Demographische Probleme begegnen uns im Schwäbischen Chorverband immer wieder, vor allem im Bereich der Überalterung mancher Vereinsvorstände oder auch bei der Einschränkung der Singfähigkeit von Chören. Diese Einschränkung hat eine zahlenmäßige und eine qualitative Komponente. In Ehren ergraute Chormitglieder erklären eines Tages, sie wollten nicht mehr im Vereinschor singen.
Grund ist oft – längst aber nicht immer – die mit steigendem Alter zurückgehende Fähigkeit, die Stimme wie seither zu gebrauchen, denn auch die Stimme altert.
Wenn ein Vereinsmitglied nun entscheidet, nicht mehr mitsingen zu wollen, ist das traurig, aber immer respektabel. Was aber, wenn die Entscheidung, nicht die des Mitglieds selbst ist, sondern die Entscheidung des Vereins oder – im konkreten Fall – die des Chorleiters / der Chorleiterin?
Gleich- Bzw. Ungleichbehandlung
Hier stellen sich gewichtige rechtliche Fragen, die ganz allgemein unter dem Stichwort „Gleichbehandlung“ versammelt sind, also im Bereich des Artikels 3 unseres Grundgesetzes. Danach ist eine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung ebenso unzulässig wie eine sachlich nicht begründete Gleichbehandlung. Gleiche Sachverhalte müssen also gleich behandelt werden, ungleiche ungleich. Wenn drei Vereinsmitglieder gegen das Vereinsinteresse verstoßen haben, aber nur bei einem der Ausschluss aus dem Verein oder eine andere Vereinsstrafe erfolgt, verstößt dies gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Ebenso kann gegen diesen Grundsatz verstoßen werden, wenn ein Vereinsmitglied an einer Konzertreise teilnehmen darf, ein anderes nicht – ohne dass es dafür eine sachliche Begründung gibt. Auch bei Gesang und Stimme kommen Ungleicbehandlungen vor und müssen beanstandet werden. Folgende Fallgruppen lassen sich – jedenfalls – unterscheiden:
Ein Chorsänger wird mit der Begründung von Proben und Konzerten ausgeschlossen, seine Stimme trage nicht mehr zum Wohlklang des Chores bei. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine Entscheidung des Chorleiters oder des Vorstandes handelt.
Der Chorleiter erklärt (konkretes Beispiel), dass alle Sängerinnen, die das 55ste Lebensjahr überschritten haben, nicht mehr im Chor mitsingen dürfen. In der Satzung ist geregelt, dass niemand ab einem bestimmten Alter mehr in den Chor aufgenommen wird oder diesen verlassen muss. In der Satzung kann auch (kommt in der Praxis aber nicht vor) geregelt sein, dass der Chorleiter berechtigt sein soll, solche Entscheidungen im Einzelfall zu treffen.
In allen Chören sind solche Entscheidungen schwierig und schmerzhaft. In einem Gesangverein ist die Beendigung des aktiven Singens für viele gleichbedeutend mit der Beendigung des aktiven Vereinslebens. Es liegt also nahe, die mit solchen Weichenstellungen verbundenen Entscheidungen nicht nur menschlich extrem behutsam, sondern rechtlich korrekt zu treffen.
Nähern wir uns der Lösung der Probleme „anders herum“
Regelungen in der Satzung dürfen zwar selbstverständlich nicht willkürlich sein, doch ist eine Satzungsregelung immerhin und immer eine generelle Regelung, die für alle Vereinsmitglieder gleichermaßen gilt. Differenzierungen sind – wenn sie sachlich begründet sind – in der Satzung zulässig. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für eine von der Mitgliederversammlung beschlossene Chorordnung.
Trifft der Vorstand oder ein Chorleiter eine einschränkende Entscheidung, die alle Sänger der gleichen Gruppe (beispielsweise Frauenstimmen, Sopran o. ä.) betrifft, etwa des Inhalts, dass ab einem bestimmten, festgelegten Lebensalter ein aktives Mitwirken im Chor nicht mehr zulässig ist, dann ist eine solche Entscheidung zwar nicht von vorneherein – etwa im Sinne einer Diskriminierung – ausgeschlossen, muss aber sehr sorgfältig und überzeugend begründet sein. Allein das Lebensalter ist kein Kriterium dafür, dass ein aktives Mitsingen zum Wohle des Chors nicht mehr möglich sein soll. Erinnern wir uns an das Beispiel des alternden Autofahrers; auch dort ist bisher eine generelle, gar gesetzliche Regelung nicht zustande gekommen (richtigerweise), dass die Fahrerlaubnis gezwungenermaßen abgegeben werden muss. Auch mildere Mittel, etwa die Nachschulung oder altersabhängige Führerscheinprüfung, sind diskutiert, jedoch nicht Gesetz geworden. In der Regel wird sich also ein allgemeiner Ausschluss ab einem bestimmten Lebensalter aus Probenarbeit und den Konzerten nicht begründbar sein, jedenfalls nicht für eine Altersgrenze, bei deren Erreichen die Sänger nicht ohnehin von sich aus beschließen, nicht mehr aktiv im Chor mitzusingen.
Die Aufnahmebeschränkung
Etwas völlig anderes ist eine Aufnahmebeschränkung. Wenn ein quasi professioneller Konzertchor vom Verein getragen wird, der von hohem stimmlichen und musikalischen Anspruch ist, dann kann schon in der Satzung oder in der Chorordnung geregelt sein, dass zum einen eine Aufnahmeprüfung obligatorisch ist, zum anderen, dass die Aufnahme nur bis / ab einem bestimmten Lebensalter erfolgt. In einer solchen Aufnahmeordnung kann auch geregelt sein, dass ein Chorsänger automatisch mit Erreichen eines bestimten Lebensalters ausscheidet. Das ist – wie bei der Satzungsregelung auch – sachlich begründet und verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das Diskriminierungsgebot ist nicht verletzt.
Die Einzelfallentscheidung:
Sie ist die problematischste. Keinesfalls möglich ist, ein einzelnes Mitglied wegen seines Lebensalters aus dem Chor auszuschließen. Ein Ausschluss wegen unzureichender Leistungen wird auf den absoluten Ausnahmefall zu beschränken sein, der auch vor dem Hintergrund tunlichst unterbleiben sollte, dass ein Chor nicht nur eine Leistungseinheit, sondern auch ein soziales Gemeinwesen ist. Der Verein sollte im Chorleitervertrag in jedem Falle regeln, dass Entscheidungen über den Aus-schluss einzelner Personen oder Personengruppen aus dem Chor der Zustimmung des Vorstandes bedürfen.
Dass Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auch in diesem Zusammenhang einer rechtlichen Kontrolle und gerichtlichen Überprüfung unterliegen können, ist selbstverständlich. Es ist aber unbedingt vorzuziehen, auf allen Ebenen dafür Sorge zu tragen, dass dies – auch im Sinne eines gedeihlichen Miteinanders – nicht passiert.
Kontakt:
Rechtsanwalt Christian Heieck
Weiherstraße 6, 72213 Altensteig
07453 1677, mobil 0172 7110063
Telefax: 07453 9554596
Email: kanzlei@rechtsanwalt-heieck.de
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.