihr externes Rechnungswesen plus die Zuordnung der Kosten- und Leistungsrechnung vornehmen. Beispielsweise verbuchen Sie die Honorarrechnung eines Solisten, den Sie speziell für ein Konzert engagiert haben. Das wären Honorare in der Finanzbuchhaltung Bereich Zweckbetrieb, in der Kosten- und Leistungsrechnung können Sie diese Kosten direkt dem Konzert, z. B. Weihnachtskonzert, zurechnen. Die vollständige Auswertung des Kostenträgers Weihnachtskonzert zeigt Ihnen dann auch, inwieweit Ihre Erlöse aus Eintrittsgeldern oder Spenden die Kosten für dieses Konzert gedeckt haben. Bei einer konsequenten Zuordnung von Ist-Kosten – und Ist-Erlösen gewinnen Sie zusätzlich viele Informationen für die Planung und Kalkulation Ihres Vereinsbetriebs. Durch die Analysen und die gemeinsame Arbeit an den Instrumenten haben wir nicht nur transparentere Finanzkennzahlen, sondern auch einige Prozesse und Denkmuster in der täglichen Arbeit reflektiert und aufgebrochen.“
Johannes Pfeffer
Geschäftsführer Finanzen SCV
Fazit:
Mit ein paar wenigen Handgriffen und Anpassungen lässt sich aus dem vorhandenen Rechnungswesen noch einiges rausholen, wenn Sie auch das Instrumentarium der Kosten- und Leistungsrechnung mit der Zielsetzung der Transparenzgewinnung anwenden. Der große Vorteil der Kosten- und Leistungsrechnung ist, dass sie grundsätzlich freiwillig und an keine Formvorschriften gebunden ist. Darum kann sie sich auf die Bedarfe unterschiedlicher interner Entscheidungsträger:innen und Verantwortliche einstellen.