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Singen & Stimme, SINGEN Juni 2025

Das „Phänomen“ Gotthilf Fischer

Felix Eickelmann
1. Juni 2025
Titelbild: Gotthilf Fischer
Bild aus Lied & Chor, Jg. 1976, Nr. 12.

Wie der „Karajan aus dem Remstal“ den Verband spaltete

Gotthilf Fischer (1928–2020) zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Chorszene. 1974 trat die Chorleiterlegende mit einem großen Chor beim Endspiel der Fußballweltmeisterschaft in München auf und begeisterte das Publikum. Das war aber erst der Anfang einer großen Bekanntheit und Begeisterung in ganz Deutschland. Diese Begeisterung war jedoch innerhalb der Sängerbünde, wie dem Deutschen Sängerbund (DSB) oder dem Schwäbischen Sängerbund (SSB) bei weitem nicht so groß, im Gegenteil .

Im Archiv des SCV findet sich ein Briefwechsel, der das Verhältnis zwischen dem SSB und Fischer näher beleuchtet.

Aus einem Brief des Gauvorsitzenden des Karl-Pfaff-Gaus, Otto Weißinger, an den Bundeschormeister des Schwäbischen Sängerbundes, Walther Schneider, vom 14. Dezember 1976 geht hervor, dass Fischer Mitte der 1970er offenbar als „Problem“ wahrgenommen wurde. Weißinger wiederholt zunächst die Kritik gegenüber Fischer – derer er aber nicht zustimmt – und ermahnt gewissermaßen Schneider und andere Funktionäre von Schwäbischem und Deutschem Sängerbund. Stattdessen überwiegt bei ihm die Sorge um die Zukunft der Laienchorbewegung.

Fischers Arbeit wurde von seinen Kritikern (nicht bekannt) mit „Primitivsphäre“ – unter der Gürtellinie – geistig arm – oberflächlicher Genuss – Unbedarftheit – Kulturbanausen – etc. etc.“ SSB und DSB brachten dem schwäbischen Chorleiter Verachtung entgegen, aus der jedoch der Neid herauszulesen ist, denn Fischer hatte genau das geschafft, was der DSB immer wollte: die Nation singend zu einen – großer Mitgliederzuwachs und große Popularität.

 

Das Phänomen Gotthilf Fischer

Gotthilf Fische war ein schwäbischer Chorleiter. Er hatte keine formale musikalische Ausbildung, sondern brachte sich das Dirigieren autodidaktisch bei. Schon in jungem Erwachsenenalter leitete er mehrere Chöre. Seine mitreißende Art, Menschen zum gemeinsamen Singen zu bewegen, sprach sich schnell herum.

Die „Fischer-Chöre“ waren Großchöre mit mehreren Hundert Sänger:innen. Der Durchbruch gelang in den 1960er-Jahren durch Auftritte im Fernsehen und dem Auftritt bei der WM 1974. Es folgten Reisen nach Rom zum Papst, nach Jerusalem und in die USA zum Präsidenten Jimmy Carter. Der Erfolg spiegelte sich in mehreren Fernsehsendungen der 1980er und 1990er wie die „Straße der Lieder“ wider, die von Fischer selbst moderiert wurde.

Gesungen wurden hauptsächlich Volkslieder und einzelne einfache klassische Lieder. Diese Niedrigschwelligkeit erklärt zum einen die große Zahl an Mitgliedern, zum anderen die Kritik der sich selbst als elitär sehenden Sängerbünde.

 

Die Sorgen der Sängerbünde

Sowohl Weißinger als auch der Autor eines Artikels im Chorzeit-Vorgänger „Lied und Chor“ mit dem Titel „Ist der Messias nah?“ von 1976 gestehen Fischer den Erfolg zu, mahnen aber gleichzeitig, die eigenen Probleme zu beheben. SSB und DSB seien auf einem „hohen Ross“, Fischer habe nur eine Marktlücke gefüllt, die eigentlich im Interesse der Sängerbünde liegen solle. Stattdessen entwickle sich die Laienchorbewegung immer mehr in die Richtung der Profichöre, so Weißinger. Die Chöre sängen nicht mehr für das Publikum, sondern „schwere und schwerste Chöre, nur um dem Gau- bzw. Bundeschormeister zu gefallen“.

Fischer hingegen habe, so der Autor in „Lied und Chor“, ein „Verständnis für den kleinen Mann“. Er sei zwar ein „Ungebildeter“, aber das sei „derzeit in“ und habe mit seinem „Chorkonfektionsgeschäft“ florierenden Erfolg. Der schwäbische Chorleiter Fischer habe den entsprechenden Riecher, er habe nicht den besten Chor, aber den größten.

Weißinger fügt hinzu, die Gesangsvereine hätten nun insbesondere weiblichen Mitgliederzuwachs erhalten, die als Grund für ihren Beitritt die Öffentlichkeitsarbeit der Fischer-Chöre anführen. Es sei diese Unbeschwertheit, die den Chören des SSB fehle, so Weißinger. Vielmehr seien die Imagepflege und Selbstdarstellung noch zu sehr auf den eigenen Verein und die Tradition sowie auf übertriebenes Sendungsbewusstsein und falsch verstandenem Qualitätsanspruch ausgerichtet, während Fischer in der ganzen Republik singe.

 

Was getan werden muss

Natürlich wollten die Sängerbünde keineswegs den „Alleinvertretungsanspruch Fischers für den Chorgesang“, wie Weißinger es nennt, abtreten. Er sieht als Lösung des „Problems Fischer-Chöre“ das Gründen leistungsfähiger Chorgemeinschaften, die Beendigung des Konkurrenzdenkens der Chorleiter untereinander, die Vereinsmeierei und den Egoismus zu bekämpfen und insbesondere gute Chorliteratur anzubieten. Es fehle insbesondere an Unterhaltungsmusik. Dafür müsse man aber vom hohen Ross herabsteigen und „singen, was gefällt und ankommt.“ Sein Appell: „Machen wir doch einmal den Fischer-Chören Konkurrenz“.

 

Kritik an der Kritik

Jörg Thum, u. a. Chorleiter der „Abendsterne“ aus Ludwigsburg, sang bereits als kleiner Junge, mit zehn Jahren, in den Fischer-Chören mit. Er erhielt von Fischer schon recht bald Verantwortung für einzelne Chöre, der erste Chorleitervertrag folgte mit 15 Jahren. Das Image Fischers spaltete die Öffentlichkeit, so erinnert sich Thum. Die einen sangen dort sehr gerne, wegen dem Spaß am Singen. Die anderen, insbesondere Funktionäre, spotteten über Fischer und seine fehlende fachliche Kompetenz. Die Nähe zu Fischer brachte Thum lange das negative Image als „Zögling von Gotthilf Fischer“ von Seiten mancher Funktionäre des Verbandes. Trotz der Nähe zu Fischer sieht auch Thum heute die Diskrepanz. Bei den beiden habe es laut Thum ebenfalls viele Meinungsverschiedenheiten gegeben. So sei Fischer ein vehementer Vertreter der deutschen Sprache und des deutschen Volksliedes gewesen, andere wie Thum, nicht.

Das Bild des „schlecht ausgebildeten“ Fischers sei aber medial geprägt gewesen. Die Regeln im Fernsehen seien andere als die Regeln der klassischen Musik; z. B. Playback, das Fischer auch bei manchen Auftritten im Fernsehen nutze. Nicht weil er es wollte, sondern weil es dort gängige Praxis gewesen sei, erinnert sich Thum. Das wurde Fischer negativ angehängt.

Thum sagt, das Bild Fischers sei nur aus Medien zusammengesucht worden, Proben- und Vereinsarbeit und die Begeisterung der Massen für das Singen seien aber nicht gewürdigt worden. Funktionäre der Verbände hätten beispielsweise wenig bis nie Konzerte von Fischer besucht. Dieser habe aber „wahnsinnig viel bewegt“ und habe den „Job als Chorleiter auf eine ganz besondere Art und Weise“ verkörpert. Dieses „Phänomen Fischer“ habe es so danach nicht mehr gegeben.

Aus der Kritik sprach laut Jörg Thum Neid, Unwissenheit aber vor allem fehlende Bereitschaft, sich mit Fischer auseinanderzusetzen. Fischer wusste es, die Regeln der Medien für sich zu nutzen und wurde so deutschlandweit bekannt. Insbesondere durch seine Freude an der Musik und der Vermittlung dieser sei er daher vielmehr ein Vorbild, sagt Jörg Thum.

 

Geschichte, Schwäbischer Chorverband
Das „Phänomen“ Gotthilf Fischer
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