Der Siegeszug des Jodelns durch die Jahrhunderte.
Jodeln ist inzwischen weltweit im Trend. Wann und wo genau es entstanden ist, wissen wir nicht, es scheint aber, zumindest in Europa, eine alpenländische Tradition zu sein.
Erste Aufzeichnungen von einzelnen Jodelpassagen stammen aus dem 18. Jahrhundert, z. B. von der Hand der Appenzeller Musikerin Maria Broger (1704 – 1775). Sie sind dort Teil von „Kuhreihen“, also von volkstümlichen Liedern zum landwirtschaftlichen Leben. Aber auch im religiösen Bereich taucht „das unartikulierte Singen aus der Gurgel“, wie es in einem Bericht um 1810 heißt, auf. Der so genannte „Andachtsjodler“, ein geistliches Lied aus Südtirol, ist vermutlich im späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert entstanden. Er wurde noch um 1830 in Sterzing (Südtirol) in der Christmette gesungen, geriet dann aber in Vergessenheit, bis ihn um 1920 die Wandervogelbewegung wiederentdeckt hat. (Heute wird der Andachtsjodler meist dreistimmig und mit Instrumentalbegleitung aufgeführt.)
Auch in der klassischen Musik hat das Jodeln einige Spuren hinterlassen, z. B. bei Johann Nepomuk Hummel in seiner 1830 komponierten Jodelarie in Tiroler Art. Vor allem aber sind es zahlreiche volkstümliche Musikergruppen, die im 19. Jahrhundert den „Gesang mit dem Stimmüberschlag“ populär machten. Sängergesellschaften wie „Die Rainers“ brachen schließlich ab den 1830er Jahren zu Tourneen nach Amerika auf, wo das Jodeln dann allmählich in andere Musikstile Einzug hielt, z. B. in die Operette, ins Varieté, in Blues, Jazz oder Hillbilly. Ab den 1930er Jahren steigerte sich die Begeisterung in den USA zu einer richtigen Modewelle, wobei das „Yodeling“ vor allem die frühe Countrymusik erfasste.
Tarzans Schrei und mountain yodeling
Johnny Weissmüller (1904-84), ein Wahlamerikaner, hat 1932 den Jodler schließlich zur Grundlage des berühmten Tarzanschreis gemacht. Der in Ungarn geborene Siebenbürger Schwabe berichtet darüber: „Meinen Dschungelschrei lernte ich von meinen Vorfahren. Die gingen an den Wochenenden immer ins Gebirge, in the mountains-yodeling.“ (Noch Jahrzehnte später soll der einstige Sonny Boy dann im Altersheim noch seine Mitbewohner mit seinem legendären Jodler aufgeschreckt haben.)
Seit Tarzan war das Jodeln dann immer wieder in Hollywood-Filmen zu hören, bis hin zu Tim Burtons Science-Fiction-Kommödie “Mars Attacks“ (1996), wo letztlich nur ein Jodel von Slim Withman (1923-2013) die Invasion der Marsianer zu stoppen vermag. (Wer sich über das American Yodeling informieren möchte, dem sei hier übrigens Christoph Wagners Buch „Jodelmania / Von den Alpen nach Amerika und darüber hinaus“ wärmstens empfohlen.)
Populär, wenn auch in eher reduzierter Weise, blieb die Kehlkopfakrobatik auch in den deutschen Schlagern und Heimatfilmen der Nachkriegszeit. Man denke nur an Vico Torrianis „Jodel-Fox“ („Ich kann nun mal das Jodeln nicht mehr lassen“ 1952) oder an Susi Schusters „Jodel-Twist“ (1964).
Jodeln im Petersdom und bei den Alpinkatzen
Doch zurück zur geistlichen Musik: Seit 1974 wurden die ersten, von Jost Marty (1920-1988) geschriebenen „Jodlermessen“ aufgeführt, eine davon 1983 vor Papst Johannes Paul II. im Petersdom. Heute werden solche (gelegentlich von Ländler-Kapellen begleitete) Jodler-Gottesdienste nicht nur in vielen Kirchen inszeniert, sondern auch im Freien, gern auch vor eindrucksvollen Alpenkulissen.
Den wichtigsten Auftrieb für eine ernsthafte und kreative Neubeschäftigung mit Yodeling brachte uns allerdings die so genannte „Neue Volksmusik“ seit Mitte der 1980er Jahre. Hier wurden Elemente aus der Pop, Rock, Jazz und Weltmusik zusammengeführt. Künstler wie von Hubert von Goisern & die Alpinkatzen haben dabei auch das Jodeln zurück in die aktuelle Kunstszene gebracht. Seit gut zwei Jahrzehnten findet das Jodeln immer mehr Interessenten. Ob vom „Yodel club“, „Jodlerchörli“ oder vom Berliner Jodelchor „Urban Yodeling“: Es werden heute reichlich Jodelkurse und Seminare angeboten, und wenn es Corona zulässt, wird es in Basel auch wieder das traditionelle „Eidgenössische Jodlerfest“ geben.
Jodlerkarte, Jodlermütze, Jodlergurke …
Das Interesse am Yodeling hat sich immer in einem Parallelmarkt mit entsprechenden Produkten wiedergespiegelt. Zunächst waren es (neben den vielen Schallplatten) vor allem Bildpostkarten, mit denen sich die Jodler- und Trachtentanzgruppen der Öffentlichkeit präsentierten. Viele Darstellungen zeigen den Sänger mit einem von seinen Händen geformten Schalltrichter am Mund. In dieser Manier lässt sich sogar noch Takeo Ichy (geb. 1947) ablichten, jener Maschinenbauer aus Japan, der sich das Jodeln selbst beigebracht und als Sänger in Deutschland Karriere gemacht hat (Einer seiner Songs vor vier Jahren: „Im Bundestag wird heut gejodelt“).
Neben den vielen, oft humoristischen Ansichtskarten hat sich jüngst auch noch ein kleiner Markt mit weiteren Artikeln etabliert. Neben einem silbernen „Jodel“-Franken von 2017 gibt’s z. B. noch jodelnde Volksfesthüte und Christbaumgurken, die auf Klatschen mit einer kurzen Jodel-Sequenz reagieren.