Jan Martin Chrost hat die „Musica Cantorum – Katholische Singschule Heidenheim“ ins Leben gerufen.
Als ich im Juli 2015 in St. Maria Heidenheim meine Kirchenmusikstelle antrat, fand ich eine chorische Situation vor, die vielerorts in ähnlicher Form anzutreffen ist:
• ein kleiner Kinderchor (5 SängerInnen)‚ ohne Zuwachs
• ein Jugendchor, dessen Besetzung nicht konstant war
• ein Erwachsenenchor, dessen Durchschnittsalter mit jedem Jahr stieg und die Alterskluft zu den jungen SängerInnen im Kinder- und Jugend-
chor immer größer werden ließ.
Diese Situation war den vorherigen Umständen geschuldet, für die weder die Kirchengemeinde noch die musikalisch Mitwirkenden etwas konnten. Im Gegenteil: Das Engagement und die Solidarität der SängerInnen machten es möglich, die lange Krankheitszeit meiner geschätzten Vorgängerin und die darauffolgende Vakanzzeit der Stellenneubesetzung von 1,5 Jahren zu überstehen. Das verdient allen Respekt!
Eine Idee entsteht
Es zeichnete sich ab, dass diese Situation die langjährige Chortradition nicht sicherstellen würde. Mein Anliegen war es jedoch nicht, durch Veränderungen und Neuerungen etwas zu schaffen, das mit der bisherigen Geschichte und Struktur vor Ort nichts zu tun gehabt hätte. Vielmehr werden die vorhandenen Strukturen nun als Basis genutzt, um das Angebot zu erweitern und den Bedürfnissen unserer Zeit anzupassen. Aus dieser Grundhaltung ergaben sich die nächsten Schritte:
1. Der Kontakt zum Nachwuchs sollte bereits vor dem Schulalter geknüpft werden. Bei unseren Musikwichteln geht eine Musikpädagogin wöchentlich zu kurzen Singeinheiten (ca. 15 Min.) in drei Kindertagesstätten unserer Gemeinden. Ziel ist der persönliche Kontakt zu den Kindern und ihren Familien und die Interessenweckung für die Musik.
2. Den gewonnen Interessenten/-innen wurden mit der Neugründung der Singzwerge ((Groß-)Eltern-Kind-Gruppe ab dem 3. Lebensjahr) und den Marienkäfern (musikalischen Früherziehung ab 4 Jahren mit dem Schwerpunkt Singen) ein Angebot geschaffen. Für die Singzwerge, Marienkäfer und Musikwichtel wurde eine Musikpädagogin eingestellt.
3. Ein großes Problem für die Nachwuchsarbeit unserer Zeit liegt in den steigenden Erwartungen, Anforderungen und der zeitlichen Inanspruchnahme unserer Kinder im Schulalltag. In Kooperation mit einer örtlichen Grundschule haben wir dann im Rahmen der Nachmittagsbetreuung eine Chor-AG gegründet, sodass im regulären Alltag bereits der erste Kontakt zum Chorsingen geknüpft wird.
4. Ehemalige SängerInnen und Interessenten, die sich nicht an ein regelmäßig stattfindendes Ensemble binden können, können im neu gegründeten Jungen Ensemble an zwei Projekten im Jahr teilnehmen und sich an der Liturgiegestaltung in den Gemeinden beteiligen.
Da das Niveau dieser Gruppe bereits zu Beginn sehr hoch war, ist ggf. eine Eignungseinschätzung notwendig.
5. Entscheidend war die Einführung der Stimmbildung für alle SängerInnen der Musica Cantorum. Nach unserer Überzeugung ist langfristig ein Aufbau einer Singschule u. a. nur durch Qualitätssicherung und -steigerung möglich. Um in diesen Einheiten effektiv arbeiten zu können, wurde die Chorleitung und die Stimmbildung personell getrennt.
Ohne die grundsätzliche finanzielle Bereitstellung eines angemessenen Etats der Gemeinden wäre ein solches Konzept sicherlich nicht umsetzbar. Doch soll die Singschule keine Konkurrenz zu bisherigen musikalischen Institutionen wie Musikschulen darstellen, sodass ein geringer Beitrag von den Mitgliedern erhoben wird.
Mehr Gruppierungen, die Pflege von Mitgliederdaten und die Organisation rund um die Singschule bedeuten einen drastischen logistischen und bürokratischen Mehraufwand, der durch eine Sekretärin aufgefangen werden sollte. So sind zudem regelmäßige Büroöffnungszeiten realisierbar, um persönlich ansprechbar zu sein.
Freundes- und Förderkreis
„Jeder soll mitsingen können“ war bisher die Devise. Das sollte sich auch unter keinen Umständen ändern. Doch steht dies nicht im Widerspruch zu einer kontinuierlichen qualitativen Verbesserung der Chöre und der grundsätzlichen Einführung eines finanziellen Beitrages? Wir sind überzeugt davon, dass sich jeder mit seinen Fähigkeiten in dem Sozialgefüge eines Chores einbringen kann und durch professionelle Stimmbildung Fortschritte macht. Auch finanziell soll jedem Interessenten das Mitwirken ermöglicht werden, sodass der Freundes- und Förderkreis der Musica Cantorum die Chorpatenschaften eingeführt hat. So übernimmt dieser anonym den Beitrag für benachteiligte ChorsängerInnen. Darüber hinaus unterstützt der Förderkreis größere Projekte der Chöre und veranstaltet die Reihe der Musica-Sacra-Konzerte.
Grundlage für die Zukunft
Die Singschule sollte Wiedererkennungswert und Identifikationsmöglichkeit der Mietglieder bieten, sodass eine „Marke“ entwickelt werden musste. So wurde zunächst nach einem Namen gesucht, die Chornamen aufeinander abgestimmt und ein Logo erstellt. Eine Namensänderung war deshalb notwendig, damit auch außenstehende oder Nicht-Gemeindemitglieder sich auf Dauer mit der Singschule identifizieren können.
Kontakte und Kooperation
Um mit der Arbeit in der Singschule für die regionale Chorstruktur und Kulturszene wirken zu können, sind Kooperationen unumgänglich. Diese bieten jedoch nach einer „Bewährungszeit“ sicherlich undenkbar mehr Vorteile und Möglichkeiten. So pflegen wir einen sehr engen Kontakt zur Stadt, Musikschule, anderen Chören und Chorverbänden. Vor allem letztere bereichern die Ausbildungsmöglichkeiten der Singschule durch Musiklotsen- oder Mentorenausbildungen. Ein Angebot, das die Musica Cantorum eigenständig nicht stemmen könnte.
Zeit, Zeit, Zeit…
Auftakt unserer Singschule war der 1. Oktober 2016. Doch bei aller guten Konzeption, Vorbereitung und höchstem Ehrgeiz: Bis die Ernte ertragreich ausfällt, wird noch viel Zeit und Kraft erforderlich sein. Und wenn man es realistisch betrachtet, weiß man auch, dass die Ausbildung des Nachwuchses zunächst nicht für Heidenheim bestimmt sein wird, da z. B. durch Ausbildung oder Studium zunächst ein Ortswechsel ansteht. Doch unser Hauptziel ist es, die Begeisterung für das Chorsingen zu prägen, sodass sich diese an jedem Ort entfalten kann.
Jan Martin Chrost
Jan Martin Chrost ist Regionalkantor in Heidenheim und beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Chorleitung/Stimmbildung und Kinder- und Jugendchorleitung.
Von 2010 bis 2014 studierte er Kath. Kirchenmusik an der HfMT-Köln (Bachelor). Von 2010 bis 2015 war er Kirchenmusiker in St. Marien Kevelaer.Seit 2012 ist er Mitglied im Deutschen Jugendkammerchor. Von 2014 bis 2016 machte er seinen Master in Kath. Kirchenmusik an der HfMT-Köln. Seit 2015 ist er Dekanatskantor des Dekanat Heidenheim und seit 2015 Mitglied im Kammerchor vox animata.Seit 2016 ist er Regionalkantor der Diözese Rottenburg-Stuttgart .