Als Mitglied im Vorstand eines Vereins hat man viele Aufgaben und Pflichten. Heutzutage gehören auch viele gesetzliche Vorgaben dazu. In diesem zweiteiligen Artikel geht es um die Haftung des Vorstandes:
I. Welche Vorstandsämter müssen besetzt sein?
Die Praxis des Vereinslebens zeigt, dass Vorstandspositionen häufig nicht besetzt werden können, weil keine Kandidaten zur Wahl gewonnen werden können. Der Unterzeichner hat dies durch zahlreiche Anfragen von Vereinsvorständen in den vergangenen Wochen bei der Vorbereitung der jährlichen Mitgliederversammlungen, die meist im Frühjahr stattfinden, erfahren. Die Frage war häufig, was die Folge ist, wenn ein in der Satzung vorgeschriebenes Vorstandsamt mangels Kandidaten nicht besetzt werden kann.
Die Antwort war stets die gleiche, typisch juristisch: Es kommt darauf an. Kann der Posten eines Beisitzers, eines nicht ins Vereinsregister eingetragenen Schriftführers o. ä. mangels Kandidaten nicht besetzt werden, ist dies zwar bedauerlich und lässt nach der Wahl einen inkompletten Vorstand zurück. In rechtlicher Hinsicht ist das jedoch ohne Konsequenzen, auch wenn das Gegenteil immer wieder behauptet wird. Freilich: Die Arbeit, die der Vorstand leisten muss, wird auf weniger Schultern zu verteilen sein. Das aber „ist nun einfach so“.
Ganz anders, wenn der Posten eines im Sinne von § 26 BGB außenvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds nicht besetzt werden kann und kein weiteres, vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied vorhanden ist. Dann fehlt plötzlich dem Verein, der ja eine Körperschaft des privaten Rechts ist (merke: im Wort „Körperschaft“ steckt das Wort „Körper“!), nun plötzlich der Kopf, nämlich ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied, also ein solches, welches berechtigt und verpflichtet ist, den Verein im Rechtsverkehr, also nach außen zu vertreten. Hier hat also ein Wegfall sämtlicher vertretungsberechtigter Vorstandsmitglieder zur Folge, dass der Verein im Rechtsverkehr nicht mehr handeln kann. Wenn dabei Nachteile für den Verein zu befürchten sind, kann (nicht muss!) das Amtsgericht (Vereinsregister) gemäß § 29 BGB „in dringenden Fällen“ für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten so viele Vorstandsmitglieder bestellen, wie zur rechtsgültigen Vertretung des Vereins nach außen erforderlich sind.
Wann wird ein Vorstand von Amtswegen bestellt?
Was ein „dringender Fall“ ist, steht – wie üblich – nicht im Gesetz. Die Kommentierung lässt einen dringenden Fall vorliegen, wenn ohne die Notbestellung dem Verein oder einem Beteiligten Schaden droht.
Beispiele: Einem Verein kann eine Klage nicht zugestellt werden; dem Gläubiger droht ein Schaden. Oder: Der Verein kann eine Forderung gegen einen Dritten nicht geltend machen; es droht Verjährung. Oder: Der Verein kann einen Förderantrag nicht stellen, der fristgebunden ist.
Wie der Name schon sagt: Der Notvorstand ist eine „Not“-Lösung. Sie kostet im Übrigen den Verein auch Geld, da das Amtsgericht, wenn kein freiwilliger Ehrenamtler das Amt des Notvorstandes übernimmt, im Zweifel einen Berufsträger (Anwalt, Steuerberater) zum Notvorstand bestellt, der nach den einschlägigen Vergütungsordnungen für Steuerberater oder Rechtsanwälte zu bezahlen ist.
Ergebnis:
Die Nichtbesetzung des Vorstandes mit zumindest einem alleinvertretungsberechtigten (oder zwei gemeinsam vertretungsberechtigten) Vorstandsmitgliedern schadet dem Verein und sollte verhindert werden. Dass selbst in einer solchen Situation vorkommt, dass es nicht zur Bestellung zumindest eines vertretungsberechtigten Vorstandes kommt, musste der Autor in seiner Beratungspraxis mehrfach beobachten.
II. Muss ich persönlich haften?
Das Zögern, ein Vorstandsamt zu übernehmen, hängt häufig mit der Angst vor der persönlichen Haftungsinanspruchnahme zusammen. Der Ehrenamtler hat die Vorstellung, bei einem haftungsträchtigen Vorgang, den er als Vorstandsmitglied zu erledigen hat, drohe ihm die persönliche Inanspruchnahme bis hin zur Zwangsversteigerung seines Einfamilienhauses.
Es hilft offenbar nicht, wenn mit Engelszungen darauf hingewiesen wird, dass das Haftungsrisiko eines Vorstandsmitglieds inzwischen sehr gering ist.
Warum ist das Haftungsrisiko gering?
Grundsätzlich ist Haftungssubjekt für eine Inanspruchnahme durch Dritte der Verein, § 31 BGB.
Der Gesetzgeber hat für Vorstände (§ 31aBGB) und für Vereinsmitglieder (§ 31b BGB) vor Jahren die Haftung gegenüber dem Verein (Regresshaftung) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Gegenüber einer Inanspruchnahme als Gesamtschuldner, etwa im Bereich der unerlaubten Handlung, hat der Vorstand einen Freistellungsanspruch gegen seinen Verein; er kann also von diesem verlangen, dass dieser die Vorderung gegen den Vorstand trägt (übernimmt), §31 Abs. 2 BGB.
Schließlich: Versicherungen: Sowohl der Verein ist gegen die Haftungsinanspruchnahme (etwa im Bereich der Veranstalterhaftpflicht) und gegen Vermögensschäden versichert; ebenso ist aber – für den Fall, dass doch einmal eine Haftungssituation entstehen könnte, das Vorstandsmitglied durch eine D&O-Versicherung bei derselben Versicherungsgesellschaft (ARAG Versicherung AG, Düsseldorf) versichert.
Eine Haftung kann also nur in Betracht kommen, wenn ein Vorstandsmitglied vorsätzlich (hier verdient es in der Regel auch keinen Schutz!) oder grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung eine völlig unverständliche, nicht erklärbare Form der Fahrlässigkeit, die sich in die Richtung des Vorsatzes (bedingten Vorsatzes) bewegt.
Und selbst die kann nach der Rechtsprechung bei entsprechender Satzungsregelung von den Schultern des Vorstandes genommen werden, sodass ihm nur noch die Inanspruchnahme wegen einer vorsätzlichen Schädigung des Vereins oder eines Dritten an Risiko übrig bleibt.
Eigentlich müsste jedem Aspiranten für ein Vorstandsamt nachvollziehbar sein, dass er hier „auf der sicheren Seite“ ist, jedenfalls für den ganz überwiegenden Teil der in Betracht kommenden Haftungsfälle. Dies belegen auch die geringe Zahl von Verurteilungen von Vorstandsmitgliedern auf Schadenersatz an ihren Verein oder einen Dritten (die persönliche Haftung in Steuersachen soll hier unerörtert bleiben).
Lesen Sie den zweiten Teil in der Juni 2019 Ausgabe der Zeitschrift SINGEN.
Zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.