Wie Übe-Files den Alltag von Chorleiter & Choristen erleichtern.
Martin Renner erklärt, warum ihm digitale Möglichkeitendas Chorleiterleben erleichtern.
Basta singt auf ihrem Album Freizeichen:
„Wir gehen offline, wir versuchen‘s ohne klicken, ohne wischen, ziehen, swipen, liken, auf den Bildschirm blicken.“ Ein super Song, der mir wirklich gut gefällt, sich jedoch mit meiner Chorleitertätigkeit leider überhaupt nicht vereinbaren lässt, denn die digitalen Medien spielen bei mir und meinen Chören eine große Rolle bei der täglichen Arbeit.
Ein Bekenntnis zur digitalen Welt
Ich gebe es zu, ich bin ein Online-Junkie. Ich mag es, wenn Dinge direkt und ohne große Wartezeiten bearbeitet werden können. Wenn einer meiner Sänger üben möchte, will ich ihm diese Möglichkeit sofort eröffnen und nicht erst, wenn er keine Zeit oder keine Lust mehr dazu hat. Das gelingt am Besten mit der Hilfe von digitalen Diensten. Die Prinzen würden hier vermutlich singen: „Das ist alles in der Cloud – eo eo“. Wenn Übe-Files, Fotos, Videos in der Cloud abgelegt sind, sind diese für jeden zu jeder Zeit abrufbar. Mögliche geeignete Ablageorte sind z. B. Dropbox, Google Drive oder WeTransfer, wobei diese Dienste unterschiedliche Funktionsweisen haben und sich je nach Anwenderinteresse mehr oder weniger eignen.
Bei meinem Männerchor sind einige Sänger noch nicht in der digitalen Welt angekommen und werden deshalb von anderen Sängern auf analogem Wege (CD) mit den neusten Übe-Files versorgt, so klappt dann auch die komplette Abdeckung.
Die wertvolle gemeinsame Zeit sinnvoll nutzen
Die wöchentliche Chorprobe stellt die wichtigste Zeit für die Gruppe dar und sollte deshalb auf keinen Fall leichtfertig verplempert werden. Diese Zeit unterscheidet sich von der restlichen Woche vor allem in dem Punkt, dass jetzt (im Idealfall) einmal alle Sängerinnen und Sänger da sind.
Diese wertvolle Zeit sollte unbedingt mit möglichst viel gemeinsamen Singen füllen, denn das kann keiner für sich alleine nachholen. Außerdem geht man deshalb ja eigentlich auch zur Singstunde, oder?
Am Ensembleklang kann man dann nur ausgiebig feilen, wenn jeder Einzelne Zeit in die Vorbereitung steckt und sich mit den Liedern und vor allem seiner Stimme vertraut macht. Das kann mit Übe-Files gelingen.
Woher bekomme ich Übe-Files?
Inzwischen bieten einige Verlage und Arrangeure direkt Übe-Files an. Man erhält dann unterschiedliche Tracks, auf denen die Einzelstimmen und das gesamte Arrangement zu hören sind. Diese fallen in ihrer Ausführung aber recht unterschiedlich aus.
Ich gebe für meine Chöre immer für jeden Stimme drei unterschiedliche Varianten der Audio-Dateien aus:
Variante 1:
Nur die eigene Stimme
Variante 2:
Die eigene Stimme lauter, mit dem restlichen Chor im Hintergrund
Variante 3:
Die anderen Stimmen ohne die eigene
So kann man ganz nach Probenstand den Anspruch an den eigenen Gesang immer mehr steigern und schließlich testen, ob man im Gesamtklang existieren kann oder immer wieder aus der Bahn geworfen wird.
Schließlich gibt es noch eine SATB / TTBB Variante, damit man sich mit dem Gesamtklang vertraut machen kann.
Bei besonders komplexen Stimmführungen gebe ich auch schon mal eine langsamere Variante aus, damit man die Töne präzise einüben kann. Den Klick lasse ich in allen Versionen mitlaufen, da die meisten Amateursänger im rhythmischen Bereich meist die wenigsten Erfahrungen mitbringen, d.h. Intonation bzw. Töne singen wird am meisten geübt, rhythmisches Verständnis am wenigsten, deshalb bringt das Üben mit einem Klick im Übe-File viel für den besseren Groove im Chor und das Verständnis wann die Töne exakt kommen und enden müssen, denn der Computer bietet die absolute Präzision. Der Chorleiter am Klavier lässt sich dann doch gerne auch mal vom Ensemble antreiben oder ausbremsen. Je mehr ein Chor „tight“ (das bedeutet: rhythmisch richtig) ist, desto mehr wird die Darbietung beeindrucken, obwohl das Publikum gar nicht sagen kann, woran es genau liegt.
Wie kann ich Übe-Files selbst erstellen?
Zur Erstellung solcher Übe-Files verwendet man Notationssoftware, in die man die Noten entweder eintippt, oder dank einer Scanner-Erweiterung abscannt und dann bearbeitet. Pro Stück dauert das dann zwischen fünf Minuten bis einige Stunden, je nach Komplexität des Werkes und Präzision beim Scannen. Am meisten verbreitet ist hierfür wohl Sibelius, Finale oder auch das Online-Tool Musescore.
Neben der Probenarbeit kann auch die Organisation der Auftritte stark von den digitalen Möglichkeiten profitieren. Abhängig davon, wieviele Auftritte man im Jahr machen kann und will, kann die Terminabfrage ein großes Thema werden. Mit Doodle- oder Facebook-Umfragen kann dies erledigt werden und ist bei einer geringen Anzahl von Auftritten durchaus ein geeignetes und kostenloses Mittel. Bei einer höheren Anzahl wird das manchmal komplizierter.
Warum?
Doodle und Facebook sortieren die Antworten nicht nach z. B. Stimmregister, d.h. der Auswertende muss sich immer überlegen, ob genug Sängerinnen im Alt dabei sind bzw. wie die gesamte Stimmverteilung aussieht. Insbesondere bei kleineren Ensembles ist dies auf die Frage der „Singfähigkeit“ besonders wichtig. Aus diesem Grund habe ich mir von einem Freund ein Rückmelde-Tool programmieren lassen. Das ermöglicht es mir, die Auftritte einzutragen und dann eine automatische E-mail zu generieren, welche meinen Sängerinnen und Sängern zugeht. In dieser Mail können diese dann zu- oder absagen und es wird direkt ins System übertragen. In der Übersicht kann ich dann feststellen, wie viele Personen pro Register anwesend sind und die Anfrage entsprechend beantworten. Die schönste Funktion ist die 24h-Erinnerungsmail. Sollte die E-Mail nicht innerhalb von 24h beantwortet sein, schickt das System automatisch eine Erinnerungsmail raus und zwar so lange, bis die Antwort eingegangen ist. Das erspart wirklich eine Menge Arbeit!
Erfahrungsgemäß kann ich Auftritte dann spätestens zwei Tage nach Anfrage bestätigen, was auch in der Außenwirkung ein gutes Bild abgibt.
Aktuell ist dieses System noch in meiner privaten Testphase, wird aber in den nächsten Monaten auch für interessierte Chöre mit weiteren tollen Funktionen verfügbar gemacht werden. Bei Interesse einfach schon einmal eine E-mail an martin.renner@gmail.com schicken und auf dem Laufenden bleiben.
Basta fragt im zu Beginn zitierten Song: „Und wer weiß war Martin täte, ohne mobile Endgeräte?“ – die Antwort muss ich leider schuldig bleiben. Ich weiß es nicht!
Martin Renner