In § 26 Abs. 2 BGB ist geregelt, dass der Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, den Verein mit der Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertritt. Das kann durch die Satzung geändert werden, § 40 BGB. Bei einer klassischen Vereinsbesetzung sind das mindestens jeweils zwei Mitglieder des Vorstandes. Es gilt also das Mehrheitsprinzip.
Die gesetzliche Regelung lässt viel Spielraum für die Besetzung des Vorstandes und seine Beschlussfassung, den der Verein durch entsprechende Satzungsregelungen konkretisieren muss. Das kann durch Aufgabenverteilung und Wahl der einzelnen Funktionsträger geschehen, ebenso aber auch durch eine Wahl nur der Zahl der in der Satzung festgeschriebenen Vorstandsmitglieder mit der Regelung, dass die Vertretung nach außen und die Vergabe der Zuständigkeiten innerhalb des Vorstandes durch diesen selbst wahrgenommen wird.
Fast alle Satzungen der Vereine des SCV enthalten entsprechende Regelungen: Zum einen wäre es unzweckmäßig, wenn die Vertretungsberechtigung nach § 26 Abs. 1 BGB nicht in der Satzung konkretisiert würde, zum anderen ist die Regelung der Aufgabenverteilung (wenn sie nicht dem Vorstand überlassen wird) richtigerweise in der Satzung geregelt.
Klassische Aufgabenverteilung oder Teamarbeit?
Die Aufgabenverteilung in den meisten Satzungen ist klassisch: Vorstandsvorsitzender und Stellvertreter, Schriftführer, Kassier (Schatzmeister). Die Die Außenvertretung wird durch die Wahl der vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder (z. B. Vorsitzender und Stellvertreter), die ausschließlich ins Vereinsregister eingetragen werden, geregelt. Dadurch ergibt sich die herausragende Stellung des ersten Vorsitzenden, der oft als „Chef“ des Vereins gesehen wird oder sich auch selbst sieht.
Andererseits wird immer mehr die Haltung vertreten, dass es nicht eine „starke“ Figur an der Spitze eines Vereins geben sollte, sondern dass die Verteilung der Aufgaben und der Verantwortung (einschließlich der Zuständigkeit für die Außenvertretung) aus dem Vorstand heraus beschlossen und von diesem gelebt werden soll (Kollegialorgan).
Viele Vereinsvorsitzende befürworten diese Regelung, da sie die herausragende Funktion des ersten Vorsitzenden in Hinblick auf Verantwortung (einschließlich Haftung), auf Stellung im Verein und in der Öffentlichkeit nicht für wünschenswert halten. Deshalb nimmt die Zahl der Vereine zu, die ein kollegiales Vorstandsteam, ohne besonders verstärkte Funktion einzelner Vorstandsmitglieder bevorzugen. Die Satzung kann festlegen, dass alle Mitglieder vertretungsbefugt im Sinne von § 26 Abs. 1 BGB sind, sodass es keine hierarchische Zweiteilung gibt. Häufig wird ergänzend bestimmt, dass zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten und ein vorheriger Vorstandsbeschluss erforderlich ist. Auch wenn ein solcher Beschluss fehlt, bleibt die Außenvertretung wirksam, da sie im Vereinsregister öffentlich gemacht ist. Im Innenverhältnis kann ein eigenmächtiges Handeln jedoch Sanktionen wie Missbilligung, Amtsenthebung oder Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Soweit, so gut.
Der Vorstand und Nachwuchssorgen
In meiner Beratungspraxis nehmen die Fälle zu, in denen Vorstände um Beratung bitten, weil sie keinen Vorstandsnachwuchs finden.
Viele Vorstände kommen mit der Vorstellung, dass der Verein seine Auflösung betreiben muss, wenn die Vorstandsämter nicht entsprechend der Satzung besetzt werden können.
Das kommt daher, dass Vorstandsmitglieder ihre Tätigkeit vermehrt vor Ende der Legislatur beenden wollen, sei es, weil die Zahl der singfähigen Mitglieder nicht mehr ausreichend erscheint oder ist, sei es, weil es Unstimmigkeiten im Vorstand gibt. Oft sind es die Vorsitzenden selbst, die um Beratung im Zusammenhang mit der Auflösung des Vereins bitten, wobei dies auch für die Vorsitzenden gilt, die meinen, der Fortbestand ihres Vereins hänge von dem Fortbestand ihrer Amtsinhaberschaft ab.
Das ist auch zwei Gründen unzutreffend:
Zum einen ist ein Vorstand ohne ersten Vorsitzenden immer noch ein Vorstand. Wichtig ist nur, dass der Verein stets ein im Vereinsregister eingetragenes, vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied hat, § 26 Abs. 1 BGB.
Ist dies nicht (mehr) der Fall und sind im Vorstand nur nicht vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder versammelt, kann der Vorsitzende oder kann ein anderes Vorstandsmitglied nicht so ohne Weiteres zurücktreten. Er kann dies zwar formal, weil seine Vorstandseigenschaft endet, sobald er gegenüber dem Vorstand die Aufgabe seines Amtes, also seinen Rücktritt erklärt hat. Aber:
Notvorstand nur in dringenden Fällen
Viele Satzungen enthalten inzwischen die Regelung, die erst während der Corona-Krise Bedeutung bekommen hat: Die satzungsmäßige oder – inzwischen gesetzliche – Regelung, dass ein Vorstand so lange im Amt bleibt, bis ein Nachfolger vom zuständigen Organ des Vereins gewählt worden ist.
Die Regelung, dass ein Vorstand bis zur Wahl eines Nachfolgers im Amt bleibt, ist für den ausscheidungswilligen Vorstand nicht zwingend, da ihn niemand zur Fortsetzung seines Ehrenamts verpflichten kann. Ein Rücktritt kann jedoch zur „Unzeit“ erfolgen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Verein nur einen vertretungsberechtigten Vorstand hat und dieser zurücktritt, woraufhin der Verein oder ein Dritter die Bestellung eines Notvorstandes beim Amtsgericht (AG, Registergericht) beantragen muss, § 29 BGB. Das AmtsG wird dies nur tun, wenn die Notbestellung dringend geboten ist, was immer dann der Fall ist, wenn der Verein nach außen nicht mehr handlungsfähig, weil nicht ordnungsgemäß vertreten ist, eine kommissarische Vorstandschaft nicht herbeigeführt werden kann und der Verein auf die rechtsgeschäftliche Vertretungsmöglichkeit angewiesen ist (z. B. bei einem laufenden Rechtsstreit, zur Beantragung notwendiger Fördermittel). Die Registergerichte machen von der Möglichkeit eines Notvorstandes nicht gern Gebrauch, v. a. dann nicht, wenn die fehlende Vertretungsfähigkeit des Vorstandes auf vereinsinterne Streitigkeiten zurückzuführen ist. In solchen Fällen können die Mitglieder selbst eine Mitgliederversammlung einberufen, wenn der Vorsitzende fehlt oder nicht zur Einladung bereit ist.
Wenn die Satzung kein Quorum für die Einberufung einer Mitgliederversammlung vorsieht, müssen mindestens 10 % der Vereinsmitglieder die Einberufung schriftlich und unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangen.
Dieses Verlangen richtet sich auch an den Vorstand; verweigert dieser die Einberufung, kann das AG die Antragsteller ermächtigen, die Einberufung selbst zu treffen.
Folgen und Kosten der Notbestellung
Die Folge der Notbestellung im Sinne von § 29 BGB ist die Entstehung von Kosten. In längst nicht allen Fällen kann eine Notbestellung eines Vereinsmitgliedes erreicht werden, der auch die Notvorstandsstellung unentgeltlich begleitet (oder max. im Umfang der Ehrenamtspauschale). Zur Führung eines Vereins in diesem (Not-)Fall werden Berufsträger wie Steuerberater oder Rechtsanwälte vom AG herangezogen, die ihre Tätigkeit entsprechend ihrer Gebührenordnung abrechnen dürfen. Die Kosten sind vom Verein zu bezahlen. Sie können erheblich sein, v. a. dann, wenn die Notvorstandstätigkeit länger dauert (der Verein muss abgewickelt werden etc.).
Diese Kosten können (nicht: müssen!) vom Verein unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes gegenüber dem zurückgetretenen Vorstandsmitglied geltend gemacht werden. Verzichten kann allerdings nur die Mitgliederversammlung.
Rücktritt zur Unzeit
Was heißt „zur Unzeit“? Ein Rücktritt „zur Unzeit“ liegt vor, wenn er überraschend in einer Krisensituation des Vereins erfolgt – etwa bei finanziellen Problemen oder laufenden Rechtsstreitigkeiten – und der Wegfall des Vorstandsmitglieds nicht durch andere vertretungsberechtigte Mitglieder oder kommissarisch tätige Personen kompensiert werden kann. Deshalb ist der „Rücktritt zur Unzeit“ trotz formaler Zulässigkeit für den (einzigen) vertretungsberechtigten Vereinsvorstand wegen der möglichen, zivilrechtlichen Folgen nicht möglich oder jedenfalls riskant. Er kann in diesem Fall persönlich haftbar werden , wenn durch seinen vorzeitigen Rücktritt dem Verein ein Schaden entsteht.
Tritt ein Vorstandsmitglied während der Amtszeit zurück, verstirbt oder wird abberufen, kann seine Funktion durch ein anderes Vorstandsmitglied oder einen Dritten kommissarisch übernommen werden – bis zur Nachwahl durch die Mitgliederversammlung. Der Stellvertreter kann jedoch nicht durch den Vorsitzenden ersetzt werden.
Übrigens: Tritt ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied zurück, ist aber kein weiterer vertretungsberechtigter Vorstand vorhanden, entgeht der Verein einer Notvorstandsbestellung nur, wenn der verbleibende Vorstand oder mindestens 10 % der Vereinsmitglieder eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen und diese ein neues, vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied wählt, oder, der Vorstand kooptiert bei der nächsten ordentlichen Versammlung ein kommissarisches Vorstandsmitglied, das in üblicher Weise ins Vereinsregister eingetragen wird. Sind mehrere vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder vorhanden und tritt nur eines zurück, bleibt der Verein wirksam nach außen vertreten und es bedarf keines Einschreitens des Nachlassgerichtes.
Schließlich: Es empfiehlt sich, diesen Fragen bei der Errichtung oder Änderung einer Vereinssatzung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.